Mit Abstimmungstrick zu Punkten
Force India teilt die Saison in zwei Hälften. Die vor dem Debüt der B-Version, und die danach. Nico Hülkenberg, Sergio Perez und die Teamleitung hoffen, dass der zweite Teil des Jahres richtig Punkte abwirft. In Bahrain kamen unerwartet vier Zähler dazu.
Force India überraschte sich wieder einmal selbst. Eigentlich ist das Auto kein Kandidat für WM-Punkte. Ein Platz in den Top Ten ist nur möglich, wenn andere Probleme bekommen. Doch in Bahrain klappte es bei Sergio Perez aus eigener Kraft. Der Mexikaner wurde Achter, weil er mit zwei Boxenstopps dem Mainstream folgte. Die Crew von Hülkenberg versuchte es mit drei. Der Deutsche verhungerte im Verkehr. Das Hinterherfahren ruinierte die Reifen und zerstörte den Plan, immer auf Attacke zu fahren.
Das Team weiß, dass es bis mindestens zum GP Österreich mit einem Auto leben muss, das unter normalen Umständen mit Lotus, Sauber oder Toro Rosso nicht mithalten kann. Und von hinten naht bereits McLaren-Honda. Doch in Bahrain kam alles ganz anders. Force India war im Geschäft. Mit dem achten Startplatz von Hülkenberg und den vier WM-Punkten für Perez.
Weiche Fahrwerksabstimmung brachte Rundenzeit
Die Probleme des Force India VJM08 sind schnell erklärt. Es fehlt Abtrieb im Heck, das Auto frisst Reifen und das Abstimmungsfenster in dem es halbwegs funktioniert ist mikroskopisch klein. Nico Hülkenberg spricht von Schadensbegrenzung, bis die B-Version des Autos einsatzbereit ist. Und trotzdem funktionierte es plötzlich.
Hülkenberg erklärte sich das Wunder von Bahrain mit der Streckencharakteristik und einem Abstimmungstrick, der aus seinem störrischen Fahrzeug ein halbwegs brauchbares Rennauto machte. "Die Kurven sind kurz, die Geraden lang. Da fällt unser Abtriebsmanko weniger auf, und wir können die Mercedes-Power besser nutzen."
Für die Abstimmung war Chefingenieur Tom McCullough zuständig. Er schlug vor, das Fahrwerk etwas weicher abzustimmen. Das verbesserte die Bremsstabilität und die Traktion. "Eine Momentaufnahme", meinte Hülkenberg. In den schnellen Kurven von Barcelona wird dieser Trick so nicht funktionieren.
Jerez-Auto beim GP Spanien am Start
Der neue Force India war ein Last Minute-Unternehmen. Am 11. Februar traf das erste Chassis des neuen VJM08 in der Fabrik in Silverstone ein. Mit 36 Tagen Verspätung. Aus geplanten 5.000 Testkilometern wurden nur 1.699. Weil das Team den Windkanal wechselte, knapp bei Kasse war, und weil der Chassishersteller einen Maschinenausfall meldete.
Das Auto, das beim GP Spanien am Start stehen soll, war eigentlich für den Testbeginn in Jerez geplant. Und die heiß herbeigesehnte B-Version, die beim GP Österreich debütieren soll, hätte in Melbourne am Start stehen sollen. Schon bei den Testfahrten stellte man fest, dass das alte Auto schneller war als das neue.
Die 2015er Ausgabe hat weniger Abtrieb im Heck, und die Abstimmungswerte vom Vorjahr konnten aufgrund der neuen Hinterachse nicht übertragen werden. Weil Force India die Hinterradaufhängung wegen des identischen Getriebes von Mercedes geerbt hat. Das brachte beim Beschleunigen und Bremsen Unruhe ins Heck. "Wir mussten unseren Abtrieb stabiler auslegen und absichtlich ein leichtes Untersteuern einbauen", fluchte Technikchef Andy Green.
Das Abstimmungsfenster ist so klein, dass die richtigen Einstellungen Glückssache sind. Im Scheitelpunkt beginnt die Vorderachse zu schieben. Am Kurvenausgang kommt das Heck. Das geht auf die Reifen. Aus dem Reifen.treichler wurde ein Reifen.resser. Das Heil liegt nicht mehr wie früher in einem Boxenstopp weniger, sondern in einem mehr. "Damit die Fahrer wenigstens attackieren können", sagt Teammanager Andy Stevenson.
"Bob-Spec" in Österreich?
Der Force India VJM08 ist eigentlich nur ein halb neues Auto. Beim GP Spanien folgt das Debüt der hydromechanischen Aufhängung an der Hinterachse, mit der sich Fahrwerksänderungen in fünf statt in 45 Minuten vornehmen lassen. Alle anderen Schnellschüsse am bestehenden Auto wurden abgesagt. Mangels Cashflow. Das Geld der mexikanischen Sponsoren trifft erst Ende April ein.
Dann soll die B-Version in Produktion gehen, die nach drei Wochen im Toyota-Windkanal nun abgesegnet ist. Allein die Fertigungskosten betragen 2,5 Millionen Euro. Viel Geld für ein Team, das von der Hand in den Mund lebt, aus seinen Mitteln aber das Optimum gemacht hat.
Den Namen B-Version hören sie bei Force India nicht gerne. Weil es sich so großspurig anhört. Teamchef Bob Fernley hat die Bezeichnung geprägt. Worauf der heiß ersehnte zweite Aufguss des Force India intern scherzhaft auch "Bob-Spec" genannt wird.
Er soll offiziell beim GP Österreich erscheinen. Es kann aber auch ein Rennen später werden. Verantwortlich ist ein Mann mit dem vielsagenden Vornamen Guru. Er war früher die Nummer zwei im Aerodynamikbüro von Red Bull. Die Windkanaldaten versprechen viel. "Eine völlig andere Welt", staunte Hülkenberg.
Und Andy Green bestätigte: "Es hat uns die Augen geöffnet und gezeigt, wie weit vom Optimum wir noch entfernt sind." Sportdirektor Otmar Szafnauer bilanziert: "Früher waren wir immer zu Saisonbeginn stark und haben nach hinten raus etwas nachgelassen. Diesmal machen wir es umgekehrt."