Sieg der Zuverlässigkeit
Mercedes hat den zweiten Doppelsieg der Saison eingefahren. Diesmal stand den Titelverteidigern das Glück zur Seite. Ferrari hatte das schnellere Auto. Mit Blick auf Shanghai und Baku macht man sich große Sorgen.
Charles Leclerc hatte den GP Bahrain schon in der Tasche. In der 42. Runde wurde Leclerc ein Vorsprung von 10,8 Sekunden auf seinem Verfolger Lewis Hamilton./span> angezeigt. Dann begann der Ferrari langsamer zu werden. Zuerst moderat, danach immer dramatischer. Hamilton schnupfte seinen Gegner in Viersekunden-Schritten auf und ging neun Runden vor Schluss in Führung. Leclerc kämpfte mit dem Rücken zur Wand. Der Ferrari-Motor verlor immer mehr Leistung.
Hamilton bezeichnete seinen 74. GP-Triumph als „Sieg der Zuverlässigkeit.“ Der Engländer räumte ein, dass Leclerc einer Nummer zu schnell für ihn war und er nahm sein Team in die Pflicht: „Da liegt viel Arbeit vor uns, wenn wir gegen diese Jungs bestehen wollen.“ Ferraris Überlegenheit kam für Mercedes-Teamchef Toto Wolff nicht so überraschend wie die deftige Niederlage des Gegners von Melbourne. „Wir haben Ferrari in Australien stärker erwartet. Dass es nicht so gekommen ist, war für mich eine größere Überraschung als ihre Formsteigerung in Bahrain.“
Vorteil durch schiere Motorleistung./strong>
Der beunruhigende Teil der Ferrari-Show war der große Zeitverlust auf den Geraden. Das Bild vom Training setzte sich im Rennen fort. Die roten Autos machten auch im Renn-Modus vier Zehntel auf allen Geraden gut. „Da kann kein anderer mithalten“, stellte Wolff fest. Sein Fazit: „Unter diesen Umständen war es schwer dagegen zu halten.“ Soll heißen: So viel Rundenzeit kann man in den Kurven gar nicht kompensieren. Ferrari bringt auf die Frage nach den beeindruckenden Geschwindigkeiten auf den Geraden ins Spiel, dass Mercedes mit mehr Abtrieb unterwegs war. Wolff will das nicht glauben. „Du machst mit besserem Luftwiderstand höchstens ein Zehntel gut. Das ist schiere Motorleistung.“
Die Ingenieure hatten sich nach dem Training gleich in ihre Analysen gestürzt. Erste Feststellung: „Ferrari gewinnt auf uns auf Geraden mit und ohne DRS. Es hat also nichts mit dem Luftwiderstand zu tun.“ Zweite Erkenntnis: „Bei den Testfahrten in Barcelona lagen wir von der Power gleichauf. In Melbourne hatten wir leicht die Nase vorn. In Bahrain waren sie uns klar überlegen. Der Ausreißer war Melbourne. Da muss bei Ferrari etwas dramatisch schiefgelaufen sein.“
Am Anfang und Ende der Gerade schneller
Schon im letzten Jahr hatte Ferrari seinen WM-Gegner mit unerklärbaren Power-Schüben aufgeschreckt. Für sechs Rennen fuhren die Ferrari den Silberpfeilen auf und davon. Erst ab dem GP Singapur war man wieder auf Augenhöhe. Nicht, weil Mercedes aufgeholt hätte, sondern weil Ferrari nachließ. Der augenblickliche Leistungsvorteil ist mit dem von 2018 aber nicht zu vergleichen. „ Letztes Jahr haben sie uns die Zeit am Anfang der Gerade abgenommen. Beim Topspeed waren wir wieder dran. Jetzt sind sie überall schneller. Sie schlagen uns zu Beginn der Gerade mit mehr Power und in der zweiten Hälfte, weil sie die MGU-K nicht so früh abschalten wie wir. Unsere Geschwindigkeitskurve flacht nach hinten ab. Die von Ferrari steigt weiter an.“
Nicht der Vorteil von Ferrari an sich treibt Mercedes die Sorgenfalten ins Gesicht, sondern sein Ausmaß. „Egal ob Chassis oder Motor: Auf unserem Niveau legst du nur in kleinen Schritten zu. Deshalb wird es schwer werden, einen so riesigen Rückstand zu egalisieren“, fürchtet Wolff. Valtteri Bottas graut schon vor Shanghai und Baku: „Da sind die Geraden noch länger, und Ferraris Vorteil könnte sich noch stärker auswirken.“
Taktiksplit bei Mercedes
Das Motorthema überschattete die individuellen Probleme der Mercedes-Piloten. Valtteri Bottas haderte mit der Balance seines Silberpfeil. Der starke Wind machte seine Aufgabe noch schwieriger. „Das resultierte in vielen Fehlern meinerseits.“ Im letzten Stint verfing sich eine Plastiktüte im Frontflügel, was noch mehr Rundenzeit kostete. Einziger Trost: Der zweite Platz hält Bottas in der Tabellenführung.
Hamilton legte erneute einen schlechten Start auf die Bahn, machte den Fehler aber schon in der zweiten Runde wieder gut. Die Doppelführung von Ferrari beantwortete Mercedes mit einem Taktik-Split. Aggressiv mit Hamilton, konservativ mit Bottas. Hamilton versuchte zwei Mal den Undercut. Beim ersten Boxenstopp gab das Team seinem Weltmeister einen zweiten Satz Soft-Reifen mit auf die Reise, in der Hoffnung, der weichere Reifen würde ihn vor Sebastian Vettel halten. Das war ein Trugschluss. In Runde 23 flog Vettel am Mercedes mit der Nummer 44 vorbei. „Der weiche Reifen war schrecklich. Ich habe mit einem unberechenbaren und übersteuernden Auto gekämpft, das vom Wind hin und her geworfen wurde“, klagte Hamilton.
Rennentscheidende Szene./strong>
Der Engländer konnte sich trotz massiven Problemen in Sichtweite von Vettel halten, was es Mercedes ermöglichte, auch beim zweiten Boxenstopp einen Undercut zu wagen. Der brachte Hamilton zwar nicht an Vettel vorbei, aber doch in seine Nähe. In der 38. Runde schlug der Weltmeister in Kurve 4 zu. „Ich habe extrem spät gebremst und bin von außen reingetaucht. Plötzlich war Sebastian weg. Wir haben uns nicht berührt.“
Das war im Rückblick die rennentscheidende Szene. Sie hat Hamilton das Rennen gewonnen. Vettel glaubt, dass er so oder so fällig gewesen wäre: „Ich hätte Lewis nicht aufhalten können. Hätte ich ihn da abgewehrt, wäre es in der nächsten Runde passiert.“ Hamiltons letzte Sorge waren Getriebeprobleme, die aber von den Motoren-Ingenieuren unter Kontrolle gehalten wurden. „Wir haben für weichere Schaltvorgänge die Kalibrierung des Motors verändert“, verriet Wolff.