Taktikcheck GP USA 2017

Der GP USA war das erste Rennen seit langem, bei dem die beste Taktik nicht auf der Hand lag. Von den Top 5 vertrauten nur zwei Fahrer der gleichen Strategie. Sebastian Vettel gewann zwar den Start, war aber von Runde 1 in der Defensive.
Ein oder zwei Stopps? Der Computer errechnete einen Vorteil von 8 Sekunden für zwei Stopps. Gerade so viel, dass man sich Gedanken machen musste, welche Taktik die bessere sein würde. Die Strategieprogramme gaben keine klare Antwort. In 50 Prozent der Fälle gewann ein Einstopp-Rennen, in den anderen 50 Prozent waren zwei Stopps erfolgreich. Der Regen über Nacht hatte das Einstopp-Rennen erst populär gemacht. Schmutz und wenig Gummi auf der Ideallinie reduzierten den Grip. Damit verlangsamte sich das Renntempo. Und die Reifen konnten länger leben. Das Körnen von früher gibt es nicht mehr. Das hätte Regen vor dem Rennen befeuert.
So kamen die 16 Fahrer in der Wertung mit acht unterschiedlichen Strategien ins Ziel. Favorit war ein Stopp mit der Reifen.olge Ultrasoft-soft. Hamilton, Räikkönen, Ocon, Sainz, Perez, Kvyat und Grosjean vertrauten darauf. Sie teilten sich 59 der 101 WM-Punkte. Sebastian Vettel, Max Verstappen und Valtteri Bottas tauschten jeweils zwei Mal ihre Reifen. Bei Verstappen und Vettel machte es aufgrund der Rennsituation Sinn. Für Bottas war es ein Notfall. Sein Satz Soft war am Ende, obwohl er nur 34 Runden auf der Lauffläche hatte. Es gab Fahrer mit längeren Laufzeiten. Sergio Perez zum Beispiel. Er wechselte schon in Runde 12 und hielt trotzdem durch.
Hamilton reagiert, Vettel fehlen die Daten
Doch jetzt zur Spitze. Als Vettel in Führung ging, da keimte bei Ferrari Hoffnung auf. Bis der Fahrer meldete, dass die Vorderreifen überhitzten. Ab Runde 11 zog der linke Vorderreifen Blasen. Die Mercedes-Ingenieure sind überzeugt: „Das wäre Vettel nicht passiert, wenn er einen normalen Freitag gehabt hätte.“
Das Chassisproblem am Freitag hat Vettel am Sonntag möglicherweise einen Sieg gekostet. Ferrari erfuhr nicht genug über den Reifen.bbau und den Rennspeed, um entsprechend auf die gestiegenen Temperaturen und die grüne Strecke am Sonntag zu reagieren. Kimi Räikkönen war am Freitag viel zu langsam, um aus seinen Daten etwas hochrechnen zu können. Hamilton traf die richtige Entscheidung. Der Engländer klagte auf den Runden in die Startaufstellung über Balanceprobleme. Daraufhin wurde der Frontflügel neu justiert. Diese Sicherheit fehlte Vettel. Mangels Daten.
Mercedes nahm die Führung des WM-Gegners gelassen hin, weil man schnell merkte, dass Hamilton seinem Widersacher locker folgen konnte. Das ist immer ein Indiz dafür, dass der Zweite schneller als der Erste ist. „Vettels Führung war nicht so alarmierend“, gaben die Strategen zu. „Das war eines der Rennen, wo du am Anfang gerne Zweiter bist, wenn du den Speed des Spitzenreiters halten kannst. Als Zweiter kann man die Taktik des Führenden beeinflussen. Entweder ihn zu einem frühen Boxenstopp und damit zu zwei Reifen.echseln zwingen oder ihn zu einem Einstopp-Rennen verleiten. Du musst nur dasitzen und warten. Der vorne muss irgendwann seinen Zug machen.“
Mercedes hatte sich zwei Optionen zurechtgelegt, wie Hamilton Vettel knacken sollte, wäre er nicht auf der Strecke vorbeigekommen. „Wir hatten nicht erwartet, dass Vettel so große Reifen.robleme bekommt. Als Lewis vorbei kam, war das Rennen für uns einfacher. Vettel konnte nicht mithalten. Er machte seine Vorderreifen kaputt, wir nicht. Als wir einen Vorsprung von 4,5 Sekunden hatten, war auch die unmittelbare Undercut-Gefahr gebannt.“
Vettel verheizt in drei Runden die Garnitur Soft
Es wurde dann doch noch einmal spannend. Weil Vettel in Runde 16 überraschend früh an die Box kam und Mercedes mit drei extrem schnellen Runden nach seinem Boxenstopp überraschte. Sie bestimmten Vettels weiteres Schicksal und sie waren auch ein Zeichen dafür, wie weit der Herausforderer von Hamilton schon in die Defensive gedrängt war. Zunächst einmal brachte Ferrari Hamilton so in Bedrängnis, dass der ganz von den Socken war. „Ich hatte einen komfortablen Vorsprung vor Sebastian und habe deshalb nicht gerechnet, dass er nach meinem Boxenstopp direkt hinter mir auftaucht. Plötzlich hat mich mein Team am Funk gewarnt: Du fährst gegen Vettel. Da dachte ich: Was? Vettel? Wo kommt der denn her?“
Mercedes wartete mit Hamilton bis Runde 19, um den Wechsel von Ultrasoft auf Soft zu vollziehen. Um ein Haar eine Runde zu lang, wie die Strategen erklären: „Vettels Stopp war grenzwertig für ein Einstopp-Rennen. Wenn er das durchgestanden hätte, wären die letzten Runden zäh für ihn geworden. Wir hätten uns das nicht getraut. Unsere Zielrunde war die 19. Das haben wir auch eingehalten. Wir hätten Lewis eine Runde früher reinbringen können, das wäre komfortabler gewesen. Vettel hat uns ein bisschen überrascht. Seine Runde aus der Box, also die Out-Lap, war schnell. Die erste fliegende Runde schneller und die zweite noch einmal um eine halbe Sekunde besser. Das ist ungewöhnlich. Wir hatten für Lewis ein Polster von 1,5 Sekunden errechnet. Tatsächlich saß ihm Vettel dann direkt im Heck. Es war enger, als wir es eigentlich wollten.“
Doch für die drei heißen Runden am Anfang hat Vettel später seinen Preis bezahlt. Es zwang ihn in ein Zweistopp-Rennen, als er merkte, dass Hamilton unerreichbar war und als Max Verstappen plötzlich zu einem möglichen Gegner wurde. Mercedes nimmt an, dass Ferrari und Vettel mit den aggressiven Runden zu Beginn des Stints die Führung erzwingen oder Hamilton ebenfalls zu einem frühen Boxenstopp verleiten wollten. In Runde 37 fragte Vettels erstmals nach Plan B. Eine Minute später macht Verstappen es vor. Damit waren Ferrari die Hände gebunden. Um vor Verstappen zu bleiben, musste Vettel die folgende Runde an die Box. Der Vorsprung auf den Red Bull betrug zu diesem Zeitpunkt nur noch 4,3 Sekunden. Höchste Eisenbahn also.
Der zweite Boxenstopp machte Sinn
Für Verstappen und Vettel machte der zweite Boxenstopp durchaus Sinn. Sie hatten nach hinten nichts zu verlieren, weil Esteban Ocon und sein Geleitschutz 45 Sekunden zurücklagen. Sie konnten sich ausrechnen, dass sie das Finnenpaket mit Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen nach 15 Runden wieder einholen würden. Die Lücke betrug in der 39. Runde 16,3 Sekunden. Beide konnten sich auch sicher sein, dass Mercedes mit Bottas nicht reagieren würde, weil der dann hinter den Ferrari und Red Bull gefallen wäre. Und sie wären bei einem späten Safety Car mit den frischeren Reifen vielleicht sogar gegen Hamilton die großen Sieger gewesen.
Ferrari verlor in Runde 46 noch einmal kurz die Nerven, als man ohne Not Räikkönen an die Boxen beorderte. Nur um Vettel vorbeizubringen. Das hätte man auch in der letzten Runde machen können. Räikkönen behielt den Überblick und entschied: „Meine Reifen und mein Speed sind noch gut.“ Er blieb bis zum Ende draußen. Dass ihm Verstappen noch den dritten Platz abjagen konnte, lag nicht am Reifen.erschleiß, sondern am hohen Spritverbrauch im Ferrari mit der Nummer 7. Räikkönen musste in den letzten Runden mehrmals früh vom Gas, unter anderem vor der ominösen Kurve 17, in der ihn Verstappen dann neben der Strecke überholte.
Massa hat mit Alternativ-Taktik Erfolg
Auch im Mittelfeld war die Taktik ein Thema. Force India holte Sergio Perez extrem früh an die Box. Mit einem Reifen.echsel in Runde 12 klappt ein Einstopp-Rennen normalerweise nicht. Außer Reifen.lüsterer Perez sitzt im Auto. Der frühe Stopp hatte zwei Gründe. Die Force India-Strategen hatten nach Brendon Hartleys Reifen.echsel in Runde 8 Angst, Toro Rosso könnte mit Daniil Kvyat das Gleiche machen. Perez sollte einem Undercut des Russen zuvorkommen und mit einem frühen Stopp seinerseits an Felipe Massa und Carlos Sainz vorbeigehen.
Was auch gelang. Doch Perez bezahlte später für die schnellen Runden nach dem Boxenstopp und die lange Restdistanz von 43 Runden. Sainz holte sich den Platz in Runde 33 wieder zurück. Die Reifen des Renault-Piloten waren im zweiten Stint 7 Runden frischer. Massa lief vergeblich gegen Perez an. Der Brasilianer war mit einer Alternativ-Taktik einer der schnellsten Fahrer der zweiten Rennhälfte. Massa wechselte erst in der 29.Runde von Supersoft auf Ultrasoft. Der Williams-Pilot fiel von Platz 6 auf Rang 12. Dann gab Massa Gas und überholte bis zum Schluss noch die HaasF1 von Kevin Magnussen und Romain Grosjean und den Toro Rosso von Kvyat. In Runde 30 hatte Massa 18 Sekunden Rückstand auf Ocon und sein Gefolge. Im Ziel konnte er den Sechstplatzierten sehen.