Porsche Carrera GTS: Brems an einem anderen Tag
Mit der neuen GTS-Reihe, die aus Coupé und Cabrio mit oder ohne Allradantrieb besteht, hat die Zuffenhausener Sportwagenschmiede wieder einmal ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. 430 Pferdestärken in Verbindung mit einem fantastischen Fahrwerk ergeben eine beeindruckende Symbiose.
Die armen Amis. Dürfen auf ihren Super-Highways nur 65 Meilen fahren. Das ist keineswegs neu, gibt aber zu Beileidsbekundungen durchaus Anlass, wenn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eben diese sehr begrenzt bleiben. Und einem dies ganz bitter bewusst wird, wenn man in einer Fahrmaschine wie dem neuen Porsche GTS sitzt.
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430 Pferdestärken unter der Haube
Die Autotester dieser motorisierten Welt freuen sich immer besonders, wenn sie auf die Rennstrecke dürfen. Vor allem, wenn sie am Steuer eines Sportwagens sitzen. Das suggeriert Sicherheit, während auf öffentlichen Straßen Gefahren aller Art lauern, zum Beispiel in den USA: Tempolimits, Gegenverkehr und mitunter Cops, die vor allem auf den Freeways, die gar nicht so free sind, zahlreich patrouillieren. Jetzt fiel die Vorstellung des neuen Porsche-Stolzes für die Schreiber-Truppe dieser Zeilen auf ein Wochenende, was ziemlich blöd war, weil die Amis an den Tagen des Herrn gerne selbst die Sau rauslassen: Racetrack closed. Und lange Gesichter bei denen, die sich für einen Dreitages-Trip über den größten aller Teiche nach Pasadena, California locken ließen. Wie bitte soll man ein Auto mit 430 PS bewerten, das nur zwei Gänge braucht, um den maximalen Speed auf Amerikas Straßen zu erreichen?
Knappe Antwort: Es geht. Man muss sich nur ein wenig überwinden und vor allem die Phobie gegen High- oder Freeway-Cops vergessen. Was ziemlich leicht fällt, wenn man in den Sport-Schalensitzen des GTS wie eingegossen sitzt, den Schlüssel dreht und die Option Sport plus gewählt hat: "Wrooom! Gib's mir!", brüllt der 3,6-Liter-Boxer aus dem Heck. Aber natürlich hältst du dich auf der American Autobahn in Richtung 101 North noch zurück, bis du Pasadena erreicht und ins Hinterland abgebogen bist. Dort hatten die schwäbischen Pfadfinder einen super Job gemacht und Straßen gefunden, die wie gemalt waren für das deutsche Kraftpaket aus Zuffenhausen. Kurze Geraden, Kurven mit allen erdenklichen Radien, null Verkehr auf leeren Straßen - die Berge im Hinterland von Los Angeles waren die ideale Umgebung, um aus dem GTS seine wahre Klasse herauszukitzeln.
Der Sound aus den Endrohren klingt besser als Chopin
Autos mit Handschaltung waren gestern. Für Nostalgiker und Rennsportler gibt es die zwar natürlich auch im Carrera GTS. Wer aber mindestens so sportlich unterwegs sein und sich gleichzeitig die Option offen halten will, im Alltag damit dahinzurollen, wählt das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Das Schalten mit den Wippen zaubert dir ein Dauergrinsen auf die Lippen, und wenn die Taste für den Soundverstärker der Auspuffanlage gedrückt ist, macht die Symphonie aus dem Heck jede Stereoanlage überflüssig - selbst wenn sie, wie im GTS zu haben, von Burmester stammt. Die meldet sich eindrucksvoll, wenn man völlig entspannt unterwegs ist. Ist ja eigentlich auch logisch: Wer bitteschön mag im Racemodus Chopin genießen? Um der Wahrheit freilich die Ehre zu geben: Die Stuttgarter Klangzauberer lassen den beiden doppelten Endrohren Töne entweichen, die lauter scheinen, als die Polizei erlaubt. Der neue GTS ist jedenfalls lauter als sein Vorgänger, was schon ein Statement ist. In Zeiten summender Elektro- und Hybridcars soll das wohl heißen: Was schnell ist, darf ruhig laut sein.
Porsche-Freaks wissen: Was in Zuffenhausen vom Band rollt, kann süchtig machen. Bei solchen Nebenwirkungen hilft auch kein Arzt oder Apotheker. Der GTS macht da - gleichgültig ob als Coupé oder Cabrio, All- oder Zweiradler - keine Ausnahme. Schon der Anpressdruck ins Rückenteil des Sportsitzes beim Spurt von Null auf Hundert in 4,0 Sekunden ist beeindruckend. Was dieses Sportgerät aber in den Kurven kann, macht schlicht euphorisch. Auf den 20 Zoll-Rädern mit Zentralverschluss, vorne mit 245er- und hinten mit 305er-Schlappen bereift, haben die Fahrwerks-Ingenieure aus Weissach die Grenzen der Physik noch weiter verschoben, als man es als Carrera-Freund ohnehin schon gewohnt ist. Dabei weicht der GTS keinen Millimeter von der ihm vorgegebenen Linie selbst dann nicht, wenn dem Co-Piloten längst übel ist. Und sollte dessen (vorläufig) letzter Wunsch die flehende Bitte nach einem Notstopp sein - bitteschön. Der Bitte wird mit den im Rennsport erprobten Bremsen schneller entsprochen, als er seinen Satz zu Ende sprechen kann.
Erst bei 306 km/h ist Schluss mit dem Vortrieb
Da wir gerade beim Wesentlichen sind, bliebe vor allem noch die Frage, wie es um die Höchstgeschwindigkeit bestellt ist. Die liegt nach Herstellerangaben bei 306 km/h, eine Zahl, die wir ungefahren glauben. Denn die auf dem Highway auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, verbot nicht nur der gebotene Respekt vor den für ihre Gnadenlosigkeit bekannten Cops. Außerdem ist auf dem Highway bekanntlich die Hölle los. Womöglich ergibt sich mal des Nächtens die Gelegenheit auf einer deutschen Autobahn.
Die armen Amis dürften in diesen Genuss nicht kommen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, im Knast zu landen. Sie werden ihn dennoch lieben, diesen Rennwagen für die Straße. Wahlweise, um in Gegenden wie Beverly Hills mit ihm optische Highlights zu setzen. Oder mit ihm am Wochenende schnelle Runden auf der Rennstrecke zu drehen. Falls die nicht gerade geschlossen ist.
Technische Daten (Coupé mit Automatikgetriebe): Zwei-plus-zweisitziger Sportwagen. Länge: 4,50 Meter, Breite: 1,85 Meter, Höhe: 1,3 Meter, Radstand: 2,45 Meter, Kofferraumvolumen: vorne 125, hinten 260 Liter, Motor: Wassergekühlter Sechszylinder-Boxermotor mit 430 PS, Hubraum: 3.800 ccm, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, max. Drehmoment: 440 Newtonmeter bei 5.750 U/min, Leergewicht: 1.425 Kilogramm, Vmax: 306 km/h, 0-100 km/h: 4,0 Sekunden, Durchschnittsverbrauch: 9,5 Liter Super plus/100 km, Tankinhalt: 64 Liter, CO2-Ausstoß: 202 g/km, Preis: ab 121.059,50 Euro