Mercedes in Abu Dhabi in erster Startreihe
Mercedes brachte erstmals seit Juni wieder beide Autos in die erste Startreihe. Trotzdem gab es in Abu Dhabi zwei Überraschungen: Valtteri Bottas schlug Lewis Hamilton und Sebastian Vettel verlor auf einer Ferrari-Strecke 0,5 Sekunden.
Die Rekorde in Abu Dhabi müssen neu geschrieben werden. Sebastian Vettel ist die schnellste jemals gefahrene Runde auf dem Yas Marina Circuit los. Valtteri Bottas unterbot den Qualifikations-Rekord aus dem Jahr 2011 um 2,250 Sekunden. Und der Finne war um 2,524 Sekunden schneller als Lewis Hamilton bei seiner Pole Position im Jahr zuvor.
Mit der Bestzeit von Bottas war nicht unbedingt zu rechnen. Im dritten Training und am Freitag hatte noch Lewis Hamilton dominiert. „Ich habe dann vor der Qualifikation etwas am Setup geändert, um die kühleren Temperaturen am Abend zu antizipieren. Der Schuss ging nach hinten los. Das Auto war nicht mehr optimal ausbalanciert“, erzählte der Weltmeister. Dann lobte Hamilton seinen Teamkollegen: „Valtteri hat einen super Job gemacht. Ich lag nach der ersten Kurve eineinhalb Zehntel unter meiner bis dahin besten Zeit. Das habe ich später in den Kurven 5 und 6 wieder verloren.“
Bottas robbte sich Schritt für Schritt an seine vierte Pole Position heran. „Das Auto lief großartig, das Setup passte. Ich konnte mich voll aufs Fahren konzentrieren und habe mich Kurve für Kurve, Detail für Detail verbessert. Zum Schluss waren es so viele Details, dass es zur Pole gereicht hat.“ Mit Blick auf seine Niederlage beim GP Brasilien meinte der Finne: „Jetzt muss ich es auch im Rennen umsetzen. Am Ende zählt nur der Sonntag. Wenn du von der Pole startest, kann es nur ein Ziel geben. Da musst du gewinnen.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Bottas diese Geschichte erzählt. Immer wenn der Silberpfeil vom ersten Tag an funktioniert hat, war der WM-Dritte ein Kandidat für vordere Plätze. Der Unterschied zu Hamilton liegt darin, dass der Weltmeister diesen Wohlfühlfaktor nicht brauchte. Teamchef Toto Wolff fasst zusammen: „ Wir haben nie am Speed von Valtteri gezweifelt. Lewis hat einfach öfter den Punkt getroffen, an dem Auto und Reifen harmoniert haben.“
Mercedes auf den Geraden und in den Kurven schneller
Mercedes war auf eine Runde in Abu Dhabi eine Macht. Sebastian Vettel verlor trotz eines gut ausbalancierten Autos und einer nahezu perfekten Runde eine halbe Sekunde auf den Trainingsschnellsten. Auf dem Papier sollte der Yas Marina Circuit eine Ferrari-Strecke sein. Der 5,554 Kilometer lange Kurs verlangt viel Abtrieb, und er stresst die Hinterreifen.
Mercedes ging trotzdem optimistisch in die letzten Schlacht des Jahres: „Es nur auf den Abtrieb herunterzubrechen, ist zu simpel gedacht“, wehrt Wolff ab. „Wir haben nicht automatisch mit viel Anpressdruck ein Problem. Abu Dhabi hat uns schon immer gelegen. Vielleicht liegt es auch am Typ der Kurven, die unserem Auto passen. Eine plausible Erklärung gibt es nicht.“
Sebastian Vettel ärgert die Einschätzung, dass Mercedes in diesem Jahr kein gutes Auto gebaut habe: „In der Qualifikation hatten sie das beste Auto. Und du gewinnst auch nicht zwei Weltmeister.chaften mit einer Krücke.“ Der WM-Zweite ist wie Wolff der Meinung, dass man nicht in Schubladen denken darf. Von wegen viel Abtrieb spricht für Ferrari und wenig für Mercedes. „Die Mercedes haben im zweiten Sektor mit den beiden Geraden viel Zeit auf uns gewonnen und in den Kurven nichts verloren. Oder sogar da auch noch Zeit gutgemacht.“
Ein Blick auf das Streckenlayout zeigt, warum Mercedes in Abu Dhabi mit der Regel bricht. Die drei Geraden machen fast die Hälfte der Strecke aus. Mercedes kann es sich leisten, viel Abtrieb zu fahren. Die anderen mit weniger Power nicht. Das büßen sie dann auch noch in den Kurven. Die Sektorzeiten und Top-Speeds der Top 4 erzählen die ganze Geschichte:
Bottas wird beim Start aggressiver sein
Vettel kann nur im Sektor 1 mit seinen schnellen Kurven mithalten. Auf dem Top-Speed-Abschnitt und dem letzten Sektor mit insgesamt 11 Kurven verliert der Ferrari-Pilot jeweils 0,25 Sekunden. Red Bull-Pilot Daniel Ricciardo noch ein bisschen mehr. Das heißt in der Zusammenfassung: Mercedes hatte das schnellere Auto auf der Gerade und in den mittelschnellen und langsamen Kurven des letzten Teils der Strecke. Nur in den schnellen Ecken herrscht Gleichstand. Den großen Unterschied erklärt Vettel mit der Länge der Runde. Was bei 96 Sekunden eine halbe Sekunde ist, wäre bei einer Rundenzeit von 1.10 Minuten ein Rückstand von 0,39 Sekunden. Das klingt schon freundlicher.
Für Vettel und Bottas geht es beim letzten Rennen des Jahres um den zweiten WM-Platz. Vettel könnte im Rennen mit 22 Punkten Vorsprung eine ruhige Kugel schieben, doch damit hat er nichts am Hut. „Ich will gewinnen, auch wenn für uns Platz 2 schon noch eine Bedeutung hat. Das Ziel ist es, die Saison in Würde zu beenden.“ Ein guter Start wie in Brasilien würde helfen. Wolff warnt: „In Brasilien war Valtteri zu vorsichtig, weil er Sebastian nicht mehr im Spiegel gesehen hat und nicht wusste, wo er lag. Das könnte diesmal eine andere Story werden.“ Vettel sieht nicht nur beim Start eine Chance: „Überholen ist hier nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.“