Weiter Verdachtsmomente zu Batterie-Mogelei
Ferrari steht im Verdacht, beim Antrieb in Grauzonen zu wildern oder sogar einen Schritt weiter gegangen zu sein. Ein Trick im Bereich der Batterie soll kurzfristig 20 PS extra bringen. Die Konkurrenz fordert bis zum GP Monaco Klarheit. Sonst droht sie mit einem Protest.
Ferrari entwickelt am Limit und bewegt sich in den Grauzonen des Reglements. Manchmal sogar darüber, unterstellen die Gegner. Die FIA hat in den letzten zwei Wochen mehrere Punkte am Auto beanstandet, die nicht den Regeln entsprechen oder technische Direktiven zu großzügig interpretieren. So musste Ferrari am vorderen Ende des Unterbodens überstehende vertikale Strömungsausrichter abschneiden. Das Kundenteam HaasF1 auch, was bei der Konkurrenz wieder den Verdacht aufkommen ließ, Ferrari und HaasF1 arbeiten in der Aerodynamik enger zusammen als erlaubt.
Ferraris neuer Rückspiegel mit einem Winglet obendrauf hat nur den GP Spanien überlebt. Die FIA interpretiert die Anordnung als Flügel mit Spiegel und nicht als Spiegel mit Flügel. Ferrari hat vergeblich damit argumentiert, dass der über dem Spiegel liegende Flügel als zusätzliche Befestigung des Spiegels dient. FIA-Rennleiter Charlie Whiting kündigte an, dass allen Teams in der Woche nach dem GP Spanien eine entsprechende Direktive zugeht.
Holt Ferrari 15 Kilowatt extra aus der Batterie?
Viel ernster ist der Verdacht, Ferrari könnte im Bereich des Antriebs jenseits des Erlaubten tricksen. Da ist von einem separaten Ölkreislauf für den Turbolader die Rede. Das dort verbrauchte Öl soll nicht zu den 0,6 Litern pro 100 Kilometer zählen, weil der Turbolader kein Motor ist. In diesem Fall könnte man von einer Grauzone oder Spitzfindigkeit bei der Definition sprechen. Hier kommt es wie in der Spiegelaffäre darauf an, wie die FIA das Reglement interpretiert. Weil es dann Mercedes, Renault und Honda genauso machen würden. Sämtliche Untersuchungen bei Ferrari in Bezug auf den Ölverbrauch liefen allerdings bislang ins Leere. Die FIA entdeckte weder einen zweiten Ölkreislauf, noch Unregelmäßigkeit beim Ölkonsum.
Viel komplizierter sind Verdachtsmomente, dass Ferrari beim Energiemanagement mogeln könnte. Demnach sollen aus der Batterie mehr als die erlaubten vier Megajoule Energie pro Runde in das System eingespeist werden. Das soll über eine Umgehung des Messsensors, eine Manipulation des elektrischen Widerstandes in den Leitungen und zwei Ausgänge aus der Batterie bewerkstelligt werden. Wäre dies der Fall, würde das nach Meinung von Experten in den Qualifikationsrunden kurzfristig 20 PS mehr bringen. Erlaubt ist eine Abgabe von maximal 120 Kilowatt (163 PS) aus dem Energiespeicher.
Ferrari-Gegner wollen Klarheit bis Monaco
Die mutmaßliche Trickserei ist so kompliziert, dass sich die FIA-Techniker schwer tun, sie zu verstehen. Womit es auch schwierig wird, ein Vergehen nachzuweisen. Nach Kontrollen in Baku wurde ein Report erstellt, der vorerst noch geheim ist. Stichproben in Barcelona ergaben nichts Auffälliges.Kann Ferrari zwischen Baku und Barcelona etwas verändert haben? Eher unwahrscheinlich. Die komplette Leistungselektronik ist versiegelt. In Sebastian Vettels Auto ist zwar bereits die zweite Einheit eingebaut, doch das passierte bereits in Bahrain.
Verdächtig ist allerdings, dass Ferrari zuletzt allen Regeländerungen zugestimmt hat, die der Weltverband durchdrücken will. Alles nur Zufall oder vorauseilender Gehorsam? Egal ob es um die Aerodynamikregeln für 2019 oder den Wegfall der MGU-H bei den Motoren für 2021 geht: In beiden Fällen stellt sich Ferrari überraschenderweise gegen eigene Interessen und tut FIA und F1-Management einen Gefallen. „Zum Wohle des Sports und der Show“, heißt es aus Maranello. Die Gegner fürchten, dass sich Ferrari damit einen Freispruch kaufen könnte. Sind das nur die üblichen Verschwörungstheorien oder tut man alles, einen Skandal zu verhindern?
Mercedes pocht auf voller Aufklärung und richtete FIA-Präsident Jean Todt in Barcelona aus, dass man schnelle Antworten für alle ungeklärten Fragen erwartet. „Es kann nicht sein, dass so lange über Grauzonen diskutiert wird“, poltert Niki Lauda. „Jedes Rennen, bei dem nichts passiert, kann ein verlorenes Rennen sein. Die FIA muss diese offenen Fragen bis zum Rennen in Monte Carlo klären.“ Wenn nichts passiert, droht ein Protest. Mercedes wird sich die Finger nicht selbst schmutzig machen. Wir tippen darauf, dass eines der Kundenteams den Protest lostritt. Weil Force India und Williams Angst haben müssen, dass in den Antriebseinheiten von HaasF1 und Sauber das gleiche passiert.