Drei Youngster unter Druck
Mit Mick Schumacher, Yuki Tsunoda und Nikita Mazepin starten diese Saison drei Rookies in ihre Formel-1-Karriere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wir haben Nachwuchs-Experte Franz Tost um sein Urteil zu den Junioren gebeten.
Am 28. März ist es soweit. Beim Saisonstart in Bahrain kehrt der Name Schumacher offiziell zurück in die Königsklasse. 3.045 Tage nach dem Abschied von Vater Michael beim Brasilien-Grand-Prix 2012 beginnt Sohn Mick sein eigenes Abenteuer im Motorsport-Oberhaus.
Der Nachname ist gleich, doch die Wege in die Formel 1 hätten unterschiedlicher kaum sein können. Während Michael vor seinem F1-Debüt in den Protoypen- und Tourenwagensport abgedriftet war, zeichnete sich die Karriere von Mick deutlich zielstrebiger ab. Zwei Jahre deutsche Formel 4, zwei Jahre europäische Formel 3 und zwei Jahre Formel 2 – die letzten beiden jeweils mit dem Titel abgeschlossen – also genau so, wie die FIA den Aufstieg auf der Formel-Leiter vorgesehen hat.
Einer, der die Ausbildung des prominenten Nachwuchsfahrers von Beginn an mitverfolgt hat, ist Franz Tost. Der heutige Teamchef von Alpha Tauri stand als Teil des Willi-Weber-Management-Teams schon früh in Kontakt zur Schumacher-Familie und war auch in den ersten Kart-Tagen von Mick dabei. Besonders beeindruckt zeigt sich der Österreicher von der methodischen Arbeitsweise des Youngsters.
"Mick ist nicht der Typ Fahrer, der sich in ein Auto setzt und sofort alles riskiert. Er macht es Schritt für Schritt und schaut, dass er alles unter Kontrolle hat, um dann richtig zuzuschlagen", erklärt Tost, der bei Alpha Tauri bzw. Toro Rosso schon einige schnelle Junioren unter seinen Fittichen hatte. Der 65-Jährige kennt die Probleme, die ein Wechsel in die Königsklasse mit sich bringt.
"Bei jungen Fahrern kommt es oft vor, dass sie sich ins Formel-1-Auto setzen und gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Mick ist ein Fahrer, der sich alles erst einmal anschaut und dann weiterlernt. Es gibt andere, die sind wahnsinnig schnell, wissen aber nicht warum. Wichtig ist, dass man einen Schritt nach dem anderen macht und das Erlernte imemr wieder abruft. Das macht Mick wirklich gut. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass er in der Formel 1 einschlagen wird."
Tsunoda für Überraschungen gut
Natürlich werden dieses Jahr die meisten Augen auf Schumacher gerichtet sein. Bei Alpha Tauri geht mit Yuki Tsunoda aber noch ein weiterer hochtalentierter Rookie an den Start. Bisher hielten sich die Erfolge japanischer Piloten in der Formel 1 zwar in Grenzen, doch nach Ansicht von Tost bringt sein 20-jähriger Schützling alle Qualitäten mit, um mal ein ganz Großer zu werden.
"Mir ist er schon vor zwei Jahren in der Formel 3 positiv aufgefallen. Man muss dabei erwähnen, dass er aus Japan kam und hier keine Strecke kannte. Dazu ist die Lebensweise in Europa ganz anders. Das ist ein echter Kulturschock. Wie er das abgeschüttelt, sich auf den Rennsport konzentriert und gute Ergebnisse abgeliefert hat, war schon etwas Besonderes."
Wenn Tost die japanische Kultur erwähnt, dann weiß er, wovon er spricht. Schon 1995 begleitete der studierte Sportmanager einen Fahrer namens Ralf Schumacher bei ersten Gehversuchen in der Formula Nippon. Zuletzt wurde die "Japan-Liebe" durch Motoren-Partner Honda neu entfacht. Tost weiß also gut, wie man Tsunoda fit für das Motorsport-Oberhaus macht.
"Wir haben letztes Jahr in Imola ein Testprogramm mit ihm gestartet. Er hat sich überraschend schnell und gut im Auto zurechtgefunden. Er konnte sich stetig steigern, ohne Dreher, ohne Crashs. Und zu Beginn dieses Jahres haben wir dann noch einmal mit ihm in Imola und Misano getestet, wo er jeweils 1000 Kilometer abgespult hat."
Vor allem die Lernfähigkeit seines Schützlings hat Tost imponiert. "Für mich ist immer entscheidend, wie schnell ein Fahrer das umsetzt, was man ihm sagt. Das funktioniert bei Yuki ad hoc. Er weiß sofort, was zu machen ist, er ist stark auf der Bremse und hat ein gutes Gefühl – vor allem in schnellen Kurven. Wenn wir ein konkurrenzfähiges Auto haben, ist er sicher für einige Überraschungen gut."
Fragezeichen hinter Mazepin-Reife
Die Formel 1 muss sich laut Tost um ihren Nachwuchs keine Sorgen machen. "Wir bekommen jetzt einige junge Fahrer, die wirklich supergut sind. Neben Mick und Yuki gehört auch noch Robert Shwartzman dazu. Von den drei Fahrern halte ich sehr viel. Diese Generation wird die Zukunft der Formel 1 bestimmen."
Nikita Mazepin hat es nicht auf die Tost-Liste der größten Talente geschafft. Dabei wird der Russe diese Saison ebenfalls sein Debüt in der Formel 1 feiern. Den Platz bei Haas hat sich der 21-Jährige jedoch weniger durch gute Leistungen als durch die finanzielle Mitgift aus der Heimat verdient.
In den Nachwuchsklassen gelangte Mazepin vor allem durch Ausraster auf der Piste zu zweifelhafter Berühmtheit. So schrammte er im Vorjahr mit elf Strafpunkten nur knapp an einer Rennsperre vorbei. Besonders in Erinnerung blieb der Lauf in Spa-Francorchamps, wo Mazepin nach einer Last-Minute-Strafe wütend in das Platzierungsschild im Parc fermé krachte, das daraufhin Tsunoda um die Ohren flog.
Auch abseits der Strecke schrieb Mazepin ungewollt Schlagzeilen. Im Mai musste der Heißsporn mehr als 300 Euro Strafe zahlen, als er in England eine rote Ampel ignorierte. Im Dezember sorgte der Russe mit einem peinlichen Busengrapscher-Video vor allem bei weiblichen Fans für Entrüstung.
Für Tost sind das keine guten Voraussetzungen für eine lange Karriere in der Formel 1. Im landestypischen Schmäh spottet der Österreicher: "Ich könnte jetzt natürlich wieder brutal werden und sagen: Aus einer Kuh kannst du keinen Tiger machen! Es hängt am Ende immer davon ab, wie viel Hirn ein Fahrer besitzt und dann im Cockpit auch einschaltet."
Auf eine erfolgreiche Formel-1-Karriere Mazepins würde Tost aktuell nicht wetten: "Ich habe in meiner langen Zeit im Motorsport festgestellt, dass sich am Ende nur die Fahrer durchsetzen, die intelligent sind und wissen, warum sie etwas machen – und die sich auch entsprechend benehmen."
Beim Auftakt in Bahrain starten alle drei Rookies bei Null. Noch kann keiner vorhersagen, wer aus dem Trio am Ende den meisten Erfolg haben wird. Eines wissen wir aber schon jetzt: Langweilig wird es in der Formel 1 so schnell sicher nicht.