Kubica testet Renault R.S.17 in Ungarn
Renault hat Robert Kubica für die Testfahrten nach dem GP Ungarn bestätigt. Der Pole wird in Budapest erstmals in den aktuellen Renault R.S.17 steigen. Es ist die Standortbestimmung, ob Kubica wirklich reif für das F1-Comeback ist.
Das Comeback rückt näher. Eine Rückkehr, an die nach Robert Kubicas schwerem Unfall in einem Rallye-Auto 2011 niemand mehr gedacht hatte. Doch inzwischen nimmt sie Formen an. Es begann mit zwei Testfahrten in einem alten Lotus E20. Zunächst in Valencia, einen Monat später in Paul Ricard.
Test im aktuellen Renault R.S.17
Beide Privattests lieferten ermutigende Ergebnisse. Was Renault dazu bewegt, Kubica in den aktuellen Renault R.S.17 zu setzen. Der Pole darf am Mittwoch (2.8.2017) nach dem Rennen in Ungarn das 2017er Auto probefahren. Es ist der ultimative Test, indem Renault und Kubica erörtern, wie der Mann aus Krakau mit den abtriebsstarken neuen Autos zurechtkommt.
„Dieser Test wird uns detaillierte Daten in einem aktuellen Auto unter repräsentativen Verhältnissen liefern. Danach setzen wir uns zusammen, analysieren die Daten und bestimmen, unter welchen Gegebenheiten es für Robert möglich sein könnte, in den kommenden Jahren zurückzukehren“, sagt Renault-Sportchef Cyril Abiteboul. Und er erklärt weiter: „Der erste Test war nichts weiteres als Robert eine Gelegenheit zu geben, nach sechs Jahren Pause wieder mal ein Formel 1-Auto zu fahren. Der zweite Test ging schon mehr in die Richtung, uns und ihm zu zeigen, wo seine Fähigkeiten und Einschränkungen liegen. Ich kann so viel verraten: Robert ist immer noch schnell, sehr konstant und fit genug. Und er bringt weiter den Enthusiasmus mit, der es ihm erst ermöglicht hat, dorthin zu kommen, wo er jetzt ist. Natürlich ist ein Lotus E20 mit einem V8-Motor und Demoreifen nur bedingt repräsentativ. Deshalb haben wir nach einer Möglichkeit geschaut, Robert in einem aktuellen Auto zu testen.“
Am Dienstag nach dem Ungarn-Rennen bekommt Youngster Nicholas Latifi die Chance, seine Fähigkeiten im R.S.17 zu beweisen. Renault muss an einem der beiden Testtage auf den Nachwuchspiloten zurückgreifen. Weil Kubica mit 76 GP-Einsätzen nicht mehr als „ Young Driver“ gewertet werden kann, Renault aber nur zwei der vier Testtage unter der Saison mit erfahrenen Piloten bestücken darf.
Der Testeinsatz des Polen vergrößert das Fragezeichen hinter Noch-Stammfahrer Jolyon Palmer. Sollte Kubica den Test bestehen, dürfte es nicht mehr lange hin sein mit einer Ablösung des Engländers. Vor allem die polnischen F1-Fans können das Comeback kaum noch abwarten. In dieser Saison gibt es allerdings ein Problem. Palmer hat einen wasserdichten Vertrag für die Saison 2017. Es war schon schwierig genug, ihn für den Test in Budapest auszuladen. Und es hat vermutlich Geld gekostet. Palmers Mitgift für die gesamte Saison soll sich auf sechs Millionen Euro belaufen. Das beinhaltet auch einen Testtag in der Saison.
Der Hungaroring als ultimative Prüfung./strong>
Kubica soll schon beim Test in Valencia schneller gewesen sein wie der gleichzeitig anwesende Sergey Sirotkin. Dabei hat der rechte Arm des Heimkehrers seit jenem schweren Unfall bei der Rallye Ronde de Andora nur noch 40 Prozent der ursprünglichen Kraft. Die Bewegungsfreiheit des Handgelenks ist so stark eingeschränkt, dass er in extrem engen Kurven am Lenkrad nicht umgreifen kann. Renault baut ihm deshalb beide Schaltwippen an die linke Seite des Lenkrads.
Die FIA hat mit dem Einsatz des 32-Jährigen aus Krakau kein Problem. Rennleiter Charlie Whiting erklärte auf Anfrage: „Robert hat wie jeder andere Fahrer auch seine A-Lizenz vom nationalen Verband. Die Lizenzvergabe beinhaltet auch einen Medizincheck.“ Worauf die FIA besteht, ist der Aussteigentest. Der Fahrer muss das 5 Sekunden-Limit nicht im ersten Versuch meistern, aber irgendwann schon. „Da wird es auch für Kubica keine Sonderregelung geben“, beteuert Whiting.
Der Test auf dem Hungaroring ist die ultimative Prüfung. Das sieht auch Nico Hülkenberg so: „Der Hungaroring ist physisch eine der anstrengensten Strecken, weil es nur eine Gerade gibt, auf der du dich mal ausruhen kannst. Sonst bist du nur am Kurbeln. Nach dem GP-Wochenende liegt richtig viel Gummi auf der Fahrbahn. Das heißt, die Strecke hat maximalen Grip. Wer diese Prüfung besteht, der kann auch einen Grand Prix fahren.“
Kubica in Räikkönen-Auto von 2012
Erst vor zwei Wochen hatte Kubica das zweite Mal im Lotus E20 von 2012 gesessen. Bei Probefahrten in Paul Ricard (12.07.2017) spulte der ehemalige Formel 1-Pilot 90 Runden ab. Wieder meisterte Kubica den Test mit Bravour. Wie schon in Valencia einen Monat zuvor.
Über sechs Jahre hatte sich der Pole gedulden müssen, bis er wieder in einen Formel 1-Rennwagen klettern durfte. Bei einem Privattest auf dem Circuit Ricardo Tormo bei Valencia legte der 32-Jährige im Lotus E20 Anfang Juni 115 Runden zurück. Das entspricht einer Distanz von 460 Kilometer. Oder eineinhalb Renndistanzen. Das Programm beinhaltete Longruns mit viel Benzin, Quali-Runs und Starts.
„Robert hat sich über den Grip, das Untersteuern und den Anpressdruck beschwert, hatte aber nach seinen 115 Runden das größte Lächeln im Gesicht“, twitterte Renault nach Kubicas Ausfahrt. Der französische Rennstall war die zweite und letzte Station in der Formel 1-Karriere von Kubica gewesen. „Ich habe gemischte Gefühle“, kommentierte Kubica. „Einerseits bin ich stolz auf das, was ich heute erreicht habe. Andererseits zeigt es mir, was ich verloren habe. Ich hatte eine gute Geschwindigkeit und war unter schwierigen Bedingungen konstant unterwegs.“ Kubica hat nicht nur auf der Strecke geübt. Er war auch im Simulator. Red Bull gab ihm die Gelegenheit dazu. Wie man hört auch hier mit exzellenten Ergebnissen.
Der Pole war nach dem Formel 1-Ausstieg von BMW zu Renault gewechselt. Allerdings trug das Formel 1-Team nur noch den Namen des französischen Herstellers. Ende 2009 hatte bereits Genii Capital die Mehrheit am Rennstall übernommen. Ein Jahr später wurde das Team in Lotus Renault umbenannt. Renault lackierte den Lotus E20 für den Valencia-Test um. Dem Auto, in dem Kimi Räikkönen 2012 den GP Abu Dhabi gewonnen hatte, verpasste man den aktuellen Farbstil, wie ihn der R.S.17 von Nico Hülkenberg und Jolyon Palmer trägt.
Draufgänger Kubica in der Rallye-WM
Kubica hatte seine Formel 1-Laufbahn 2006 bei BMW-Sauber begonnen. Mit dem Team holte er 2008 auch seinen einzigen GP-Sieg. Das war in Kanada 2008 mit dem BMW-Sauber F1.08. Im selben Jahr stellte der Pole seinen Rennwagen auch auf die Pole-Position beim GP Bahrain. In 76 Grand Prix raste Kubica 12 Mal auf das Podest und sammelte 273 Punkte.
Nach einer durchwachsenen Saison 2010, die er als WM-Achter abschloss, nahm Kubica an einer Rallye in Italien teil. Im Februar 2011 verunglückte er im Skoda Fabia S2000 schwer, und verletzte sich an Armen und Beinen. Besonders schlimm hatte es seine rechte Hand erwischt. Die Ärzte retteten zwar die Hand, doch die Schwere der Verletzung bedeutete das bisherige Aus für Kubicas weitere Formel 1-Ambitionen. Für viele Experten im Fahrerlager hätte der heute 32-Jährige alles mitgebracht, um einmal F1-Weltmeister zu werden. Nicht wenige sprechen von verschwendetem Talent.
Nach dem Aus in der Königsklasse probierte sich Kubica in der Rallye-WM aus. Häufig übertrieb es der draufgängerische Pole und flog ab. In diesem Jahr hätte er für das LMP1-Privatteam ByKolles in der WEC starten sollen. Allerdings platzte das Engagement kurz vor dem Saisonauftakt.