Das stille Genie
Jim Clark war der legitime Nachfolger von Juan-Manuel Fangio. Als er 1968 in Hockenheim tödlich verunglückte, da gab es keinen, der sich als Nachfolger des stillen Schotten qualifizierte. Weil Clark in einer anderen Liga fuhr als der Rest.
Jim Clarks Karriere war kurz und intensiv. Der Bauernsohn aus der schottischen Grafschaft Berkshire fuhr nur acht Saisons und ein Rennen. Er stand bei 72 Grand Prix am Start, startete 33 Mal aus der Pole Position und gewann 25 davon. Er legte 21.523 Kilometer auf seinen GP-Einsätzen zurück und 10.115 davon in Führung. Seine beiden WM-Titel 1963 und 1965 waren ein Durchmarsch mit sieben und sechs Siegen. 1965 stand er schon nach dem siebten von zehn Rennen als Weltmeister fest, obwohl er den GP Monaco wegen seines Einsatz beim Indy 500 ausgelassen hatte. Der Ausflug in das Indianapolis Motor Speedway lohnte sich. Clark schlug mit seinem Lotus die versammelte Nudeltopf-Elite und kassierte eine Siegerbörse von 166.621 Dollar.
Er war auch 1962 und 1964 mit einem Bein schon Weltmeister, als ihm beide Male technische Defekte kurz vor Ende des letzten Rennens den Titel raubten. Einmal spielte eine lose Schraube im Zündverteiler Schicksal, ein anderes Mal eine undichte Gummimanschette einer Ölleitung. Pfennigdefekte mit großer Wirkung. 1966 gewann er den GP USA im Lotus 43 mit dem unhandlichen 16-Zylinder-Motor von B.R.M. Kein anderer hätte mit diesem Auto ein Rennen gewonnen. 1967 reichten vier Siege nicht zum WM-Titel. Clark fiel fünf Mal aus. Mindestens einmal zu häufig. Der Lotus 49-Cosworth litt noch an zu vielen Kinderkrankheiten.
Tod auf der Waldgerade./strong>
Das gleiche Auto, nicht mehr grün und gelb, sondern in den Farben von Hauptsponsor Gold Leaf lackiert, sollte Clark 1968 endlich die dritte Weltmeisterschaft bringen. Sein Sieg beim Saisonauftakt in Südafrika bestätigte alle Prognosen. Es war sein 25. Triumph, einer mehr als Fangio. Und es war sein letzter Grand Prix. Am 7. April verlor die Motorsportwelt ihren größten Helden bei einem Formel 2-Rennen in Hockenheim. Es war ein einsamer Tod bei Kilometer 2.3 auf der ersten Waldgerade. Nur zwei Streckenposten haben den Unfall gesehen.
Jim Clark kam auf gerade Strecke nach Aussage der beiden Augenzeugen nach mehreren Schlingerbewegungen nach links von der Fahrbahn ab. Zitat im Unfallbericht der Staatsanwaltschaft Mannheim: „Der Sperrzaun wurde durchbrochen, und der Wagen durchfuhr Busch- und Baumgruppen, wobei er in zwei größere und eine Vielzahl kleinere Stücke zerrissen wurde. Nach zwei Dritteln der “ Schneise„, die der Wagen sich mehrmals überschlagend im Busch- und Baumbestand gerissen hat, blieb an einer stärkeren Baumgruppe das Cockpit mit dem Fahrer liegen, während die schwersten Teile wie Motor, Hinterräder u.s.w. nach etwa weiteren 40 Metern zu liegen kamen. Der Rennarzt Dr. Rothenfelder stellte noch vor Ort den Tod von Jim Clark fest.“
Die Nachricht schien so absurd, dass sie zunächst viele, die sie hörten, für eine Falschmeldung hielten. Clark war eine Ikone. Einer, der eine ganze Generation beherrschte, dessen Ausnahmestatus nicht in Frage stand. Clark galt als der legitime Nachfolger von Juan-Manuel Fangio. Das Fahrgenie, das selbst in dieser gefährlichen Zeit als unverwundbar galt, starb bei einem Formel 2-Rennen auf gerader Strecke, in einem Auto mit nur 230 PS und 260 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Der Tod machte ihn zum Mythos
Clark war eine stille Lichtgestalt. Er lebte aus Steuergründen in Paris, hatte ein Büro in London, einen Zweitwohnsitz auf den Bahamas, und er reiste zunehmend im Privatflugzeug. Von seinen Gagen im Rennsport kaufte sich Englands scheuer Superstar 30 Kilometer vom Gut seiner Eltern entfernt eine Landwirtschaft mit 1.000 Kühen und 2.000 Schafen. Jedes Jahr lieferte die Farm 1.200 Tonnen Getreide an die heimischen Whiskey-Brennereien. Clark betonte immer wieder, dass er sich nach dem Rennsport auf seinen Bauernhof zurückziehen wollte. Die Welt, in der er lebte, war nur sein Arbeitsplatz, nicht sein Zuhause.
Man wusste nur wenig über den introvertierten Schotten. Genauso geheimnisvoll wie er selbst war sein Tod. Er hob den zweifachen Weltmeister und Indy 500-Sieger von 1965 endgültig in den Legendenstatus, etwas, das später nur Ayrton Senna widerfuhr. Wie bei Senna rankten sich Mythen, Spekulationen und Halbwahrheiten um das Unglück. Die Unfallursache ist bis heute ungeklärt. Unter vielen Theorien, vom Aufhängungsbruch, einem Lenkungsdefekt, Zündaussetzern, Aquaplaning, einem Ausweichmanöver, war die des Reifenschaden rechts hinten die wahrscheinlichste. Der für die Untersuchung des Wracks von Lotus beauftragte Experte für Flugzeugabstürze Peter Jowett hatte einen Schnitt auf der Lauffläche festgestellt. Verursacht vielleicht durch Metallsplitter als Überbleibsel vieler Motorplatzer.
Vier Siege in Spa, keiner in Monte Carlo./strong>
Clark kam eher zufällig zum Motorsport. Im Südosten von Schottland, wo sein Vater eine 500 Hektar große Farm unterhielt, lebten mehr Schafe als Menschen. Erst mit dem Führerschein entdeckte er seine Liebe zum Auto. Was mit Clubrennen begann, endete mit einem Lotus-Vertrag. Lotus-Chef Colin Chapman, der anfangs selbst Rennen fuhr, hatte das Talent des Einzelgängers im direkten Zweikampf entdeckt. Clark und Lotus war eine Ehe für die Ewigkeit. Bei keinem seiner 72 Formel 1-Rennen fuhr Clark für ein anderes Team. Colin Chapman wurde zu einer Art Ersatzvater für ihn.
Clark stand bei den Kollegen hoch im Kurs. Jeder respektierte ihn als den besten Fahrer seiner Zeit. Der Ausnahmepilot war auch im Sportwagen, in der Tasman-Serie am anderen Ende der Welt und in den amerikanischen Ovalen erfolgreich. Nur Le Mans mochte er nicht. Das sei kein Autorennen, brüskierte er bei einer Pressekonferenz einmal seinen Arbeitgeber Ford.
Die GP-Siege Siege des fliegenden Schotten waren seltsam verteilt. Er gewann fünf Mal den GP England, vier Mal in Spa aber nie in Monte Carlo. „Es lag nicht an Jimmy“, sagte Jackie Stewart einmal. „Sein Lotus war für diese Strecke einfach zu zerbrechlich.“ Stewart gibt auch zu, dass er seinen ersten Formel 1-Vertrag 1965 absichtlich bei B.R.M. unterschrieb, obwohl ihm Lotus ein Angebot gemacht hatte. „Ich wollte nicht mit Jimmy im gleichen Team fahren. Lotus, das war er. Der zweite Fahrer hatte nie eine Chance. Ich sagte mir: Von Graham Hill bei B.R.M. kannst du mehr lernen.“ In Bezug auf das Abstimmen der Autos hatte Stewart recht. Clark konnte mit jedem Auto schnell sein. Das war seine einzige Schwäche, weil er jedes Defizit zudeckte. Er musste sich auch nicht um die Technik kümmern. Dafür hatte er ja Colin Chapman.
auto motor und sport feiert das 1.000. Formel-1-Rennen in dieser Saison mit einer großen Serie in 100 Teilen. Wir liefern Ihnen im täglichen Countdown spannende Geschichte und interessante Video-Features aus der Historie der Königsklasse. Alle bisherigen Artikel finden Sie auf unserer >> Übersichtsseite zum großen Jubiläums-Grand-Prix.