10 Fragen zur ersten Woche der Testfahrten
Die Katze ist aus dem Sack. Was kann die neue Formel 1, wie gut sind die Teams, was können die Fans erwarten? Zehn Fragen zur ersten Testwoche von Barcelona und die Antworten dazu.
Selten wurde eine Saison mit so viel Spannung erwartet. Das neue Reglement warf viele Fragen auf. Nicht alle wurden während der ersten Testwoche schon beantwortet. Doch der Nebel beginnt sich zu lichten. Wir erkennen eine Tendenz. Das wahre Kräfteverhältnis werden wir erst in der zweiten Testwoche erfahren.
Wie sagte uns ein Mercedes-Ingenieur? „Vergessen Sie die Rundenzeiten der ersten vier Tage. Da hat jeder nur Standfestigkeits- und Abstimmungsarbeit gemacht. In der zweiten Woche geht das Wettrüsten los. Da zeigen die Teams was sie haben. Und dann kann sich das Bild der ersten Woche noch einmal komplett drehen.“
Wir haben uns trotzdem nach dem ersten Schaulaufen der neuen Formel 1 in Barcelona 10 Fragen gestellt. Und wir geben die Antworten dazu.
Frage 1: Wie viel schneller sind die neuen Autos?
Zum Vergleich die alten Rekorde: Die absolute Bestzeit auf der 4.655 Kilometer langen Streckenvariante von Barcelona steht auf 1.18,339 Minuten. Gefahren von Felipe Massa bei einem Test 2008. Den Pole Position-Rekord hält Mark Webber aus der Saison 2010. Der Australier stellte seinen Red Bull mit 1.19,995 Minuten auf den besten Startplatz. Die Pole Position 2016 von Lewis Hamilton betrug 1.22,000 Minuten. Und die Testbestzeit aus dem Vorjahr von Kimi Räikkönen 1.22,765 Minuten. Nach vier Testtagen steht die Bestzeit von Valtteri Bottas auf 1.19,705 Minuten. Pirelli prognostiziert eine Zeit von 1.18,0 Minuten unter besten Bedingungen. Mercedes ist da vorsichtiger. Die Ingenieure können sich eine Zeit zwischen 1.18,5 und 1.18,7 Minuten vorstellen. Es sieht so aus, als würden die Prognosen eingehalten, dass die Autos in Barcelona 4 bis 5 Sekunden schneller sind.
Frage 2: Sind die Autos schwieriger zu fahren?
Auf jeden Fall. Lewis Hamilton spricht von den schnellsten und schwierigsten Autos, die er je gefahren ist. Nicht nur wegen des höheren Speeds. Die Autos sind im Grenzbereich giftiger. „Wenn sie mal ausbrechen, sind sie schwieriger einzufangen.“ Felipe Massa bestätigt: „Du bist weniger am rutschen als letztes Jahr. Doch im Grenzbereich reißt der Grip abrupt und ohne Vorwarnung ab.“ Lance Stroll hat es bitter erfahren. Der Williams-Neuzugang drehte sich drei Mal von der Strecke.
Frage 3: Ist Ferrari so gut wie es die Rundenzeiten vermuten lassen?
Ferrari ist auf jeden Fall mal besser als im Vorjahr. Das Auto läuft ohne große Probleme. Vor einem Jahr standen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen mit Motor- und Getriebeproblemen oft in der Box. Die sollten sie das ganze Jahr begleiten. Zwei Bestzeiten an vier Tagen zeigen, dass der neue Ferrari SF70H zumindest auf einem guten Weg ist. Bei Red Bull und Mercedes unterstellt man, dass Ferrari bei den schnellen Runden leichter unterwegs war als die Konkurrenz. In den Dauerläufen zeigte Ferrari eine stärkere Reifenabnutzung als Mercedes und Red Bull. Allerdings kommen die neuen Pirelli-Reifen Ferrari entgegen. Sie sind pflegeleichter und einfacher zu verstehen.
Frage 4: Warum war Red Bull so langsam?
Der Zeitrückstand auf Mercedes und Ferrari betrug über eine Sekunde. Nur im Longrun fuhr Red Bull auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Red Bull stand viel in der Garage. Es gab immer wieder Probleme im Motorumfeld. Die Motorwechsel bei Toro Rosso und beim Werksteam lassen vermuten, dass der neue Renault V6-Turbo noch nicht kugelsicher ist. Die Renault-Teams fahren noch mit stark gedrosselter Power. Mercedes allerdings auch. Trotzdem liegt Red Bull in der Topspeed-Rangliste ständig im vorderen Drittel. Adrian Newey hat offenbar bei seinem Konzept stark auf die Minimierung des Luftwiderstands geschaut. Eine offene Frage ist, ob die neuen Fahrwerksregeln Red Bull bereits einbremsen. Funktioniert die Aerodynamik etwa nur richtig, wenn das Auto immer in der idealen Position gehalten wird? Red Bull sagt nein. Das klingt aber nicht besonders überzeugend, weil Teamchef Christian Horner im gleichen Atemzug die Unsinnigkeit der Fahrwerks-Regeln anklagt.
Frage 5: Hat Mercedes immer noch den stärksten Motor?
Im Moment ist die Frage mit Ja zu beantworten. Aber Ferrari ist Mercedes dicht auf den Fersen. Beim Topspeed etwas langsamer, auf dem Zielstrich etwas besser. Entscheidend ist die Differenz. Da ist Ferrari vor einem Jahr dramatisch eingebrochen. Was für De-Rating sprach. Dieses Problem scheint gelöst. Renault und Honda haben für ihre Risiken bezahlt. Beide haben komplett neue Motoren gebaut. Und beide hatten in der ersten Woche massive Probleme mit ihren Antriebseinheiten.
Frage 6: Ist die Aerodynamik wichtiger als der Motor?
Ganz klar nein. Ohne einen guten Motor geht gar nichts. Guter Abtrieb und Grip bringt nur etwas, wenn auch die Leistung da ist, das umzusetzen. Die Piloten geben pro Runde 10 Prozent mehr Vollgas. Auch das verlangt einen guten Motor. Und viel Power von der MGU-H, weil der MGU-K weniger Zeit bleibt, Leistung im Schleppbetrieb des Motors zu rekuperieren. Mercedes scheint nach wie vor das Triebwerk zu haben, das am besten am Gas hängt. Das ist vor allem in den langsamen und mittelschnellen Passagen ein Vorteil.
Frage 7: Sind die Reifen besser geworden?
Ganz klar ja. Bis jetzt hat Pirelli einen guten Job gemacht. Quersteher oder schnelle Runden werden nicht mehr damit bestraft, dass man zwei langsame Runden einlegen muss, damit sich der Reifen erholen kann. Die Reifenabnutzung ist deutlich besser geworden. Bei Soft-Reifen 1,5 Sekunden innerhalb von 20 Runden. Früher war die weiche Mischung in Barcelona ein Minutenbrenner und hätte über 20 Runden 5 Sekunden abgebaut. Manchen sind die Reifenmischungen schon wieder zu hart. Vor allem der Medium-Gummi. „Ich will eigentlich gar nicht wissen, wie sich die harte Mischung anfühlt. Die müssen wir ja auch irgendwann mal fahren“, nörgelt ein Ingenieur. Die Teams hoffen, dass Pirelli mit mehr Sicherheit die Reifendrücke weiter absenkt und bei den Rennen auf weichere Mischungen zurückgreift. Pirelli-Technikchef Mario Isola gibt sich abwartend: „ Im Moment fahren wir bei kühlen Bedingungen mit Autos, die erst am Anfang ihres Entwicklungsstadiums sind. Wir können darüber diskutieren, wenn die Autos noch einmal zwei Sekunden schneller geworden sind.“
Frage 8: Werden die Rennen langweiliger?
Sie werden auf jeden Fall übersichtlicher. Die Ingenieure prophezeien für Barcelona ein Einstopp-Rennen. „Der Medium-Reifen hält 100 Runden“, sagt Force India-Technikchef Andy Green. Wenn auf einer der härtesten Strecken nur ein Mal gestoppt wird, was heißt das für die anderen Rennen? Pirelli beruhigt: „Warten wir ab, was passiert, wenn die Asphalttemperatur 40 statt 26 Grad beträgt.“ Ein Mercedes-Ingenieur meint: „Das erste Hitzerennen wird Bahrain. Dann werden wir wissen, wo die Reise hingeht.“ Die Spannung wird nicht unter der Reduzierung der Boxenstopps leiden. Das war ohnehin nur künstlich erzeugte Spannung. Die Fans wollen Überholmanöver auf der Strecke und nicht an der Box sehen. Das Überholen könnte trotz größerem DRS-Effekt deutlich schwieriger werden. Zumindest in der Theorie. Größere Turbulenzen, kürzere Bremswege, weniger Platz auf der Strecke. Felipe Massa fürchtet, dass es viele „ Verzweiflungsaktionen“ und damit Kollisionen gibt.
Frage 9: Gibt es bei den neuen Autos einen Super-Trick?
Bis jetzt haben wir noch keinen gesehen. Nur viele kleine Tricks. Wie das Loch in der Nase beim Red Bull, die künstliche Verlängerung der Seitenkästen des Ferrari, die Vorderachse von Mercedes und Toro Rosso. Das größte Rätsel ist der Kanal im Ferrari-Unterboden. Ganz offenbar laufen dort Leitungen mit einem heißen Gas oder einer heißen Flüssigkeit durch. Darauf deuten die Temperatur-Sensoren hin.
Frage 10: Haben kleine Teams bei dem Wettrüsten überhaupt noch eine Chance?
Die ersten Testwoche hat schon angedeutet, dass zwischen Mercedes, Ferrari, Red Bull und dem Rest eine große Lücke klafft. Wer die drei Topteams schlagen will, muss den goldenen Schuss setzen oder mit seinen Upgrades immer punktgenau die Windkanalvorgaben erzielen und auf Fehler der großen Drei hoffen. Force India-Sportdirektor Otmar Szafnauer erklärt, warum mehr Geld in der Kasse trotz der Restriktionen bei Windkanal und CFD-Entwicklung immer noch den entscheidenden Vorteil bringt: „Wer Geld hat, braucht weniger Zeit, um zu den gleichen Ergebnissen zu kommen. Weil er bei gleicher Zeit mehr Versuchsreihen durchziehen kann. Wenn du das gleiche in weniger Zeit lernen kannst, sind deine CFD-Limits höher. So kriegst du mehr aus deiner Aero-Entwicklung raus.“