Highspeed-Test in Nardo
9ff Porsche 911 GT3, MKB Mercedes SLR McLaren, G-Power BMW M3,
MTM Audi A1, Mathilda VW Scirocco R, Speedart Porsche Cayenne Turbo
– Wir sind auf der wilden Jagd nach dem höchsten Ausschlag der
Tachonadel. Dafür wurden aufgeplusterte Zwerge, austrainierte
Extremsportler, rastlose Renner und beeindruckende Wuchtbrummen
zusammengetrommelt. Der Ort: das Prototipo-Testareal in Nardo.
Die Gemeinsamkeiten zwischen einem Porsche Cayenne Turbo und einem Stammesangehörigen der Hotooh lassen sich rasch aufzählen, denn es gibt keine – eigentlich. Doch ganz offensichtlich fürchten sich nicht nur die Bewohner des Afrikanischen Kontinents, sondern auch schwäbische SUV, dass Fotografen ihnen die Seele stehlen.
Nachdem das von Speedart präparierte Offroad-Trumm für eine letzte Einstellung in Position rollte, verweigert es den Dienst. Jetzt sind die gewünschten Detail-Aufnahmen zwar im Kasten, aber Tuner Björn Striening sieht eine verkorkste Nardo-Premiere vor sich – und sein Mechaniker-Team einen schweißtreibenden, arbeitsreichen Nachmittag.
Von wegen problemloses Tuning ...
Dabei schien der Cayenne hervorragend präpariert: 560 statt 500 PS, eine Auspuffanlage mit reduziertem Staudruck aus leichtem Titan sowie vier zierliche Sportschalensitze, mit denen das Gesamtgewicht um rund 100 Kilogramm gegenüber der Basis gesenkt wurde. „Damit fahren wir keine 300 km/h, können aber zeigen, wie problemlos unser Tuning funktioniert“, sagt Striening – und schraubt jetzt erst einmal.
Die 911er-Fraktion vertritt erneut 9ff. Firmenchef Jan Fattauer setzte sich und seine Mitarbeiter in einen VW Bus, lud sein Einsatzfahrzeug auf den Hänger und unternahm einen Betriebsausflug nach Süditalien. Dort sollte sein aufgeladener Porsche GT3 die 400-km/h-Schallmauer durchbrechen. Hatten wir das nicht schon einmal? Stimmt. Das orangefarbene, gewichtsreduzierte, fahrwerksgehärtete Monster aus dem vergangenen Jahr muss noch einmal ran.
Leistung des Porsche 911 von 1.200 auf 900 PS reduziert
Allerdings wurde der Motor auf den Kraftstoff E85 umgerüstet – zwecks niedrigerer Verbrennungstemperatur – und die Leistung von 1.200 auf 900 PS reduziert – zwecks besserer Fahrbarkeit. Wie nett. An der Brachialität des inzwischen wild geflügelten Sportwagens ändert das kaum etwas. In Zahlen: 19,3 Sekunden für die Beschleunigung von null auf 300 km/h. In Worten: Auf der Hochgeschwindigkeits-Kreisbahn fühlt es sich an, als säße man in einer dieser kleinen Metallkugeln, die von einer großen Croupier-Hand in den Roulette-Zylinder geschnippt werden.
Es hört sich allerdings so an, als ob um einen herum eine Horde Metallarbeiter flext, hämmert und dengelt. Elastisch bewegt sich im 9ff-Porsche nichts mehr, hier greift alles gerade verzahnt und versteift ineinander – auch bei 388,1 km/h. Zu wenig. Die Speedart-Truppe schraubt immer noch. Das 9ff-Team jetzt ebenfalls, ein anderer Heckflügel muss her.
MTM wüsste dagegen gar nicht so recht, wohin mit einem Flügel, denn allzu viel Platz bietet die Karosserie des mitgebrachten Audi A1 dafür nicht. Für das aufgeladene Fünfzylinder-Triebwerk des TT RS eigentlich auch nicht und für dessen Vorderachse erst recht nicht. Doch Tuner Roland Mayer lässt sich von derart banalen Platzproblemen bekanntlich nicht abschrecken. Der Antrieb ist drin und sicherheitshalber von 350 auf 500 PS aufgeputscht, die nun von einem Drexler-Sperrdifferenzial mehr oder weniger kontrolliert über die 19 Zoll großen Vorderräder herfallen. Deren aus Carbon gefertigte Kotflügel backten bis kurz vor knapp noch im Autoklaven und wurden daher noch eilig am Vorabend des Highspeed-Tests angeschraubt.
Kugelblitz Audi A1 von MTM erreicht 324 km/h
Damit das Kleinkaliber nach seiner Beschleunigungs-Orgie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nicht verglüht, bemüht sich eine Achtkolben-Bremsanlage um kontrollierte Verzögerung. Zuvor muss ein Gewindefahrwerk für Bodenhaftung sorgen, was auf dem welligen Asphalt nur bedingt klappt – erst recht bei 324 km/h. Ja, richtig gelesen, also Mund zu. Die Tachonadel klopft bereits seit der 240-km/h-Marke an den Begrenzer, das GPS-Gerät zählt jedoch weiter, angestrengt fauchend schiebt das 2,5-Liter-Aggregat den Kugelblitz weiter voran, bis sich die Ziffern 3-2-4 ins Display brennen.
Über 300 sollte, nein musste der von Mathilda Racing aufgebaute VW Scirocco R gehen. Dafür reiste eigens die Familie von Fahrer und Teamchef Michael Paatz an, inklusive der namensgebenden zweijährigen Tochter. Um das Ziel zu erreichen, blieb von der Großserien-Basis des ehemals 265 PS starken Coupés nicht mehr viel übrig. Jede Strebe des Überrollkäfigs, jede Strippe der Vierpunktgurte und jede Ziffer des großen Zentraldisplays für die Motordaten schreit geradezu nach der nächsten Rennstrecke.
VW Scirocco packt die 300er-Grenze nicht
Turbo-Spezialist HGP presste 450 PS aus dem Zweiliter-Turbomotor, die zusammen mit dem maximalen Drehmoment von 550 Newtonmetern von einem Doppelkupplungsgetriebe verwaltet werden. Bei 293,7 km/h endete der Beschleunigungswillen des Scirocco allerdings. Die Antriebswelle schubberte ein münzgroßes Loch in den Ladeluftschlauch, was die Höchstdrehzahl von 7.400 auf 7.000/min herabsetzte – erstaunlich, dass der VW mit diesem Defekt überhaupt so schnell wurde und nicht einfach mit einem lauten Knall in der Nacht verpuffte.
Ob das jedoch gereicht hätte, den von MKB beigesteuerten Mercedes SLR McLaren zu übertönen? Kaum. Den mächtigen Sidepipes des weiß-matt folierten Supersportlers entfährt beim Druck auf den Startknopf ein markerschütterndes Brabbeln, als seien die Endrohre direkt am Abgaskrümmer angeflanscht – ein Klang, mit dem V8-Freunde morgens aus dem Schlaf geholt werden möchten. Besonders ruhige Nächte dürften die MKB-Spezialisten um Panagiotis Avramidis in den vergangenen Jahren ohnehin nicht gehabt haben. Um auf dem Rundkurs zu den Schnellsten zu gehören, bekam der Kompressor die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses im Apartment unter der endlos langen Motorhaube. Stattdessen zogen zwei Turbolader ein, die ihre Einstandsparty mit einem Druck von 1,5 bar geben.
Mercedes SLR McLaren mit 1.028 PS
Das Resultat: 1.028 PS, die in Verbindung mit einer von 3,06 auf 2,47 verlängerten Hinterachs-Übersetzung für 360 km/h gut sein sollten. So weit, so Konjunktiv. Bei 349,99 km/h endete die Böllerei, und zwar in jedem Anlauf, bis das 5,4-Liter-Triebwerk nur mehr im Notprogramm lief. Vermutlich hängt irgendwo in der Elektronik der Haussegen schief.
Christian Stöber, Geschäftsführer bei G-Power, kennt das Problem vom letzten Jahr. Diesmal sollte alles besser werden, wenngleich er den großen Bi-Kompressor-Hammer in der heimischen Schmiede ließ und mit einem M3 auf eigener Achse nach Apulien rollte. Dessen Vierliter-V8 muss sich nun von einem Radialverdichter erklären lassen, was Leistung bedeutet: 570 statt 420 PS, 565 statt 400 Nm. Vorbei also mit saugmotorischer Drehzahlschreierei? Von wegen. Die Ziffer Acht übt auf das M-Triebwerk noch immer eine große Anziehungskraft aus. Nur die Tonart änderte sich, weniger metallisch, dafür bassiger, begünstigt durch den Sportauspuff.
BMW M3 konstant bei 333,3 km/h
Lässig durcheilt das Coupé mit 333,3 km/h die Dunkelheit, Runde für Runde. Die Temperatur des Achtzylinders bleibt auf erträglichem Niveau, der Puls von Fahrer Stöber ist okay – obwohl er zum ersten Mal Nardo unter die Räder nimmt. Dass sein M3 4,4 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h benötigt, wurmt ihn dann doch. Später macht er einen defekten Kickdown-Schalter als Ursache aus.
Bei 9ff fliegen dagegen noch die Schraubendreher. Fattauer fährt mal ohne („geht gar nicht“), mal mit kleinem Flügel („bringt nichts“ ). Am Ende blinkt auf seinem Display dennoch die Ziffer des Tages, nein des Wochenendes. Ach was, die aller Nardo-Events: 391,2 km/h. Und das Speedart-Team? Fährt! Nun hämmert der SUV über die Strecke beschleunigt auf 284 km/h. Der krumme Pin einer Steckverbindung raubte dem Cayenne die Seele, der Fotograf wird umgehend entlastet.