Krebserregende Schadstoffe im VW Grand California?
Ein Fernseh-Bericht des ZDF macht erhöhte Schadstoffwerte im VW Grand California deutlich. Was bedeutet das für Besitzer? Und folgen jetzt rechtliche Schritte gegen Volkswagen?
Das ZDF-Magazin Frontal hat einen internen Bericht von Volkswagen aus dem Jahr 2022 aufgedeckt, in dem von höheren Schadstoffbelastungen beim VW Grand California die Rede ist. Die Werte liegen deutlich über den empfohlenen Gefahren-Grenzwerten des Umweltbundesamts.
Insbesondere leichtflüchtige Verbindungen wie Benzol und Formaldehyd sollen laut der Berichterstattung in Konzentrationen aufgetreten sein, die gesundheitlich bedenklich erscheinen könnten. Diese Erkenntnisse führen zu Diskussionen über potenzielle Risiken für Nutzer sowie über die Verantwortung des Herstellers.
Hersteller verweist auf Einhaltung bestehender Richtwerte
Volkswagen wies die Vorwürfe zurück und erklärte in einer Stellungnahme, dass sämtliche gemessenen Werte unterhalb der derzeit gültigen Schwellen für unbedenkliche Emissionen liegen würden. Die gemessenen Substanzen stammten aus typischen Materialien im Fahrzeugbau und würden mit der Zeit von selbst abnehmen, da es sich um flüchtige Stoffe handle. Eine Gesundheitsgefährdung sei aus Sicht des Konzerns nicht gegeben. "Da es sich um flüchtige Substanzen aus Kunststoffen handelt, ist deren Konzentration stetig abnehmend", erklärte VW-Nutzfahrzeuge auf Anfrage gegenüber dem ZDF.
Frühzeitige Kenntnis und Maßnahmen seit 2022
Nach Angaben des Berichts seien interne Untersuchungen bereits zum Verkaufsstart des betroffenen Fahrzeugs im Jahr 2019 durchgeführt worden. Im Jahr 2022 habe der Hersteller eine Maßnahme umgesetzt, bei der ein Bauteil im Dachbereich mit einer zusätzlichen Beschichtung versehen wurde, um Emissionen zu reduzieren. Für bereits ausgelieferte Fahrzeuge älteren Baujahrs blieb es hingegen bei einem Nutzungshinweis. Darin wird den Haltern empfohlen, bei starkem Geruch das Fahrzeug zu lüften und es zwischenzeitlich zu verlassen. Rückmeldungen von Nutzern deuten darauf hin, dass die geschilderten Symptome wie Kopfschmerzen oder Unwohlsein in Einzelfällen tatsächlich aufgetreten sein könnten.
Juristische Aufarbeitung bereits im Gange
Parallel zu den Medienberichten läuft ein Verfahren vor dem Amtsgericht Braunschweig. Dort geht es um Aussagen zweier früherer Führungskräfte des Unternehmens, die auf interne Hinweise zu gesundheitsschädlichen Emissionen in bestimmten Fahrzeugmodellen aufmerksam gemacht haben wollen. Laut Frontal sollen in firmeninternen Testdokumenten Emissionswerte dokumentiert worden sein, die deutlich über den vom Umweltbundesamt empfohlenen Orientierungswerten liegen. So wurde Benzol in einer Konzentration gemessen, die das empfohlene Maß um ein Vielfaches überstieg. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass solche Überschreitungen möglicherweise ein Gesundheitsrisiko für Fahrzeuginsassen darstellen könnten.
Ein Verstoß gegen Gesetze ist Volkswagen vermutlich nicht nachzuweisen. Für Innenräume von Fahrzeugen gibt es nur relativ wenig festgelegte gesetzliche Grenzwerte. Einzige Orientierung sind die Gefahrenwerte des staatlichen Umweltbundesamts, die von Gutachtern und Gerichten aber oft zitiert werden. Im internen Prüfbericht von VW sind laut Frontal Schadstoffwerte aufgeführt, die deutlich darüber liegen – bei Benzol um das 35-fache, bei Styrol um das 15-fache. Im Prüfbericht wird davon ausgegangen, dass die Überschreitungen "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" zu gesundheitlichen Gefährdungen der Insassen führen könnten.
Rechtliche Bewertung durch Verbraucherkanzlei
Genau deshalb sehen Juristen Verstöße gegen geltendes Recht. Die Anwaltskanzlei Stoll & Sauer verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass eine Überschreitung der Emissionswerte nicht mit den deutschen Rechten zum Verbraucherschutz und zur Produktsicherheit vereinbar sei. Betroffene könnten rechtliche Schritte einleiten. Zudem könnten Käufer des VW Grand California unter Umständen Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Kanzlei bewertet das Verhalten des VW-Konzerns in ihrer Mitteilung aus mehreren Punkten als rechtswidrig:
- "434 BGB (Sachmangel): Der Camper ist mangelhaft – er ist potenziell gesundheitsschädlich.""826 BGB (Deliktische Haftung): VW hat die Gesundheit von Nutzern gefährdet, obwohl das Problem intern bekannt war. Die Fahrzeuge wurden dennoch ausgeliefert – eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung erscheint möglich.""Produktsicherheitsgesetz (§§ 3, 6 ProdSG): VW durfte kein Produkt auf den Markt bringen, das die Sicherheit von Personen gefährdet.""EU-Normen und REACH-Verordnung: Die verwendeten Materialien könnten gegen europäische Vorgaben zur Produktsicherheit und Chemikalienverordnung verstoßen."
Besitzer des genannten Fahrzeugs sollten sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen. Sofern sich die Vorwürfe bestätigen, könnten sowohl Ansprüche auf Nachbesserung als auch auf Schadensersatz bestehen.
Ist Neuwagen-Geruch schädlich?
"Neuwagengeruch" ist für viele Menschen angenehm – aber das liegt weniger daran, dass er gesund ist, sondern eher an psychologischen und sensorischen Faktoren. Grundsätzlich riechen Neuwagen stärker als ältere, weil die Ausdunstungen von Kunststoffen, Leder oder Kleber noch sehr stark sind.
Der typische Neuwagengeruch entsteht durch eine Mischung aus flüchtigen organischen Verbindungen (englisch: VOCs – Volatile Organic Compounds), die aus Materialien wie:
- Kunststoffen,
- Klebstoffen,
- Schäumen,
- Lederersatzstoffen,
- Lacken und Dichtmitteln
ausdünsten, sobald das Fahrzeug neu ist oder aufgeheizt wird. Dieser Prozess wird als "Off-Gassing" bezeichnet.
Kurzfristig stellt die Konzentration der Geruchsstoffe im Fahrzeuginnenraum in der Regel kein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar. Allerdings können empfindliche Personen oder Menschen, die längere Zeit hohen Belastungen ausgesetzt sind, durchaus Symptome entwickeln – dazu zählen unter anderem Kopfschmerzen, Übelkeit, Reizungen an Augen, Nase oder Rachen sowie Schwindelgefühle. Die langfristige Gefährdung hängt stark von der Art und der Konzentration der ausdünstenden Substanzen ab. Besonders problematisch sind dabei Stoffe wie Formaldehyd, das als reizend und krebserregend gilt, sowie Benzol, das ebenfalls als krebserzeugend eingestuft ist – selbst in sehr geringen Mengen.Weitere häufig vorkommende Verbindungen wie Styrol, Toluol und Xylol gelten als potenziell neurotoxisch, wenn sie in höheren Konzentrationen auftreten. Obwohl moderne Fahrzeuge in der Regel so konstruiert sind, dass gesetzliche Richtwerte eingehalten werden, zeigen verschiedene unabhängige Untersuchungen und Medienberichte, dass diese Werte mitunter überschritten werden – insbesondere bei starker Sonneneinstrahlung oder unzureichender Belüftung des Fahrzeuginnenraums.