Hersteller in der Königsklasse
Das Kartenhaus der Formel 1 fällt langsam in sich zusammen. Mit Honda stieg der erste Hersteller aus. Die überraschende Reaktion der Japaner auf die Wirtschaftskrise zeigt einmal mehr, dass man sich auch auf die großen Autokonzerne nicht verlassen kann.
Es ist eine alte Weisheit, und doch will sie keiner wahrhaben. Die Automobilhersteller sind für den Motorsport Segen und Fluch zugleich. Wenn sie kommen, bringen sie Aufmerksamkeit. Wenn sie gehen, hinterlassen sie verbrannte Erde. Viele Meisterschaften sind durch die Unberechenbarkeit der Autokonzerne zugrunde gegangen. Ihr Kommen ist bereits der Grundstein für ihr Gehen.
Denn den Herstellern ist das Gewinnen so wichtig, dass sie die Kosten nach oben treiben. Zuerst können die Privatteams nicht mehr mithalten. Dann merken die Hersteller, dass nur einer von ihnen gewinnen kann. Und im letzten Akt wird nach einem Vorwand gesucht, um sich zu verabschieden. Oft hat das einen Dominoeffekt. Hondas Rückzug aus der Formel 1 ist vielleicht nur der Anfang. BMW, Mercedes, Renault und Toyota könnten morgen weg sein – egal, was sie heute sagen.
Ihre Durchhalteparolen sind eher alarmierend als beruhigend. Wenn der BMW-Vorstand ohne Not sein Engagement in der Formel 1 bestätigt, erinnert das an die Fußballclubs, die ihren Trainern nach einer Niederlagenserie den Rücken stärken.
Der Fall Honda
Honda hat sich durch die Hintertür verabschiedet. Von Knall auf Fall. Tatsächlich soll es in Tokio aber schon ein Jahr zuvor Überlegungen gegeben haben, die Formel 1 zu verlassen. Da man aber gerade Ross Brawn als neuen Messias angeheuert hatte, sollte das Team noch eine Chance haben.
Nach der sportlichen Pleite in der Saison 2008 gab schließlich die Finanzkrise den nötigen Vorwand um auszusteigen: Der Konzerngewinn war um 30 Prozent eingebrochen. In den Kernmärkten gingen die Verkaufszahlen zurück, wobei Honda noch zu den Gesunden unter den Kranken zählt. Die Position von Präsident Takeo Fukui ist geschwächt. Er soll im Sommer abgelöst werden.
Alle Ressourcen sollen nun in die Entwicklung von kleinen, umweltfreundlichen Autos mit zukunftsweisenden Technologien gesteckt werden. Da hat die verschwendungssüchtige Formel 1 keinen Platz. Honda betrieb Motorsport stets nach einer Formel: Sieg um jeden Preis.
Alles oder Nichts
Mit über 400 Millionen Euro soll der Etat noch über dem von Toyota gelegen haben. 700 Mitarbeiter waren beim Team in Brackley angestellt. Weitere 500 standen im Entwicklungszentrum in Utsonomiya bei Bedarf auf Abruf. Jenson Button und Rubens Barrichello verdienten zusammengerechnet 25 Millionen Dollar pro Jahr. Es gab zeitweise bis zu vier Windkanäle, Parallelprojekte in England und Japan und mehr Entwicklungsstufen als bei jedem anderen Team.
Die Bombe, die Honda am 5. Dezember platzen ließ, zeigt einmal mehr, dass die Hersteller für jede Rennserie ein unkalkulierbares Risiko darstellen, wenn die Überzahl der Teilnehmer aus Werksteams besteht. Hondas Rückzieher bestätigt, dass von den Autofirmen – Ferrari ausgenommen – keine langfristige Präsenz zu erwarten ist.
Kommen und Gehen der Hersteller
Honda ist kein Einzelfall. Auch andere kamen und gingen. Ford ließ 2004 nach 38 Jahren Formel 1 den Vorhang fallen. Mercedes beendete 1955 ein nicht mal zweijähriges Engagement als Antwort auf die Katastrophe von Le Mans, bei der es 82 Tote zu beklagen gab. Erst 39 Jahre später kehrte der Stern wieder auf die Formel 1-Strecken zurück.
BMW machte sich in den achtziger Jahren zum ersten Turbo-Weltmeister, stieg 1987 aus und kehrte erst 2000 wieder zurück. Jetzt wollen die Bayern erster „Hybrid-Weltmeister“ werden, und wenn dieses Ziel erreicht ist, wird man wohl wieder leise „ Servus“ sagen. Hätte die FIA auf Drängen der anderen Team. das Hybrid-Zeitalter verschoben, wäre BMW vermutlich jetzt schon ausgestiegen.
Tickende Zeitbombe./strong>
Renault war von 1977 bis 1985 und von 1989 bis 1997 Mitglied der Formel 1-Familie. Seit 2001 sind sie es wieder. Doch Renault ist eine tickende Zeitbombe. Konzernchef Carlos Ghosn gilt als eiskalter Rechner. Er hat schon andere Aktivitäten des Konzerns ohne mit der Wimper zu zucken stillgelegt.
Der Ausstieg von Honda hat gezeigt, wie verwundbar die Formel 1 geworden ist. Wenn das Team nicht doch noch verkauft wird, drohen nur 18 Starter in Melbourne. So wenig wie zuletzt in den 60er Jahren. Es gibt zwar drei ernsthafte Interessenten, doch die wollen nur unter der Bedingung einsteigen, dass der Aufwand auf ein Minimum zurückgefahren wird. Ross Brawn bedauert: „Das wäre dann nur noch eine Alibivorstellung. Man ist dabei, um dabei zu sein.“