Aggressive und breite Autos mit etwa 380 PS

Der FIA-Weltrat hat auf seiner Sitzung in Mexico City beschlossen, dass die World Rally Cars ab 2017 deutlich breiter, spektakulärer und schneller sein sollen.
Selten waren sich die Beteiligten so einig. In der Frage, wie die Rallye-Autos der höchsten Spielklasse WRC (World Rally Car) nach dem Auslaufen des aktuellen Reglements Ende 2016 aussehen sollen, entschied die FIA-Rallye-Kommission einmütig mit Herstellern, Vermarkter und Fans vor allem eins: wilder.
Größere aerodynamische Freiheiten
Der Weltverband initiierte gar eigens eine Studie, in der die Fans abstimmen konnten, wie die Autos ihrer Lieblingssportart künftig aussehen sollen. Bereits im Frühjahr waren sich alle beteiligten Hersteller nach internen Treffen einig, die Rallye-Kommission reichte in Paris ein Vorschlagspapier ein, das der FIA-Weltrat nun ohne Wenn und Aber bestätigte.
Die Eckdaten des künftigen Reglements beinhalten zum einen deutlich stärkeren Motor. Seit dem Verbot der technisch ausgeuferten Gruppe B Ende 1986 gilt offiziell eine Obergrenze von 300 PS, die angesichts der vorgeschriebenen Werte für Hubraum und Durchmesser des Luftmassenbegrenzers freilich nie eingehalten wurden. Die aktuellen 1,6-Liter Turbos entwickeln mit einem Restriktor von 33 Millimetern Durchmesser etwa 320 PS. Ab 2017 sollen es dank 36 Millimetern Luftdurchsatz bei einem maximalen Ladedruck von 2,5 bar etwa 380 PS werden. Zudem wird das Mindestgewicht um 25 Kilogramm auf 1.175 Kilogramm abgesenkt. Die aktuellen Autos liegen ohnehin längst unter dem geforderten Limit von 1.200 Kilo.
Aber nicht nur innerlich sollen die Autos an Aggressivität gewinnen. Die maximale Breite von 1.820 Millimetern steigt auf 1.875 Millimeter, das heißt, die Radhäuser wachsen auf jeder Seite um knapp drei Zentimeter, womit vor allem auf Asphalt die Kurvengeschwindigkeiten steigen werden. Um den optischen Auftritt noch krasser zu gestalten, werden sowohl beim Frontspoiler als auch beim Heckflügel größere aerodynamische Freiheiten gestattet. Zudem sind größere Kühlluftöffnungen in der Fronschürze gestattet. Vorbild für die neue Fahrzeuggeneration ist ausgerechnet die in den Achtzigern unkontrollierbare Gruppe B, wie FIA-Rallyepräsident Jarmo Mahonen unumwunden zugibt.
Ogier glaubt an bessere Show
Die 600 PS-Monster a la Audi Quattro S1, Peugeot 205 Turbo 16 oder Lancia Delta S4 gelten unter den Fans bis heute als Maßstab. Mit Hilfe des M-Sport-Teams ließ die FIA eine Computerretusche auf Basis des Ford Fiesta entwerfen, um ein Beispiel zu geben, wie die künftigen Autos aussehen könnten.
Sowohl die Teamchefs als auch die FIA-Verantwortlichen sind sich einig, dass sich finanzielle Auswüchse durch massive Windkanalarbeit wie in DTM oder Formel 1 wohl ausschließen lassen. Citroën-Sportchef Yves Matton, einer der größten Verfechter des neuen Regelwerks hat bereits mehrfach klargemacht, dass sein Konzern nur bei der Stange bleibt, wenn sich die Kosten nicht erhöhen.
Ebenso ungeklärt ist bisher die Frage, wie sich deutlich höhere Geschwindigkeiten und damit Sicherheitsprobleme verhindern lassen. Allerdings soll der jüngste FIA-Beschluss vom 11. Juli nur die Eckdaten vorgeben. Es bleibt noch knapp ein halbes Jahr Zeit, bis alle Details geklärt sein müssen. Dann haben die Teams ein Jahr, um die künftigen Autos zu entwickeln.
Im Moment herrscht allenthalben Euphorie. "Die Vorschläge für das Aussehen und die Leistung der neuen Autos sind großartig", sagt Weltmeister Sébastien Ogier stellvertretend für seine Kollegen. Die wünschten sich naturgemäß schon lange mehr Leistung. Die Fahrwerke und Bremsen der WRC stecken den Schub von 50 bis 60 PS mühelos weg. "Das ist gut für die Show", ist sich Ogier sicher.
WRC-Autos sollen weiter auf B-Segment basieren
Zudem freuen sich die Aktiven über eine weitere Regeländerung. Auf Wunsch der 2017 zurückkehrenden Toyota-Mannschaft sind dann auch wieder aktive Mitteldifferenziale erlaubt. Der bisher vorgeschriebene, starre Durchtrieb lässt die Piloten mit mehr oder weniger Untersteuern kämpfen.
Alle Hersteller sind sich einig, dass auch die künftige Generation der WRC auf dem B-Segment (Kleinwagen) basieren soll. Zu klein sollen die Autos aus Sicherheitsgründen aber nicht sein. Die FIA schreibt künftig mindestens 3,90 Meter Länge vor. "Wir werden ein Auge auf das Thema Sicherheit haben", verspricht FIA-Technik-Chef Bernard Niclot.
Der Vermarkter kann seine Euphorie kaum zügeln: "Wir haben stark an diesem Reglement mitgearbeitet. Ich kann es kaum erwarten, die ersten Entwürfe der neuen Autos zu sehen", sagt Promoter Oliver Ciesla. Ford-Teamchef Malcolm Wilson, der eigentlich das kleinste Budget für Neuentwicklungen hat, sagt optimistisch: "Das wird der Beginn einer neuen, aufregenden Ära."