24h-Rennen Le Mans 2016
Der Kampf um den Gesamtsieg 2016 in Le Mans produzierte jede Menge Dramen bis in die allerletzten Schlusssekunden des Rennens. Wir erklären, warum Toyota strauchelte, wieso Porsche siegte und wieso Audi chancenlos war.
Was lief bei Toyota schief?
Der französische Toyota-Teamchef Hughes de Chaunac weinte bitterlich, während die japanischen Kollegen den Untergang mit starrer Miene ertrugen: auf den Bildschirmen war gerade der TS050 Hybrid von Anthony Davidson, Sebastien Buemi und Kazuki Nakajima ausgerollt, vor den Haupttribünen in Le Mans, mitten auf der Start- und Zielgerade – nur 3.20 Minuten vor Rennende. Es war eine der bittersten und spektakulärsten Niederlagen, die Le Mans je gesehen hat. Wie konnte es dazu kommen?
Eingang der vorletzten Rennrunde bekam Pilot Nakajima noch eine überaus erfreuliche Mitteilung: Der direkte Gegner im Kampf um den Sieg, der Porsche mit der Startnummer 2 und den Piloten Marc Lieb, Neel Jani und Romain Dumas hatte acht Minuten vor Rennende noch einen zusätzlichen Boxenstopp einlegen müssen – ein Reifenschaden am Ende des letzten Quadruple-Stints. Damit war das Rennen endgültig gelaufen, der Vorsprung von Toyota wuchs von 30 Sekunden auf 1.30 Minuten.
Just in dem Moment, als man Nakajima die frohe Nachricht per Funk übermittelte und ihn dazu aufforderte, Pace rauszunehmen, tauchte das Motorproblem auf: Nakajima meldete abrupten, unerklärlichen Leistungsverlust in der vorletzten Rennrunde. Gleich im ersten Sektor verlor er eine halbe Minute, im zweiten noch mehr und spätestens jetzt sahen alle: Toyota hat ein Problem. Wie Insider hinterher enthüllten, war ein Turboladerschaden dafür verantwortlich. Nakajima parkte sein Rennauto auf der Start und Zielgerade – eine Runde zu früh. Porsche passierte den stationären Toyota, holte sich eingangs der letzten Runde die Führung und den Sieg.
Der Toyota von Nakajima, Buemi und Davidson wurde noch nicht mal gewertet, weil die Teamführung kopflos reagierte: anstatt das Auto vor Start-Ziel zu parken und eine Runde zu warten, bis der Sieg.r abgewunken wurde, um dann selber mittels Hybridpower die Linie zu kreuzen, sollte Nakajima eine volle Runde mit elektrischer Energie zurücklegen. Der Japaner schaffte das zwar, aber das Reglement schreibt vor, dass die letzte Rennrunde in einer Zeit von unter sechs Minuten absolviert werden muss. Damit flog der Toyota-Unglücksrabe auch noch aus der Wertung.
Hat Porsche den Sieg verdient?
Formulieren wir es so: Toyota hat das Rennen verloren, und Porsche hat davon profitiert. Natürlich ist es bitter, ein Rennen drei Minuten vor Schluss zu verlieren, noch dazu, wenn man mit anderthalb Minuten führt. Doch die Aufgabe besteht eben darin, ein 24h-Rennen zu bestreiten – und kein Rennen über 23.57 Stunden. Und diese Aufgabe hat Porsche letztlich am besten gemeistert.
Porsche war ein würdiger Gegner für Toyota, operierte auf Augenhöhe mit den Japanern. Dass Porsche in Le Mans sehr konkurrenzfähig sein würde, war vorher klar, dass Toyota eine ähnlich gute Leistung zeigen würde, war nicht so klar. Bei der Analyse des Duells um den Sieg zwischen dem Toyota mit der Startnummer #5 und dem Porsche mit der Nummer #2 muss man schon mit der Lupe suchen, um die Unterschiede und Zeitverluste herauszufinden: Porsche zum Beispiel hatte am Sonntagmorgen einen schleichenden Plattfuß, was zu einem zusätzlichen Stopp führte – doch das gleiche Problem hatte Toyota elf Stunden zuvor. Am Ende versuchte Porsche, mit zwei Quadruple-Stints Toyota niederzuringen, doch beim ersten Versuch verlor man im vierten Stint zu viel Zeit, beim zweiten Versuch erlitt man wieder im vierten Stint einen Reifenschaden. Damit stieg der Rückstand, der über Stunden bei unter 30 Sekunden lag, auf 1.30 Minute an. Dann fiel der Gegner auf den letzten Drücker aus – und Porsche siegte. Wie sagen die Engländer so schön: To finish first, you first have to finish!
Wie ist das Audi-Debakel zu erklären?
Audi spielte beim 24h-Rennen 2016 keine Rolle, abgesehen vielleicht von den ersten Rennstunden. Wie ist das zu erklären, zumal Audi beim Vortest noch geglänzt hatte? Die Audi R18 waren beim Setup nur selten im richtigen Arbeitsfenster, ergo strauchelte man mit Untersteuern, Pickup-Problemen und Reifenvibrationen. Erst in der zweiten Rennhälfte, mit mehr Gummi auf dem Asphalt, lief es besser, danach funktionierten sogar die härteren Reifenmischungen, mit denen man zuvor extrem haderte.
Die Audi R18 hatten also phasenweise eine konkurrenzfähige Pace, wie besonders die Rundenzeiten im letzten Renndrittel belegten, aber man konnte diese Pace nicht durchgängig fahren. Das hätte letztlich auch keine Rolle gespielt, denn neben mangelndem Speed über weite Strecken kam auch noch eine mangelhafte Dauerhaltbarkeit hinzu: Mehrfach mussten an beiden Autos die Bremsen repariert werden, dazu gab es einen Turboladerschaden, die beleuchteten Nummerntafeln mussten ebenso getauscht werden – so türmte Audi mit beiden Autos eine enorme Menge an Zeitverlust auf.
Das Potenzial der Audi-R18 wird nicht bestritten, aber es ist offensichtlich, dass das Heben des Potenzials große Mühe bereitet. Dazu kommen andere Randthemen: erstens kamen die R18 auf Grund des Zeitverzugs in der Testphase nicht perfekt sortiert nach Le Mans, das Auto ist noch jung, das Fahrwerk ist extrem kompliziert und aufwendig – da kann man sich schon mal verheddern. Zweitens waren die Trainingssitzungen in Le Mans fast samt und sonders verregnet – was es unendlich schwierig macht, das richtige Setup fürs Rennen zu finden. Audi fand es jedenfalls nicht, oder anders formuliert: Le Mans 2016 war für Audi ein Griff ins Klo.