Porsche Taycan 4S (2020)
Das Einstiegsmodell des Elektro-Porsche hat wahlweise 530 oder 571 PS und in der Basis eine kleinere, aber auch leichtere Batterie. Wie der Taycan ohne Turbo fährt.
Bei Sportwagen gilt der Antrieb als charakterbildend, ja identitätsstiftend. Zur Geschichte des Verbrennungsmotors hat Porsche legendäre Motoren beigetragen, allen voran den Sechszylinder-Boxer im 911. Als ihn 1976 erstmals ein Abgasturbolader auf 260 PS brachte, wurde selbst dieses Detail der Maschine legendär. Die Bezeichnung verselbständigte sich, „turbo“ steht nicht nur wegen aber besonders bei Porsche für Leistung und Geschwindigkeit, differenziert besonders starke Modelle mit Abgasaufladung von weniger kräftigen mit Abgasaufladung (im aktuellen 911) und sogar den stärksten Taycan vom neuen Einstiegsmodell 4S, genauer gesagt den zwei neuen Einstiegsmodellen. Denn den 4S gibt es mit 79,2 kWh-Batterie oder mit der 93,4 kWh-Batterie aus den Turbo-Modellen.
Wo geht’s den hier zum Hubraum.
Womit man zu den technischen Merkmalen gelangt, die beim Elektroauto den (Leistungs-)Unterschied machen. Taycan Turbo und Turbo S haben an der Hinterachse einen acht Zentimeter längeren (22 Zentimeter statt 13 Zentimeter beim 4S) und damit stärkeren Elektromotor (bis 761 PS). Der holt die Mehrleistung also quasi aus mehr Hubraum. Der Turbo S hat noch dazu einen stärkeren Pulswechselrichter. Der verträgt mehr Stromstärke, kann ein entsprechend stärkeres Magnetfeld im Stator des E-Motors rotieren lassen und den dadurch kräftiger in Bewegung setzen – vergleichbar mit einem Abgasturbolader beim Verbrenner, der mehr Luft in gleicher Zeit in den Ansaugtrakt pumpt.
Die Vergleiche mit der Verbrennertechnik hinken naturgemäß, besonders bei der Batterie, die als Energiespeicher zwar so was wie der Tank ist, aber auch Einfluss auf die Leistung hat: Weniger Zellen bedeuten bei gleicher Zellspannung weniger Spannung für den gesamten Akku und bei nicht steigerbarer Stromstärke weniger Leistung. Denn beim Elektroantrieb ergibt sich die aus dem Produkt von Spannung mal Stromstärke. Im Taycan 4S bedeutet das für den 79,2-kWh-Akku (Performance Batterie) einen Spannungsbereich von circa 520 bis 720 Volt und eine maximale Leistung (Overboost mit Launchcontrol) von 530 PS, der 93,4-kWh-Speicher (Performance Batterie Plus) arbeitet in einem Spannungsbereich von 610 bis 835 Volt und gibt maximal 571 PS ab – eine Zahl, die nicht viele Verbrenner erreichen, ein (erheblich leichterer) 911 Turbo schon mal nicht.
Und wie fährt der Einstiegs-E-Porsche?
Auch wenn der Taycan größer und viel schwerer ist als der 911: Sobald man im Elektro-Porsche sitzt, ist viel von der DNA des Kernmodell zu spüren. Das fängt bei offensichtlichen Ähnlichkeiten an: Links gibt’s zwar kein Zündschloss, aber einen Startknopf (Der Fahrer muss ihn nicht betätigen – Bremse treten und Fahrtrichtungswählhebel auf D reicht zum Losfahren, wenn der Schlüssel im Auto ist). Die Instrumente vor dem Lenkrad sind zwar voll digital, aber Form und Layout sind denen des 911 nachempfunden. Der Blick durch die Windschutzscheibe trifft auf gewölbte Radhäuser die eine stark fallende Haube einfassen. Aber am meisten zu Hause fühlt sich der Taycan-Fahrer dank der Sitzposition: Angenehm tief, voll integriert ins Auto, ergonomisch perfekt anpassbar.
Porsche gibt für die Turbo-Modelle 2,8 bzw. 3,2 Sekunden Beschleunigungszeit an, für beide 4S-Varianten 4,0 Sekunden. Klingt nach großem Unterschied, fühlt sich aber nicht so an: Das Beschleunigungs-Erlebnis im Taycan 4S (im Testwagen war die größere Batterie verbaut) ist kaum minder atemberaubend, vielleicht gerade so, dass es nicht, wie im Turbo S, beängstigend ist. Kraft ist immer genug vorhanden, aber sie wirkt beherrschbar. Vielleicht auch, weil der Widerstand am Fahrpedal etwas höher ist, als bei manchem Verbrenner.
Batterie als „Druck-Mittel“
Wir konnten die kleinere Batterie nicht ausprobieren, aber angesichts der Leistungsdaten dürfte der Unterschied überschaubar sein. Nominell ist der 4S mit der stärkeren, aber auch 76 Kilogramm schwereren (Performance-Plus-)-Batterie erst beim Sprint aus dem Stand auf 200 km/h minimal schneller. Bei der Reichweite ist der Unterschied überschau- aber nicht vernachlässigbar, obwohl die Version mit der kleineren Batterie im Zyklus (nach WLTP ermittelt, auf NEFZ zurückgerechnet) etwas weniger verbraucht (24,6 kWh/100 km statt 25,6 kWh/100 km). So soll der 4S mit dem kleineren Akku 407 Kilometer weit kommen, mit dem größeren 463 Kilometer (jeweils nach WLTP ohne Zurückrechnen).
Apropos schwerere Batterie: Beim Testwagen fielen die gut 2,3 Tonnen nicht negativ, sondern eher positiv auf – den Viertürer scheint es auf die Straße zu drücken wie die Kinderhand das Matchbox-Auto: Das hohe Gewicht der Batterie im Fahrzeugboden führt nämlich beim Elektro-Porsche dazu, dass der Schwerpunkt zwei Zentimeter tiefer liegt als beim 911. Gefühlt fährt der Taycan dadurch nicht nur elektrisch, sondern auch wie auf Schienen. Dank des tiefen Schwerpunkts und der (optionalen) elektromechanischen Wankstabilisierung, ist Seitenneigung kein Thema. Mit diesem Viertürer fühlt man sich unterwegs in den Bergen wie auf Carving-Skien. Das schöne am E-Porsche: Das Kurven-Gefühl gibt’s auch bergauf, Leistung ist immer vorhanden.
Schneller, lauter, härter
Sie kommt direkt und ansatzlos, nachdrücklich, aber nicht giftig. Bewegungen des rechten Pedals beantwortet der 4S unabhängig von der anliegenden Geschwindigkeit immer mit gummibandartigem Schub. Na gut, jenseits von 250 km/h ist beim 4S laut Herstellerangabe Schluss (Turbo S: 260 km/h). Wem die dezente Geräuschkulisse dabei zu langweilig wird, der wählt bei den Fahrmodi Sport Plus. Das aktiviert den „Electric Sport Sound“ (geht auch direkt im Menü des Infotainmentsystems und entsprechenden Shortcut auf den so genannten Joker-Tasten). Das klingt dann ein bisschen so wie bei Anakins Rod Race in Star Wars und animiert zu engagierterer Fahrweise. Wer dabei das Leistungspotenzial oft ausschöpft, lernt eine Gemeinsamkeit von E-Autos und Verbrennern kennen: Der tatsächliche Verbrauch hat dann nichts mehr mit den Normangaben zu tun. 100 Prozent mehr? Kann passieren. Dürfte dann aber auch der Worst Case sein. 50 kWh/100 Kilometer erscheinen nicht über längere Zeit auf dem Display – weil es selten Strecken gibt, auf denen Du so schnell fahren kannst. Nächtliche Autobahnen mal ausgenommen. Dann schrumpft die Reichweite gen 200 Kilometer.
Das geschwindigkeitsabhängige durchaus sportliche Geräusch vermittelt aber auch mehr Gefühl für die gefahrene Geschwindigkeit und warnt den Fahrer vor Übermut. Fußgänger warnt das gesetzlich vorgeschriebene Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS) schon bei geringsten Geschwindigkeiten. Porsche blendet es bis etwa 50 km/h aus bzw. überblendet es in den Electric Sport Sound, wenn dieser aktiviert ist. Tatsächlich fällt dem Fahrer der Übergang kaum auf, obwohl der Taycan in der Stadt wenig sportlich klingt.
Brav in der Stadt
Dort federt er übrigens sehr manierlich. Nur das Ansprechverhalten der Luftfederung ist auf ganz kurzen Unebenheiten ist nicht perfekt. Zusammen mit dem niedrigen Geräuschniveau wirkt der Taycan innerorts recht komfortabel, zumal ihm Geruckel seitens der Kraftübertragung genauso fremd ist wie Gehuste aus der Auspuffanlage eines Hochleistungs-Verbrennungsmotors. Das fällt vor allem auf, wenn Du an einer Ampel stehst. Was dann ausfällt: Dem Nebenmann per brüllendem Gasstoß den Fehdehandschuh hinwerfen zum Beschleunigungsduell. Das gewinnst Du im Taycan dafür fast immer – es sei denn, auf der Nachbarspur sitzt jemand in einem stärkeren E-Auto – vielleicht in einem Taycan Turbo S? Der hat mehr Hubraum.