Höherer Luftdruck für F1-Reifen
Nach 2013 und 2017 musste Pirelli in Silverstone zum dritten Mal eine Serie von Reifenschäden erklären. Mittlerweile verdichten sich die Anzeichen, dass hoher Verschleiß die Hauptursache war. Pirelli wird wohl mit höheren Reifendrücken reagieren.
Silverstone und Pirelli. Das ist keine Liebesbeziehung. Zum dritten Mal kam es auf der englischen GP-Strecke zu einer Serie von Reifenschäden. 2013 stand der GP England kurz vor dem Abbruch, nachdem Hamilton. itemprop="name" />Lewis Hamilton./span>, Felipe Massa, Jean-Eric Vergne und Sergio Perez der linke Hinterreifen explodiert war.
Schuld waren damals um 15 Prozent höhere Kurvengeschwindigkeiten, scharfkantige Randsteine, das Umstecken der Reifen auf die falsche Seite, zu niedrige Luftdrücke, zu viel Radsturz und strukturelle Probleme in der Reifen.onstruktion.
2017 erwischte es in der Schlussphase beide Ferrari. Der linke Vorderreifen platzte, weil die Ferrari-Piloten zu lange mit einem Satz gefahren waren. "Daraus ergab sich ein schleichender Plattfuß", blickt Pirelli.Sportchef Mario Isola zurück.
Diesmal stand die Ursache für drei Reifen.latzer in den letzten drei Runden am Abend nach dem Rennen noch nicht fest. Pirelli vermutete anhand der ersten Indizien mehr als nur einen Grund. Die plausibelste Erklärung war eine Überbelastung des linken Vorderreifens als Folge von stark gestiegenen Kurvengeschwindigkeiten und Laufzeiten von bis zu 40 Runden. Es standen aber auch Trümmerteile im Verdacht, die sich durch die Lauffläche gebohrt haben könnten. Wegen der minimalen Gummischicht am Ende des Rennens waren die Reifen besonders verletzlich. Auch eine Überlastung der Karkasse wollte Isola nicht ausschließen.
Am Mittwoch wurde schließlich das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt. Demnach handelte es sich doch hauptsächlich um die extreme Abnutzung, die zu den Reifen.latzern geführt haben. Pirelli fügte als Entschuldigung an, dass die Belastung der Reifen durch die langen Stints, die schnelleren Kurvengeschwindigkeiten und die erhöhten Abtriebswerte in einem außergewöhnlichen Bereich lagen.
Highspeed-Kurven um bis zu 13 km/h schneller
Da es bei Valtteri Bottas, Carlos Sainz und Hamilton. itemprop="name" />Lewis Hamilton./span> jeweils den linken Vorderreifen erwischt hat, hatte sich schon früh der Verdacht aufgedrängt, dass zu hoher Verschleiß der Grund für die Reifenschäden war. Der linke Vorderreifen muss in Silverstone am meisten leiden. Sieben der zehn Rechtskurven liegen über 220 km/h, die Fliehkräfte zwischen 4g und 5g.
Die Autos sind im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich schneller geworden. Die Reifen jedoch blieben gleich. GPS-Messungen ergaben, dass Mercedes in den ersten beiden Kurven um jeweils 12 km/h schneller war als 2019. In Copse Corner lag die Einlenkgeschwindigkeit von Hamilton. itemprop="name" />Lewis Hamilton./span> und Valtteri Bottas um 13 km/h über Vorjahr, der Speed am Scheitelpunkt um 11 km/h, in Maggotts und Becketts dagegen nur um 2 km/h.
Pirelli versuchte sich dagegen zu schützen, indem man den Luftdruck der Vorderreifen von 24 auf 25 PSI erhöhte. Das frühe zweite Safety-Car stellte die Teams und damit auch Pirelli aber vor ein Dilemma. Mit einer Ausnahme wechselten alle Fahrer in der zwölften und 13. Runde auf die harten Reifen. Natürlich mit dem Ziel, bis zum Ende durchzufahren.
Mit einer Restdistanz von 39 respektive 40 Runden wären die Reifen schon mit einem normalen Renntempo am Limit gewesen. Doch an der Spitze hetzten sich die Mercedes-Fahrer gegenseitig ins Verderben. "Valtteri hat so viel Druck gemacht. Ich hatte kaum Zeit zum Verschnaufen", berichtete Hamilton.
Erst zwölf Runden vor Schluss riss der Kontakt ab, weil sich am Auto mit der Startnummer 77 Vibrationen einstellten. Bottas hatte den linken Vorderreifen mehr beansprucht, vor allem in den Kurven 1 und 2. Und sein rechter Vorderreifen zog Blasen. Damit war er nicht der einzige. Mario Isola stellt aber klar: "Wir können mit Sicherheit sagen, dass die Blasen nicht der Grund für die Schäden waren."
Ein erster Augenschein der Reifen ergab, dass in vielen Fällen die Lauffläche zu fast 100 Prozent abgefahren war. Auch bei Romain Grosjean, der mit seiner Startgarnitur 36 Runden ausgehalten hatte. Der Haas war zwar langsamer als die Mercedes unterwegs, aber er fuhr den Start-Stint auf Medium-Gummis.
Mercedes konnte weder an den Daten noch an seinen Reifen.odellen beobachten, dass die Reifen am Limit waren. "Sonst hätten wir sie aus Sicherheitsgründen reingeholt." Pirelli geht inzwischen davon aus, dass der hohe Verschleiß die Reifen an ihr Limit trieb. Selbst wenn da und dort ein Karbonteil noch mit im Spiel war.
Härtere Reifen lösen nicht das Problem
Das nächste Silverstone-Rennen wartet schon. Mit keinen guten Vorzeichen. Die Wetterprognose steht auf Hochsommer. Pirelli hat für den Jubiläums-Grand Prix in Silverstone weichere Mischungen eingeplant. Der Medium-Reifen ist dann der harte, der Soft die mittlere Option. Dabei will Pirelli trotz der Schäden im ersten Rennen auch bleiben.
Das stellt die Strategen allerdings vor große Probleme. "Im Rennen wollte eigentlich keiner den Soft-Reifen fahren, weil er zu früh einbricht. Wenn wir am nächsten Sonntag eine noch weichere Mischung bekommen, wird die Reifen.ahl echt interessant", grübelten die Mercedes-Ingenieure. Damit scheint ein Zweistopp-Rennen jetzt bereits in Stein gemeißelt.
Eine Rückkehr zu den Reifen.ypen vom vergangenen Sonntag halten weder Pirelli noch die Teams für sinnvoll. Weil jeder Reifen am Ende seiner Lebensdauer das gleiche Problem hat. Weichere Reifen könnten sogar von Vorteil sein. Sie zwingen die Teams zu früheren Boxenstopps, weil sie in der Rundenzeit früher einbrechen.
"Wenn Verschleiß das Problem war, dann macht es keinen Unterschied, welche Mischung wir anbieten. Jeder Reifen.yp hat je nach Auto und Setup seine Lebensdauer. Danach werden sich die Teams richten. Wenn wir mit den Reifen vom letzten Sonntag ein Problem hatten, würden wir es kommenden Sonntag wieder haben. Es waren ja schon die härtesten Mischungen im Angebot", erklärt Isola und verweist darauf, dass Pirelli von höherer Stelle gebeten wurde, der Spannung zuliebe Reifen zu bauen, die nur eine bestimmte Zeit halten.
Höherer Luftdruck als Schutz vor Reifenschäden
Auch gegen Wrackteile kann sich Pirelli schlecht schützen. "Das Problem kann nur gelöst werden, indem man es nicht zulässt, dass so viele Karbonsplitter auf der Fahrbahn herumliegen." Pirelli kann sich deshalb nur mit strengeren Vorgaben für den Radsturz und die Luftdrücke schützen.
Nach aktuellem Stand wird Pirelli den Luftdruck vorne nach oben korrigieren. Letztes Wochenende lag er bei 25 PSI. Ein hoherer Druck sorgt für weniger Walkbewegung und damit für niedrigere Temperaturen und Belastungen.
Pirelli glaubt nicht, dass die ursprünglich für 2020 geplanten Reifen, die nach Testfahrten von Fahrern und Teams mehrheitlich abgelehnt wurden, sich in Silverstone besser bewährt hätten. "Diese Reifen waren für mehr Stabilität konzipiert, nicht für geringeren Verschleiß", wehrt Isola ab.
Er hält auch nichts von einer Mindestanzahl an Boxenstopps. "Und was machen wir, wenn es wieder ein frühes Safety-Car gibt? Das einzige, was wir tun könnten ist, für jede Reifen.yp eine maximale Rundenzeit vorzuschreiben."
Die beste Lösung ist, die Teams am Freitag ausgiebig fahren zu lassen, um genügend Daten für den Sonntag zu sammeln. Deshalb wird Pirelli auch die geplanten Testfahrten für die 2021er Reifen.odifikation verschieben. Die Teams sollen sich voll und ganz auf das Problem Silverstone konzentrieren.