„Vielleicht kommt ja mal ein Podium raus“
Mick Schumachers Ankunft lässt die Vermarkter der Formel 1 jubeln. Und sie lässt die deutschen Fans auf einen neuen Überflieger hoffen. Was erwartet der 21-Jährige selbst von seiner Debütsaison? Wir haben mit ihm gesprochen.
Auf einer Skala von 1 bis 10 – von sehr schlecht bis ideal. Wie vorbereitet fühlen Sie sich für Ihre erste Saison?
Schumacher: Ich sage mal lieber 9, weil wir ja noch ein paar Wochen bis zum Start haben. Bis dahin kann ich mich noch weiter verbessern. Ich fühle mich sehr bereit, und freue mich, dass es bald los geht.
Was sind so Punkte, die man vorher nicht lernen kann, egal mit wie viel Training?
Schumacher: Generell geht es um den Ablauf in einem Rennen und an einem Rennwochenende. Ich bin in meiner Karriere zwar viele Rennen gefahren, aber nichts kommt nah an die Situation heran, die ein Formel-1-Wochenende mit sich bringt. Es wird sehr speziell. Ich hatte sehr viele Zoom-Anrufe mit meinem Team, um mich vorzubereiten. Aber ein Rennen wird ein Ereignis, das man erst einmal mitgemacht haben muss, um es zu verstehen. Ich schreibe mir die Dinge dazu auch gerne auf und mache mir Notizen. Ingesamt wird das Learning by doing.
Sie werden nicht gerne gelesen haben, dass das Freitagstraining von drei auf zwei Stunden gekürzt wird.
Schumacher: Und wir haben als Team nur drei statt wie in den Jahren davor sechs oder acht Testtage. Das bedeutet, dass ich nur eineinhalb Testtage vor meinem ersten Rennen bekomme – und dann noch eine Stunde Training weniger. Nein, das höre ich nicht gerne. Aber das sind die Regeln. Wir werden sicher auch damit um die Runden kommen. Aber natürlich ist es mein größtes Ziel, so viel wie möglich zu fahren.
Waren Sie bereits in der Haas-Fabrik in Banbury?
Schumacher: Noch nicht. Wegen Covid ist natürlich alles sehr eingeschränkt und sehr schwierig auf die Beine zu stellen. Die Bedingungen ändern sich ständig. Aber der Plan ist natürlich, bald dort zu sein, und wie auch immer sich die Option ergibt, werde ich sie auch wahrnehmen.
Sebastian Vettel war durch eine Ausnahmeregelung bereits in England. Warum Sie nicht?
Schumacher: Es gab diese eine Möglichkeit für Fahrer, zu ihren Team. zu kommen. Aber zuletzt wurden diese Regeln für Sportler super-kurzfristig wieder geändert.
Sie können aktuell also auch nicht Simulator fahren.
Schumacher: Zum Glück habe ich die Möglichkeit, es zu Hause zu machen und dort meine Strecken zu trainieren und meine fahrerischen Fertigkeiten zu schleifen. Aber das ist alles nicht so gut, wie im echten Auto zu sitzen oder in einem vernünftig großen Simulator wie bei einem Formel-1-Team. Es ist alles sehr schwierig, sehr anders als in den Jahren davor. Covid hat leider vieles eingeschränkt.
Wieso ist Haas für Sie der richtige erste Schritt?
Schumacher: Sie sind nicht das größte Team. Dafür haben sie einen sehr direkten Draht zu ihren Fahrern. Wir stehen sehr oft im Kontakt, was natürlich schön ist. Es ist einfach auch gut zu wissen bzw. zu diskutieren, was die Ziele des Team. sind. Sie arbeiten sehr gut mit ihren Fahrern zusammen. Ich glaube auch, dass dem Team frischer Wind sehr gut tun wird. Hoffentlich motiviert sie das, und lässt uns zusammen gut voranschreiten. Ich habe mich sofort wohl gefühlt. Das braucht ja manchmal auch länger. Bei Haas war es nach dem ersten Tag, nach dem ersten Meeting bereits soweit. Ich freue mich, dort untergekommen sein. Es ist eine gute Station, um mich weiterzuentwickeln.
Alfa Romeo galt auch als Landeplatz für Sie. War es schlussendlich eine Ferrari-Entscheidung?
Schumacher: Die Entscheidung wurde natürlich zusammen getroffen. Aber im Endeffekt habe ich persönlich sehr wenig Erfahrung in der Formel 1, und Ferrari kennt sich extrem gut aus. Sie kennen das Geschäft. Sie wissen genau, was das Beste für mich ist.
Haas hat 2021 zu einem Übergangsjahr ausgerufen. Womit rechnen Sie?
Schumacher: Da muss ich die ersten paar Rennen abwarten, um eine fundierte Antwort zu geben. Natürlich verspreche ich mir sehr viel von mir selbst. Ich will mich sehr schnell im Team einleben, damit ich mich sehr wohl fühle – und sie sich mit mir. Wenn wir das schaffen, werden auch die Ergebnisse kommen. Auch wenn es ein Überbrückungsjahr für uns ist: Wenn sich die Option ergibt, das Fünkchen Glück mitspielt, werden wir alles geben, um das Glück dann zu nutzen und die Resultate auch nach Hause zu bringen.
Was muss passieren, dass Sie persönlich am Saisonende ein positives Fazit ziehen?
Schumacher: Wir müssen uns im Klaren sein, was das Potenzial des Autos ist. Wir müssen ehrlich zu uns sein, und unseren Job machen. Das Beste wäre natürlich Punkte zu sammeln. Und sollte es wie im letzten Jahr ein paar verrückte Rennen geben, vielleicht kommt ja dann mal ein Podium heraus. Klar, das ist geträumt, aber wir dürfen träumen. Dennoch müssen wir in erster Linie realistisch sein.
Nimmt Ihnen das Überbrückungsjahr zum Einstieg Druck von den Schultern?
Schumacher: Druck ist immer da. Den mache ich mir selbst. Ich habe ja Erwartungen an mich selbst. Ich will einen Unterschied zwischen Anfang und Ende des Jahres sehen. Dass ich mich weiterentwickelt, verbessert und mit dem Team so gut zusammengearbeitet habe, wie ich es kann. Ich will eine Beziehung aufbauen und erreichen, dass wir zusammen voranschreiten können.
Sie sind sehr jung, erst 21 Jahre alt. Lesen Sie den Sportteil von Zeitungen oder Online-Berichte? Oder umgehen Sie das?
Schumacher: Ich bin generell wenig auf Nachrichtenseiten unterwegs. Dafür habe ich gefühlt zu wenig Zeit. Ich setze mir andere Prioritäten, wie das Training – oder dann auch mal den Kopf freizukriegen. Da bringt mir so etwas nicht viel. Und ob bewusst oder unbewusst: Es ist so, dass ich danach nicht schaue und auch nicht immer weiß, dass etwas über mich drinsteht. Dann sagen Leute zu mir: Du warst in der Zeitung. Ich kann dann nur sagen: schön. Aber wichtig ist mir das nicht. Ich bin lieber bei mir selbst und konzentriere mich auf mich selbst.
Was erfordert die größte Umgewöhnung von der Formel 2 auf die Formel 1?
Schumacher: Es wird das erste Mal sein, dass ich ein Auto fahre, das eine Servolenkung hat. Das ist schon ein sehr großer Unterschied. Das bewirkt ein ganz anderes Gefühl im Auto. Du spürst es als Fahrer ganz anders. Man wartet auf andere Inputs vom Auto, die es dann schnell zu analysieren gilt. Das braucht einfach ein bisschen Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Ich habe daran zum Beispiel zuletzt in Fiorano viel gearbeitet, und auch einen sehr großen Unterschied ausgemacht im Vergleich zur ersten Ausfahrt.
Die Lenkung war auch ein großer Faktor in Abu Dhabi. Natürlich war das damals mein erster großer Tag im Auto. Da musste ich viele andere Sachen zusätzlich verarbeiten. Deshalb konnte ich mich nicht zu 100 Prozent aufs Fahren konzentrieren, sondern musste auch andere Sachen gleichzeitig machen. Zuletzt in Fiorano aber konnte ich tatsächlich nur auf mich achten, in mich hineinhören beim Fahren. Ich bin sicher, dass ich das in die Tests vor der Saison und dann auch in das erste Saisonrennen mitnehmen kann.
Was hat der Ferrari-Test in Fiorano Ende Januar sonst gebracht?
Schumacher: Es ist schlichtweg so: Jeder einzelne Kilometer ist positiv, weil in der Formel 1 sonst so wenig getestet werden kann. Die ganze Rückmeldung des Autos: Wo ist das Limit? Wie stark kann ich in die Kurve reinfahren, ohne Unter- oder Übersteuern zu bekommen? Das sind Sachen, die mir wichtig waren, zu erkennen. Man muss die Erfahrung machen, auch mal über das Limit zu gehen oder ins Gras zu fahren, solange das Auto dabei heil bleibt. Dann weiß man, hier ist das Limit, da darf ich nicht drüber gehen, sonst verliere ich Zeit. Das wird einer der Punkte sein am Jahresanfang, vor allem bei den Testfahrten, wo man Sachen ausprobieren kann und muss. Natürlich an sicheren Stellen. Aber man muss das Auto ja mal fühlen, speziell als Rookie, der das Auto noch nicht so gut kennt. Solche Aspekte stehen ganz hoch auf meiner Liste.
Spürt man bei den Reifen einen großen Unterschied.
Schumacher: Ja. Aber ich finde, dass der Reifen gar nicht so schlecht ist. Vielleicht wird sich diese Meinung auch ändern nach meinen ersten Rennen. Aber bei den Tests, speziell in Abu Dhabi im Haas, habe ich viel damit gearbeitet und sie haben sich nicht so schlecht angefühlt. In der Formel 2 war es für mich um einiges schwieriger, weil dieser Zeitenabstand von Quali zu Rennen einfach viel größer ist. In der Formel 1 ist der viel kleiner. Da fehlen zwei, drei Sekunden. In der Formel 2 waren es schon mal sechs, sieben Sekunden. An diesen großen Unterschied musste ich mich gewöhnen. Ich habe bislang Longruns gemacht, und keine Race Runs. Das ist schon ein Unterschied, weil man im Rennen 20 bis 30 Runden dranhängt. Es wird interessant sein zu erleben, wie sich der Reifen dann verhält.
Wie hoch ist die Messlatte Nikita Mazepin?
Schumacher: Nikita hatte im letzten Jahr ein paar gute Rennen. Von daher wird es sehr interessant zu sehen sein, wer sich wie schnell entwickelt.
Wie können zwei Rookies das Team voranbringen?
Schumacher: Ja, wir sind zwei Neulinge. Aber wir haben sehr viele Jahre in Junior-Kategorien verbracht. Ich bin mir sicher, dass wir das Team voranbringen können, wenn wir zusammenarbeiten. Parallel müssen wir uns als Fahrer in der gleichen Zeit mitentwickeln, damit man von Anfang bis Ende einen Unterschied sieht.
In den Nachwuchsserien sind Sie immer im zweiten Jahr explodiert. Sagt das etwas über Sie als Fahrer aus, dass Sie Schritt für Schritt nehmen, und nichts überstürzen.
Schumacher: Ich glaube, es ist schwierig zu sagen, dass ich ein Fahrer bin, der im ersten Jahr nicht beeindrucken kann, und im zweiten Jahr alles hinbringt. Es mag so auf dem Papier aussehen, aber wenn man mal genauer hinschaut, täuscht der Eindruck. Besonders in der Formel 2 war mein erstes Jahr nicht so schlecht. Was mir selbst den Eindruck gibt, dass ich das Potenzial habe, sofort gut zu sein. Es war so, dass wir in der Formel 2 einen extrem schwierigen Reifen hatten. Von daher hat es ein bisschen gedauert.
Als ich den Reifen verstanden hatte, war ich bei den verschiedenen Rennen eigentlich immer gut dabei, wenn man einige Dinge, und auch mal Pech, einbezieht. Generell fühle ich mich so, dass ich das Potenzial habe, direkt im ersten Jahr zu überzeugen. Dementsprechend werde ich alles daran setzen, es in dieser Saison hinzubekommen, um nicht auf das zweite Jahr warten zu müssen. Aber klar: Im ersten Jahr werde ich mich an gewisse Sachen gewöhnen, und im zweiten etwas draufsetzen. Mir ist es wichtig, nicht in eine Sackgasse zu laufen, sondern mich Tag für Tag weiterzuentwickeln. Mit dem Ziel, immer schneller zu werden. Denn darum geht es ja letztlich: der Schnellste zu sein