Kann Vettel endlich kontern?
Sebastian Vettel steht nach zuletzt schwachen Leistungen beim GP Singapur unter Erfolgsdruck. Allerdings geht Ferrari nicht als Favorit in das Nachtrennen. Wir haben die letzten Infos in unserer Vorschau.
Mit dem Grand Prix von Singapur beginnt für die zehn Formel-1-Teams das große Überseefinale. Sieben Rennen außerhalb des europäischen Kontinents müssen in gut zwei Monaten die Entscheidung in der Meisterschaft bringen. Die Titelfrage scheint zwar bereits geklärt, trotzdem können sich die Fans noch auf einige spannende Duelle freuen.
Zuletzt wurden die Rennsport-Freunde mehr als verwöhnt. Seit dem GP Österreich fackelte die Königsklasse ein Feuerwerk nach dem anderen ab. Sechs Rennen in Folge waren die Siegerpokale bis in die letzten Runden hart umkämpft. Die Chancen, dass es in Singapur gleich so weiter geht, stehen nicht schlecht. In den letzten Jahren produzierte die Königsklasse immer viel Drama und Spektakel unter Flutlicht.
Für zusätzliche Würze sorgen die Spannungen im Ferrari-Lager. Zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc hat sich eine offene Rivalität entwickelt. Nach zwei Siegen für den Youngster sollte der erfahrene Platzhirsch aus Heppenheim nun langsam den Konter starten, bevor ihm der Teamkollege den Rang abläuft.
Auch die Fans von Max Verstappen müssen unbedingt den Fernseher einschalten. Red Bull sollte auf dem winkligen Stadtkurs wieder deutlich stärker auftrumpfen als auf den Power-Strecken von Spa und Monza. Und vielleicht kreuzt ja zufällig auch eines der täglichen Tropen-Gewitter genau zur Rennzeit die Piste. Gestartet wird in Singapur übrigens eine Stunde früher als bei den Europarennen. Um 14.10 Uhr deutscher Zeit gehen die Lichter der Ampel aus.
Die Strecke: Marina Bay Street Circuit
Der 5,063 Kilometer lange Kurs im Stadtteil Marina Bay führt die Piloten zu 70 Prozent über öffentliche Straßen. Auch wenn jedes Jahr immer wieder einige Passagen neu asphaltiert werden, befindet sich der Griplevel stets am unteren Rand der Skala. Die regelmäßigen Regengüsse verhindern zudem, dass sich eine klebrige Gummischicht auf der Ideallinie bilden kann.
Die vielen Bodenwellen machen den Ritt durch den Leitplankendschungel für die Piloten zur Tortur. Als wären Temperaturen von über 30°C und eine Luftfeuchtigkeit auf Sauna-Niveau nicht schon anstrengend genug. Viele Stellen zum Ausruhen gibt es auf dem winkligen Stadtkurs nicht. 23 Kurven sind Rekord im Kalender. Und jeder kleine Fehler kann in der Bande enden.
Bei einer Rennzeit von fast zwei Stunden muss die Kondition passen. Sonst sinkt die Konzentration in den letzten Runden. Viele Fahrer bezeichnen den GP Singapur als das körperlich anstrengendste aller Rennen. Die Fehlerrate ist hier traditionell hoch. Weil auch das Überholen überdurchschnittlich schwierig ist, hat sich die FIA entschieden, dieses Jahr eine dritte DRS-Zone zwischen den Kurven 13 und 14 einzurichten.
Fast Facts zum GP Singapur
- Streckenlänge: 5,063 Kilometer
- Anzahl Runden: 61
- Renndistanz: 308,843
- Rundenrekord (Rennen): Lewis Hamilton, 1:45.008 Min (2017)
- Distanz von Pole Position bis T1: 301 Meter
- Längste Gerade: 832 Meter (vor T7)
- DRS Zonen: 3 (Zielgerade, T5-T7, T13-T14)
- Vollgasanteil: 49 Prozent
- Reifensorten: C3, C4 & C5
- Reifenverschleiß: gering
- Bremsenverschleiß: hoch
- Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: hoch (11 von 11 Rennen)
Das Setup
Die Stop-and-Go-Charakteristik führt in Verbindung mit den hohen Außentemperaturen zu einer hohen Bremsbelastung. Entsprechend groß müssen die Belüftungshutzen dimensioniert sein. Auch die Balance ist wichtig. Ein stabiles Auto bringt Vertrauen und Zehntel auf der Uhr. Das Fahrwerk muss weich und hoch eingestellt werden, um Bodenwellen und Kerbs abzufedern und ein Aufsetzen des Unterbodens zu verhindern. Aus den langsamen Kurven ist eine gute Traktion gefordert.
Die Einstellungen des Flügelwerks ist ebenfalls extrem. Die vielen rechtwinkligen Kurven verlangen maximalen Abtrieb. Vor allem auf der Vorderachse darf es nicht an Grip fehlen, sonst droht in den vielen rechtwinkligen Ecken nerviges Untersteuern. Obwohl es für einen Stadtkurs ungewöhnlich lange Geraden gibt, ist Top-Speed zweitrangig – ganz im Gegensatz zum vergangenen Rennen in Monza.
Reifenverschleiß ist wegen der vielen Beschleunigungsphasen und der wenigen schnellen Kurven höchstens auf der Hinterachse zu spüren. Nach Sonnenuntergang sinken die Asphalt-Temperaturen extrem ab, wodurch sich der Gummi-Abbau in Grenzen hält. Pirelli bringt die drei weichsten Mischungen im Sortiment. Wir bezweifeln allerdings, dass die Piloten am Sonntag mehr als ein Mal zum Boxenstopp abbiegen.
Die Updates:
Nach dem Mini-Flügel-Fest in Monza schrauben die Ingenieure nun wieder alles an die Autos, was Abtrieb bringt. In Singapur schwappt traditionell die letzte große Upgrade-Welle des Jahres durch die Boxengasse. Mit konkreten Ankündigungen waren die Teams zuletzt allerdings etwas sparsam. Nur Racing Point hat bereits einen umfangreichen Aerodynamik-Umbau mit neuen Flügeln angedeutet.
Die Favoriten:
Nach zwei Ferrari-Siegen sollte man meinen, dass die Scuderia endlich ihre Top-Form gefunden hat. Doch die Tifosi dürfen sich nicht blenden lassen. Spa und Monza waren vom Profil her perfekt auf den SF90H zugeschnitten. In Singapur sind andere Qualitäten gefordert. Hier dürften Mercedes und Red Bull wieder glänzen. Auch der Fahrer macht in den Kurven-Labyrinth einen Unterschied. Wir würden uns nicht wundern, wenn es am Ende wie im Vorjahr auf einen Zweikampf zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen herausläuft.
Im Mittelfeld erwarten die Fans ebenfalls harte Duelle. Auf den Power-Strecken nach der Sommerpause konnte zuletzt Renault glänzen. In Singapur müssen sich Franzosen aber auf härtere Gegenwehr der direkten Konkurrenz einstellen. Als erste Punkte-Anwärter sehen wir Racing Point und McLaren. Aber auch Toro Rosso darf man auf diesem Streckentyp nicht unterschätzen. Während Alfa Romeo – in Person von Kimi Räikkönen – wenigstens eine Außenseiter-Chance auf WM-Zähler besitzt, haben wir für Haas und Williams praktisch keine Hoffnung.
So lief das Rennen im Vorjahr – GP Singapur 2018
Vor zwölf Monaten sahen die Vorzeichen in Singapur noch umgekehrt aus. Ferrari hatte den Abtriebsvorteil und ging als Favorit in das Nachtrennen. Doch Lewis Hamilton schnappte sich mit einer Glanzrunde im Qualifying die Pole Position und ließ im Rennen anschließend nichts mehr anbrennen. Spannend wurde es nur im Kampf um Rang zwei zwischen Sebastian Vettel und Max Verstappen.
Mit einem guten Start konnte der Heppenheimer zunächst am Red Bull mit der Startnummer 33 vorbeiziehen. Doch ein Fehler bei der Ferrari-Taktik brachte Verstappen die Chance zum Overcut. Vettel, der im Verkehr stecken blieb, hatte am Ende keine Chance und musste sich mit Rang drei zufrieden geben. Hinter Hamilton, Verstappen und Vettel verpassten die beiden Finnen Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen knapp das Podium.
Im Mittelfeld sorgte Sergio Perez für Action. Am Start hatte der Force-India-Pilot Teamkollege Esteban Ocon in die Mauer gedrängt, wodurch das Safety-Car auch im elften Singapur-Rennen in Folge ausrücken musste. Später ließ sich der Mexikaner nach zahlreichen erfolglosen Attacken zu einem Foul gegen Sergey Sirotkin hinreißen, wobei er sich einen Plattfuß einhandelte und noch eine Durchfahrtsstrafe kassierte.
In unserer Galerie haben wir noch einmal die Bilder des Singapur-Spektakels 2018.