Autobauer müssen mindestens bis Juni warten
Um den Automarkt nach dem Corona-Shutdown anzukurbeln, fordern drei Bundesländer neue Autokauf-Prämien. Bei einem Autogipfel im Kanzleramt verhandelte die Bundeskanzlerin darüber mit den Autobossen – und ließ diese erst einmal ernüchtert zurück.
Es gab in den vergangenen Monaten einige Autogipfel im Kanzleramt. Dabei ging es um die Folgen des Dieselskandals oder Möglichkeiten zur Förderung umweltfreundlicher (Elektro-)Mobilität. Am Dienstag (5. Mai 2020) fand erneut ein Autogipfel mit Angela Merkel statt. Diesmal telefonisch und aus einem anderen Grund: Die Kanzlerin diskutierte mit den Autobossen, wie der Industrie nach dem wochenlangen Corona-Shutdown unter die Arme gegriffen werden kann.
Keine Beschlüsse beim Autogipfel
Allzu glücklich dürften die Industrievertreter über den Ausgang der Gespräche jedoch nicht gewesen sein. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, wurden bei der Telefonkonferenz keine Beschlüsse gefasst. Stattdessen sollen sich deren Teilnehmer in den kommenden Wochen weiter über "konjunkturbelebende Maßnahmen" austauschen, die einen "Modernisierungsbeitrag in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien" darstellten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte grundsätzlich ein Konjunkturpaket angekündigt, dass die Große Koalition Ende Mai oder Anfang Juni auflegen wolle. In welcher Form die Autoindustrie davon profitieren könnte, werden die nächsten Wochen zeigen.
Aus Sicht der Industrie ist Eile geboten. "Wir brauchen Ende Mai, Anfang Juni die Entscheidungen und Umsetzungen", sagt die neue Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, nach dem Gespräch. Vor allem viele kleine und mittelständische Unternehmen der Automobilindustrie befänden sich in einer prekären Lage aufgrund der aktuellen Krise und brauchten bald positive Signale. Merkel will aber offensichtlich erst einmal konkrete Antworten auf die Frage haben, wie sich die geforderte Kaufprämie mit dem Klimaschutz vereinbaren lässt.
Ministerpräsidenten unterstützen Kaufprämien
Die Manager aus der Autoindustrie waren in der jüngeren Vergangenheit immer wieder mit Forderungen nach Kaufanreizen vorgeprescht. Herbert Diess, der Vorstandvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, und seine Kollegen von BMW und Daimler, Oliver Zipse sowie Ola Källenius, hatten dies mehrfach öffentlich gefordert. Die Hersteller haben selbstverständlich den VDA auf ihrer Seite. Aber auch aus der Politik kommt Unterstützung: Mit Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD) haben die Ministerpräsidenten der drei "Auto-Länder" Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen den Autobossen bereits den Rücken gestärkt.
Das Trio hat, obwohl völlig verschiedenen politischen Lagern angehörig, sogar einen gemeinsamen Forderungskatalog aufgestellt. Demnach soll jeder, der ein älteres Auto abgibt, das lediglich die Abgasnorm Euro 3 oder 4 erfüllt, eine Recycling-Prämie von 1.000 Euro erhalten. Wer einen Neuwagen mit Verbrennungsmotor kauft, der mindestens der Schadstoffklasse Euro 6d-TEMP angehört, soll einen Zuschuss von 3.000 Euro erhalten. Beim Erwerb eines Modells mit Elektro-, Brennstoffzellen- oder Plugin-Hybridantrieb sollen 4.000 Euro zusätzlich fließen.
Klimaschutz-Komponente soll enthalten sein
Addiert man dies mit den bereits existierenden Förderungen für elektrifizierte Autos, landet man bei Prämien von bis zu 10.000 Euro. Exakt diese Summe hatte Söder bereits vor einigen Wochen als "Innovationsprämie", die bis zum Jahresende als Kaufanreiz ausgeschüttet werden soll, ins Spiel gebracht. Generell soll das Thema Klimaschutz bei der Förderung von Neuwagenkäufen weiter im Auge behalten werden, da sind sich die Ministerpräsidenten einig. Für Kretschmann schließt dies explizit auch modernste Diesel mit ein.
Verpufft sind vor diesem Hintergrund die Forderungen anderer Politiker, temporär die Strafzahlungen an die EU bei Überschreitung der Kohlendioxid-Flottengrenzwerte auszusetzen. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) und Teile der FDP hatten diese Möglichkeit ins Spiel gebracht. Stattdessen bekannte sich Merkel kürzlich zu den Klimazielen der EU und brachte sogar deren Verschärfung ins Spiel.
Sind Kaufprämien ein sinnvoller Weg?
Dass die Ministerpräsidenten so vehement für Kaufanreize eintreten, liegt auf der Hand. In ihren Bundesländern befinden sich die Hauptquartiere von Volkswagen, Audi, BMW, Daimler und Porsche; hier betreiben die Hersteller ihre wichtigsten Werke und Verwaltungen. Es geht also um hunderttausende Arbeitsplätze, von denen nach dem weitgehenden Zusammenbruch des internationalen Automarktes durch die Corona-Pandemie ein Großteil auf dem Spiel steht.
Es gibt aber auch laute Kritik an den Kaufanreiz-Plänen. Vor allem von Umweltverbänden, die fürchten, dass die zarten klimapolitischen Fortschritte der letzten Zeit nun konterkariert werden könnten. Wirtschaftsexperten zweifeln daran, ob staatliche Zuschüsse die Auto-Nachfrage überhaupt langfristig steigern würden – oder Kunden einen sowieso geplanten Kauf einfach vorziehen, um zusätzlich von der Prämie zu profitieren. Händlerverbände fordern zudem, Prämien nicht nur für Neu-, sondern auch für Gebrauchtwagen auszuloben. Für diese würde sonst die Nachfrage einbrechen, was zu einem Preissturz führen könne.
Zuwendungen trotz Milliarden-Gewinnen?
Zudem hat die Kaufprämien-Forderung eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Viele stellen sich die Frage, warum einer Industrie Milliarden Euro an Steuergeld geschenkt wird, die für das vergangene Jahr teils Rekordgewinne verbuchte. Vor allem Diess rief bei vielen Menschen Unverständnis hervor, als er in den "Tagesthemen" die Kürzung von Manager-Boni und Dividenden für die Aktionäre lediglich als "letztes Mittel" bezeichnete, im selben Interview aber staatliche Prämien beim Autokauf forderte.