Ferrari hilft Hamilton zum Sieg
Alt gegen jung, Weltmeister gegen Kronprinzen: Lewis Hamilton und Max Verstappen kämpften in Ungarn um den Sieg. Der Routinier setzte sich durch. Weil seine Strategen ihm mit einem zweiten Boxenstopp den entscheidenden Reifenvorteil verschafften.
Zum zweiten Mal in dieser Saison prallten Lewis Hamilton und Max Verstappen im direkten Duell um den Sieg aufeinander. Der Weltmeister entschied es dank der Team-Taktik für sich. In unserer Rennanalyse beantworten wir die wichtigsten Fragen zum GP Ungarn.
Wieso gewann Hamilton dank Ferrari?
Max Verstappen behauptete am Start seine Führung. Danach versuchte der Niederländer zu flüchten. Das Gegenteil trat ein. Lewis Hamilton hielt sich in Verstappens Windschatten. Beide schlugen ein hohes Tempo an. Und das ging auf die Reifen. „Sie haben stärker abgebaut, als wir es erwarteten“, berichteten Red Bulls Ingenieure. Dazu hatte Mercedes das schnellere Auto. Im Schnitt sei der W10 etwa drei Zehntel pro Runde schneller gewesen als der RB15.
Dieses Geschwindigkeitsdelta hätte nicht ausgereicht, um Verstappen auf der Strecke zu überholen. Man muss dafür auf dem kurvigen Hungaroring mit einer nur 790 Meter langen Gerade schon mehr als 1,5 Sekunden schneller sein als der Vordermann. Mercedes musste Red Bull über die Strategie schlagen.
Die erste Möglichkeit wehrte Red Bull ab. Man beugte mit einem Reifen.echsel in der 25. Runde einem Undercut vor. Die Lücke zu Ferrari war mit über 20 Sekunden gerade groß genug, um vor beiden roten Autos zurück auf die Strecke zu kommen. Mercedes dehnte Hamiltons ersten Stint bis Runde 31 aus und verschaffte ihm dadurch einen Reifenvorteil.
Innerhalb von drei Runden verdampfte Verstappens Vorsprung von fünf Sekunden. Hamilton ritt in Runde 39 eine Attacke über drei Kurven, wurde von Verstappen aber zurückgewiesen. Dann entwickelte Mercedes seinen Masterplan. „Zwischen den Runden 40 und 47 reifte der Plan, Lewis ein zweites Mal reinzuholen. Wir mussten etwas anderes machen, sonst wären wir nicht vorbeigekommen“, erklärte Mercedes.Teamchef Toto Wolff.
Mit dem Reifen.echsel in Runde 48 von Hard auf Medium gab Mercedes seinem Starfahrer das entscheidende Werkzeug in die Hand, um das niederländische Bollwerk zu knacken. Mercedes konnte sich den Luxus leisten. Weil Charles Leclerc im besseren der beiden Ferrari zu diesem Zeitpunkt bereits 41 Sekunden zurück lag. „Wäre Ferrari schneller gewesen, hätte Mercedes diesen Kniff nicht machen können. Uns waren die Hände gebunden. Du gibst nicht den ersten Platz her“, sagen die Red Bull.Ingenieure. Die Position des Jägers war in diesem Fall die bessere. Mercedes machte das Gegenteil von Red Bull. Wäre Verstappen zum zweiten Mal reingekommen, wäre Hamilton durchgefahren.
Mercedes wählte den Zeitpunkt des zweiten Stopps so, dass Hamilton im letzten Rennteil die Reifen voll rannehmen kann, und er gleichzeitig genügend Runden hat, um die 19 Sekunden noch aufzuholen. „Ich bin Qualirunden gefahren“, erzählte der Sieger. Der Weg zum Sieg war trotzdem Schwerstarbeit. Trotz weicherer Reifen, die zudem 23 Runden weniger auf der Lauffläche hatten. Zwischen Runde 52 und 57 holte Hamilton nur 1,3 Sekunden auf. Da flogen dem Weltmeister die Zweifel durchs Cockpit. „Wir wussten, dass wir eine Sekunde pro Runde aufholen müssen. Zwischendurch zweifelten wir daran, ob es aufgeht. Irgendwann haben wir Lewis nur noch gesagt, dass er aufholt, ohne ihm zu sagen, wie viel“, sagte Wolff. Vier Runden vor der Zielflagge war Verstappen fällig. „Als Lewis ihn einmal vor sich gesehen hat, gab es kein Halten mehr. Ab da ist er in seiner eigenen Liga gefahren.“
Warum hatte Mercedes Bremsprobleme?
Der Hungaroring ist nicht unbedingt eine Strecke, die hart auf die Bremsen geht. Und das Wetter war mit Temperaturen um die 25 Grad nicht gerade heiß. Trotzdem quälte sich Mercedes mit Brems- und Kühlproblemen. „Das Pedal wurde immer weicher und länger“, sagte Valtteri Bottas. Sein Teamkollege ergänzte: „Ich musste teilweise eine halbe Runde lang Lift-and-Cost betreiben.“ So nennt man den Vorgang, wenn der Fahrer früh vom Gas geht und sein Auto auf die Kurve zurollen lässt.
Das immer stärker werdende Red Bull zwingt Mercedes, an das Limit zu gehen. Die Verkleidung wird so weit es geht geschlossen, damit das Auto den maximalen Anpressdruck entfalten kann. Die Bremsbelüftung fällt kleiner aus. „Wir sind in einem Wettbewerb, in dem es um jede Millisekunde geht. Wir können es uns nicht leisten, die Verkleidung zu weit zu öffnen. Sonst bezahlen wir in der Qualifikation den Preis“, erklärt Wolff. Zudem hing Hamilton über einen Großteil des Rennens hinter Verstappen, was die Kühlung der Komponenten erschwert. Bottas quälte sich nach einem frühen Frontflügeltausch durch den Verkehr.
Wieso war Bottas sauer auf Leclerc?
Valtteri Bottas riskierte am Start und verlor alles in weniger als einer halben Runde. In der ersten Kurve bremste er sich den rechten Vorderreifen platt. „Ich wollte unbedingt an Verstappen vorbei. Ich war hungrig auf den Sieg, den ich so dringend für die Weltmeisterschaft brauchte.“ Zwischen Kurve zwei und drei überflügelte ihn der Teamkollege. Dabei berührten sich die Mercedes. „Ich finde, das war am Limit.“
Den K.o.-Schlag versetzte ihm Charles Leclerc bei der Anfahrt in die vierte Kurve. Mit dem linken Hinterrad zertrümmerte der Ferrari die rechte Frontflügelendplatte des Mercedes. Bottas war gezwungen, den ramponierten Flügel zu tauschen. „Ich habe mir die Szene nach dem Rennen angesehen. Auf der Onboard-Kamera von Vettels Auto ist klar zu sehen, dass ich die Linie halte und Leclerc einfach reinzieht. Das war völlig unnötig. Ich habe nichts gegen hartes Rennfahren einzuwenden. Aber er wäre auch mit einem normalen Manöver an mir vorbeigekommen. Er hatte Glück, dass ich ihm nicht den Reifen aufgeschlitzt habe.“ Die Aufholjagd des Finnen endete auf dem achten Platz.
Warum war Ferrari in Ungarn so langsam?
Ferrari bezog Prügel. Der Sieger hängte die Roten um über eine Minute ab. Das entspricht fast einer Sekunde pro Runde. In der Qualifikation überdeckten die Reifen die Schwächen des SF90. Doch selbst am Samstag lag man fast eine halbe Sekunde zurück. „Auf eine Runde hilft uns der Extra-Grip des Reifen.. Im Rennen fangen die Reifen mit jeder Runde stärker an zu überhitzen, und das Auto rutscht immer mehr“, erklärt Teamchef Mattia Binotto. Das rote Auto malträtierte vor allem die Hinterreifen.
Ferrari fehlten auf dem Hungaroring die Geraden. In den vielen langsamen und mittelschnellen Kurven hemmte den SF90 sein Abtriebsmanko. „Ungarn verlangt maximalen Anpressdruck. Davon haben Mercedes und Red Bull mehr.“ Die Upgrades – Bargeboards und Heckflügel-Endplatten – haben Ferrari in den Kurven nicht nähergebracht. Nur in den schnellen Ecken hielten die roten Autos mit. Der teaminterne Zweikampf war Nebensache: Vettel entschied ihn mit Plan C für sich. Der Schlüssel dafür war besseres Reifen.anagement als der Teamkollege, und ein langer erster Stint. Der späte Reifen.echsel im 39. Umlauf erlaubte es Vettel, auf die weichen Reifen zu gehen. Darauf schnappte er sich den hart-bereiften Teamkollegen in der drittletzten Runde.
Warum ist McLaren so stark?
McLaren jubelte. Durch die Ungarn-Updates kann der MCL34 jetzt auch langsame Kurven. „Uns hat aber auch geholfen, dass durch die aktuellen Autos viele langsame Kurven zu mittelschnellen wurden. Und dass der Asphalt der gleiche ist wie in Österreich“, sagte der Fünftplatzierte Carlos Sainz. Im Mittelfeld hielt nur Alfa Romeo mit den papayagelben Raketen mit. Dank Kimi Räikkönen: „Er hat sich sehr wophl gefühlt im Auto“, berichtete Alfa-Teammanager Beat Zehnder. „Die Entscheidung, von Soft auf Medium zu wechseln, hat Kimi getroffen. Alle anderen sind auf die harten Reifen gegangen. Für uns war es der Schlüssel, die Schlussattacke von Bottas abzuwehren. Kimi hatte mit den Mediums eine gute Traktion.“
McLaren verbaute sich ein noch besseres Ergebnis. Ein Problem mit einem Schlagschrauber kostete Lando Norris beim Boxenstopp zwei Positionen. „Und es hat ihn in die Fänge von Bottas getrieben“, entschuldigte Teamchef Andreas Seidl. In der Meisterschaft hat McLaren fast 40 Punkte Vorsprung auf Toro Rosso.