Warum knickte die Aufhängung ab?
Warum brach bei Sebastian Vettel die Aufhängung? Und wen ärgerte der Magnussen-Unfall kurz vor Schluss am meisten? Wir haben nach dem Rennen in Austin bei den Beteiligten nachgefragt. Die Antworten gibt es in der Analyse.
Was war schneller: Einstopp oder Zweistopp?
Vor dem Rennen waren sich die Strategie-Experten einig: Die schnellste Art die 56-Runden-Distanz von Austin zu bewältigen führt nur einmal bei den Mechanikern vorbei. Nach der Pirelli-Prognose sollten die Autos mit weichen Reifen am Start gegenüber der Medium-Fraktion sogar im Vorteil sein. Eine Zweistopp-Taktik sei gar nicht zu empfehlen. Doch wie schon in Mexiko irrten die Taktikfüchse.
Max Verstappen machte im Strategie-Schach der Spitzengruppe den ersten Zug. Der Holländer versuchte Valtteri Bottas in Runde 13 mit einem Undercut aus der Reserve zu locken. „Bei Max war nach einer Kollision im Startgetümmel die Endplatte des Frontflügels beschädigt. Außerdem fehlte ihm ein Teil des Unterbodens“, erklärte Teamchef Christian Horner später. „Was ihn das in Rundenzeit gekostet hat, lässt sich nicht genau beziffern. Aber das Auto hat wild übersteuert, dadurch ging der Reifenverschleiß hoch. Also haben wir ihn auf eine Zweistopp-Strategie gesetzt.“
Mercedes reagierte sofort und holte den Führenden Bottas ebenfalls an die Box, um die Position gegenüber dem Red-Bull-Angreifer nicht zu verlieren. Damit war aber klar, dass auch der Finne später noch einmal zum Service muss. Und damit war auch klar, dass er nach seinem zweiten Stopp Hamilton auf der Strecke überholen musste.
Am Ende ging die Rechnung für Bottas auf. Obwohl er zwischenzeitlich viel Zeit mit Überrundungen verloren hatte, tauchte die Mercedes-Nummer-Zwei sieben Runden vor der Zielflagge erstmals im DRS-Fenster des Schwesterautos auf. Die erste Attacke konnte der alte und neue Weltmeister noch abwehren. Doch in Runde 52 rollte Bottas auf der langen Geraden einfach an seinem Gegner vorbei.
Hamilton hätte wohl auch noch den zweiten Platz an Verstappen verloren, wenn der Holländer nicht durch sein angeschlagenes Auto und den Verkehr eingebremst worden wäre. Und dann kamen in den letzten Runden auch noch gelbe Flaggen an der aussichtsreichsten Überholstelle am Ende der Geraden hinzu, weil Kevin Magnussen mit seinem Haas im Kies stand. Verstappen hatte aus seinem Fehler von Mexiko gelernt. „Wenn ich nicht gelupft hätte, wäre ich sicher vorbeigekommen.“
Auch beim McLaren-Duo konnte man sehen, dass der Zweistopper an diesem Tag die bessere Variante war. „Wir haben Lando früh reingeholt, weil er im Zweikampf mit Ricciardo die Reifen etwas zu hart rangenommen hatte“, erklärte Teamchef Andreas Seidl. Wie bei den Silberpfeilen wurden die Positionen vier Runden vor der Zielflagge getauscht. Norris hätte beinahe noch Einstopper Ricciardo geschnappt. „Leider konnten wir wegen der gelben Flaggen auf der Geraden keine Attacke setzen“, bedauerte Seidl.
Warum stand Magnussen im Kies?
Wie erwähnt verhinderte der Unfall von Kevin Magnussen ein spektakuläres Finish. Teamchef Guenther Steiner erklärte, was los war: „Die Bremsen haben versagt. Das hatte sich schon vorher angedeutet. Das Pedal wurde immer länger.“ Eine Bergung lohnte sich für die Rennleitung aus Zeitgründen nicht. Also wurde die Gefahrenstelle mit gelben Flaggen entschärft.
Nicht nur für Verstappen und Norris war der Haas ein Ärgernis, auch Daniil Kvyat vermasselte der Zwischenfall ein besseres Ergebnis. Der Russe musste seinen Angriff auf den vor ihm fahrenden Sergio Perez in der Schlussrunde auf Kurve 15 verschieben. Bei der Attacke krachte der Toro Rosso unbeholfen in den Racing Point, wodurch bei Perez der Frontflügel zu Bruch ging. Wie schon nach dem Last-Minute-Manöver gegen Hülkenberg in Mexiko sprachen die Schiedsrichter direkt eine Fünf-Sekunden-Strafe aus, die Kvyat aus den Punkten kegelte und Perez auf Platz zehn spülte.
Nach der Zieldurchfahrt gab es unterschiedliche Interpretationen der Szene. Kvyat schäumte: „Ich habe mir den Punkt auf der Strecke erkämpft. Da gab es schon deutlich härtere Manöver, die ohne Strafe blieben.“ Sein Unfallgegner konnte den Ärger nicht verstehen: „ Daniil schließt auf der Geraden unter gelben Flaggen die Lücke zu mir und dann kracht er wenig später einfach in mich rein, obwohl ich genug Platz gelassen habe.“
Warum hat Hamilton das Rennen nicht gewonnen?
Vom fünften Startplatz aus mit dem Teamkollegen auf Pole Position war der Sieg eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch als Lewis Hamilton nach der Startrunde als Dritter zurückkam, da reifte in dem angehenden Weltmeister der Plan, den sechsten Titel mit einem Sieg zu krönen. Dass es nicht dazu reichte, hatte zwei Gründe. Max Verstappen zwang Mercedes die Strategie auf. Man musste Valtteri Bottas vor einem Undercut schützen, der in Austin mal wieder besonders mächtig war. Es hat für Bottas gerade so gereicht.
Jetzt blieb für Hamilton nur noch ein Einstopp-Rennen übrig. Das war auf dem Papier nur zu gewinnen, wenn alle anderen ein langsameres Rennauto gehabt hätten. Dumm, dass Bottas in einem gleich schnellen Auto saß. Und dass Mercedes immer ein Auge auf Verstappen werfen musste. Der Sieg für Bottas wäre noch klarer ausgefallen, wenn er nicht zwei Sekunden mehr als Hamilton im Verkehr verloren hätte.
Hamiltons Siegchance war endgültig dahin, als er eigenmächtig entschied, den von der Box in Runde 23 angeordneten Boxenstopp um einen Umlauf zu verschieben. Das hätte ihn fast noch Platz zwei gekostet. Weil er in der Zusatzrunde im Zweikampf mit Bottas 2,5 Sekunden verlor. Hamilton war so auf den Sieg und sein Einstopp-Rennen fixiert, dass er glaubte, den Reifenwechsel so lange wie möglich hinauszögern zu müssen. Im Gegensatz zu den Strategen erkannte er zu spät, dass es für ihn längst nur noch um das Duell mit Verstappen um Platz zwei ging. Die wussten anhand ihrer Reifenmodelle, dass Hamilton in den letzten fünf Runden Grip verlieren und Verstappen zwei Runden vor Schluss aufschließen würde.
Warum war Ferrari so langsam?
Die Konkurrenz von Mercedes und Red Bull war schnell mit einer Theorie bei der Hand, warum Ferrari am Sonntag in Austin nicht konkurrenzfähig war. Die Technische Direktive der FIA zu möglichen Benzindurchfluss-Tricksereien habe die roten Raketen nachhaltig eingebremst, so die Theorie. Doch das wurde im Lager der Roten entschieden zurückgewiesen. Am Motor habe man nichts geändert.
Stattdessen machten Sebastian Vettel und Charles Leclerc einen mysteriösen Gripverlust für die schlechte Pace verantwortlich. „Ich wurde auf der ersten Runde von einem Auto nach dem anderen aufgefressen. Vor allem in Rechtskurven war das ein Problem. Ich hatte massives Untersteuern und konnte mich einfach nicht verteidigen“, zuckte Vettel ratlos mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob es an den Reifentemperaturen lag oder ob die Aufhängung angeknackst war. Das müssen wir jetzt untersuchen.“
Auch Charles Leclerc konnte nichts zur Aufklärung beitragen. Der Monegasse verlor im ersten Stint mehr als eine Sekunde pro Runde auf das Führungstrio. „Im zweiten Stint wurde es etwas besser. Aber ich war immer noch langsamer als die anderen.“ Erst am Ende fand Leclerc mit einem kurzen Schlussspurt auf den Soft-Reifen plötzlich wieder Vertrauen ins Auto. Der Youngster sicherte sich dadurch den Punkt für die schnellste Rennrunde.
Warum brach bei Vettel die Aufhängung?
Neben dem fehlenden Grip sorgte auch der Aufhängungsbruch bei Sebastian Vettel für ratlose Gesichter im Ferrari-Lager. Die erste Vermutung lautete, dass der Heppenheimer über den erst kurz vor dem Rennen installierten Kerb am Scheitelpunkt von Kurve acht gerumpelt war. „Den habe ich gar nicht berührt“, winkte der Pilot ab. „Die Aufhängung hat einfach auf einer Bodenwelle nachgegeben. Dabei habe ich nichts anders gemacht als in den Runden davor oder am restlichen Wochenende.“
Nun soll eine genaue Analyse in der Fabrik in Maranello Aufschluss darüber geben, warum der obere Querlenker am rechten Hinterrad einfach abknickte. Teamchef Mattia Binotto versprach Aufklärung: „Wir glauben, dass die Aufhängung schon vom Start weg vorgeschädigt war. Wir müssen nun sicherstellen, dass wir genau verstehen, was da passiert ist.“
In der Galerie haben wir die Bilder des Tages gesammelt.