Materialschlacht im Rennen
Ferrari überraschte das Mittelfeld. Racing Point lieferte mit Sergio Perez seine gewohnte Leistung ab, während McLaren und Renault sich nach der Qualifikation fragten, wohin ihr Speed verschwunden ist. Im Rennen fürchten alle die materialmordende Rennstrecke.
Was doch in einer Woche alles passieren kann. Am letzten Rennsonntag noch hatte Racing Point das Mittelfeld komfortabel angeführt. Eine defekte MGU-K brachte Sergio Perez um den dritten Platz und um den verdienten Lohn. McLaren war zur Stelle. Eine Woche später landet Racing Point in der Qualifikation hinter Ferrari und McLaren bringt nur ein Auto in den dritten Quali-Durchgang.
Eigentlich hätte man von beiden erwartet, Ferrari sicher zu schlagen. Weil sie den stärkeren Motor und das effizientere Aerodynamik-Paket haben. Das sollte sich auf dem Outer Track, der Kurzversion des Bahrain International Circuits, noch stärker bemerkbar machen. Falsch gedacht. Charles Leclerc verdrängte mit einer Traumrunde Perez auf den fünften Startplatz. Der Mexikaner war trotzdem zufrieden. "Die Rundenzeit von Leclerc war für uns nicht zu erreichen. Ich habe einen guten Rhythmus in der Qualifikation gefunden. Das Ergebnis macht mich glücklich."
Dem Monegassen reichte in Q3 sogar nur ein Schuss. Perez hatte dagegen zwei Versuche auf der weichsten Mischung. Wie auch Carlos Sainz im McLaren und Daniel Ricciardo im Renault. Immerhin positionierte sich der Mexikaner vor den härtesten Rivalen um den dritten Platz im Konstrukteurspokal, und hat am Start sogar den Alpha Tauri von Daniil Kvyat als Puffer dazwischen.
McLaren rätselt in Bahrain
McLaren verstand die Welt nicht mehr. Pfeilschnell in der letzten Woche, Mittelmaß auf dem Outer Track. Die Piloten suchten nach Gründen, und meinten, es müsse eine Kombination aus verschiedenen Faktoren sein, die McLaren abstürzen ließ. Die geänderte Windrichtung. Das veränderte Abtriebslevel. Die Kurzversion verlangt nach kleineren Flügeln. Ein angepasstes Setup. Der von Bodenwellen übersäte Mittelteil fordert mehr Bodenfreiheit.
Zwei der Kurven, die auch im Layout des großen Kurses sind, haben sich trotzdem verändert. Kurve vier zieht nicht zu, sondern macht auf und geht in Kurve fünf über. Auf die Zielkurve schießen die Autos mit mehr Geschwindigkeit zu. In Summe erkannten Carlos Sainz und Lando Norris ihr Auto nicht wieder.
Aus einem Rennwagen für die besten fünf Plätze der Startaufstellung wurde schon am Freitag ein Problemfall. McLaren verzeichnete zwar Fortschritte am Samstag, doch die waren nicht groß genug, um das Mittelfeld anzuführen. "Wenigstens konnten wir in Q3 um Positionen kämpfen", suchte Teamchef Andreas Seidl noch das Positive.
Norris scheiterte bereits im zweiten Quali-Durchgang. "Ich hatte in meiner ersten Q2-Runde einen kleinen Fehler. Für meine zweite Runde war ich zu früh auf der Strecke. Ich musste langsam machen, um nicht aufzulaufen. Das hat die Vorderreifen ausgekühlt. Das habe ich in Kurve eins bezahlt. Danach musst du es gar nicht weiter versuchen, weil nicht genügend Kurven bleiben, um den Verlust wieder gutzumachen. Im zweiten Anlauf waren ein paar Autos vor Kurve eins, die mich irritierten. Danach war die Runde nicht perfekt genug, um trotzdem aufzusteigen."
Renault enttäuscht sich selbst
Renault erging es nicht viel besser. Ein Auto in Q3, das andere raus in Q2. "Das Gefühl für das Auto war in der Qualifikation weg. Wenigstens habe ich am Start freie Reifenwahl und weiß, welche Reifen die Jungs vor mir aufgeschnallt haben", sagte Esteban Ocon. Bis auf die Mercedes haben aus den Top 10 alle den Softreifen am Start. "Der Schlüssel könnte es sein, den weichen Reifen im ersten Stint zu streicheln, um mehr Optionen bei der Strategie zu schaffen", glaubt Racing Points Sergio Perez.
Der Siebtplatzierte Daniel Ricciardo sah seinen Renault nach den ersten beiden Quali-Teilen mindestens in Startreihe drei. Es wurde die vierte daraus. "Eigentlich lief alles nach Plan. Ich sparte mir zwei weiche Reifensätze in Q1, die ich dann im Finale hatte. Irgendwie war der Grip in Q3 nicht mehr da." Renault enttäuschte sich selbst: Auf einer Strecke für weniger Abtrieb sahen sich die Franzosen besser aufgestellt.
Doch das Rennen ist ja noch nicht gefahren. Ricciardo hofft auf eine chaotische Startrunde. "George Russell ist noch nie aus der ersten Startreihe gestartet. Und noch nie in einem Mercedes. Max Verstappen und Charles Leclerc sind sich auch nicht immer grün gewesen. Da könnten sich Chancen ergeben."
Mittelsektor setzt Autos zu
Sainz bedauert, auf der schmutzigen Seite der Startaufstellung zu starten und glaubt, dass sich das Feld nach einer halben Runde sortiert hat. Bis dahin sieht der Spanier gute Gelegenheiten, Plätze gutzumachen. "Bis ausgangs Kurve fünf dürfte gekämpft werden. Dann erwarte ich, dass sich der übliche Zug bildet." Die Startphase ist insofern spannend, weil die Kurvenfolgen unterschiedliche Linien erlauben. Es geht erst nach rechts, dann nach links, rechts, nach einer Gerade wieder nach rechts, bevor man links in den neuen Streckenteil einbiegt. Da Radien sind weit. Da können sich die Fahrer verschieden positionieren, um zu überholen.
Die Piloten aus dem Mittelfeld sind sich einig, dass das Überholen danach schwieriger wird als angenommen. Weil es besonders im verzwickten Mittelsektor schwer ist, den Turbulenzen aus dem Weg zu fahren, und dem Vordermann zu folgen. "Wir haben im Formel-2-Rennen gesehen, dass es wichtig sein wird, geduldig zu sein, und den richtigen Moment abzupassen, mit den Reifen Tempo zu machen", sagt Ricciardo.
McLarens Fahrer sprechen noch einen wichtigen Punkt an. Der Outer Track ist mit seinen Bodenwellen und aggressiven Randsteinen Gift für die sensiblen Fahrzeuge. Gleich mehrere Fahrer zerfetzten sich in den Trainings und in der Qualifikation den Unterboden. Zum Beispiel Pierre Gasly, der einen waidwunden und untersteuernden Alpha Tauri auf den neunten Platz steuerte. Ohne Schaden wären Renault und McLaren von beiden Alpha Tauri ausgebremst worden.
Norris erklärt, wo die Strecke den Autos besonders zusetzt. "Zwischen Kurve sieben und neun sind die Randsteine besonders aggressiv. Wenn du die im falschen Winkel triffst oder sie zu hart überfährst, ramponierst du dein Auto." Teamkollege Sainz prophezeit einen Überlebenskampf. Die Fahrer werden aufpassen müssen. Sie müssen 87 Mal durch den engen Mittelsektor kommen. 87 Chancen, sich Unterboden oder Leitbleche kaputtzufahren.