Techno Classica 2006
Die Oldtimer-Schau der Superlative gab 2006 Vollgas: 150.700 Besucher, 2.200 Klassiker im Wert von 200 Millionen bei 1.087 Ausstellern auf 110.000 Quadratmetern, Uhrenbörse inklusive.
Zwei Mal nahm sich Rolf Zacher Zeit für uns. Zeit für einen spontanen Messerundgang am Eröffnungstag der Techno Classica. Der Strom des Zufalls spült ihn vors Objektiv von Fotograf Hardy Mutschler. Schauspieler wittern so etwas, Blitzlicht zieht sie magisch an. Wir treffen ihn in Halle 6 als er sich gerade von einem zweifarbigen Opel Kapitän Hebmüller Cabriolet abwendet, das er zusammen mit Opels Classic-Master Heinz Zettl lange auf sich wirken ließ.
"Wunderschön, guckt euch diese geile Form an! Ihr wißt ja, ich bin Opel-Fan mit Leib und Seele", erklärt Zacher nicht ohne Pathos und gibt sich im wirklichen Leben viel offener und freundlicher als im Film. Dort mimt er gerne Schurken, Ganoven und andere zwielichtige Gestalten – unberechenbar, kalt und stets ein bisschen zynisch. Zacher, so wie Zocker oder Zuhälter, eben der abgebrühte Typ mit dem näselnden, gelangweilten Timbre in der Stimme. Jetzt, wo wir ihn Rolf nennen, würden wir von ihm sogar einen Gebrauchtwagen kaufen. Zacher steht auf Opel und auf alte Amerikaner. 168 Autos hat er bisher besessen, im Alltag fährt er Opel Signum. Heinz Zettl sieht sich nach einem Kapitän PL für ihn um: "Mein absoluter Traumwagen, Chrom bis zum Abwinken, Panoramascheibe, ich brauch' unbedingt so eine Karre", schwärmt Rolf.
Auf unseren Rundgang blickt er sich immer wieder um, schaut durch seine orangefarbenen Brillengläser auch den schönen Töchtern anderer Mütter nach. Dem Jaguar XK 140 mit seinen ausgeprägten Rundungen, dem Maserati Sebring mit seiner autoritären Strenge in der Linienführung und dem Adler Autobahn Kurier. Von dieser Rarität stehen sogar zwei auf der Messe: "Mensch, der ist ja wie aus einer anderen Welt – Stromform, böser Blick, wie ein riesiges Insekt."
Autonarr Zacher genießt die 18. Techno Classica, sie ist für ihn eine Premiere. Nicht nur er fühlt sich wie ein Kind im Spielzeugladen. Ein Fest für die Sinne strömt auf uns alle ein. Erst auf dem Opel-Stand in Halle 3 trennen wir uns. Vorher gibt es noch ein Abschiedsfoto von Rolf mit der imposanten Opel-GT-Parade im Hintergrund. Opel meldet sich mit Macht zurück: auf der Techno Classica, auf dem zweiten Platz der Zulassungsstatistik – und mit dem neuen GT in unseren Herzen. Die Alten, aufregend sexy, bunt und rund, sind Ikonen der Siebziger. Nur Fliegen ist schöner – das war einst Slogan, den eine ganze Generation nie wieder vergisst.
So, wie diese 18. Techno Classica, die sich wieder einmal selbst übertrifft, das spüren diesmal sogar verwöhnte Stammgäste. Sie zeigt das ganze Spektrum des klassischen Automobils, ob Old- oder Youngtimer, mit all seinen Extremen. Autos zum Preis von 3200 Euro, wie der sehr gut erhaltene Mercedes 220/8 vom Schnäppchenmarkt im Freien, bis zur Pretiose für 2,8 Millionen Euro. So viel kostet der zweifarbige Horch 855 Spezial Roadster auf dem Stand von Mirbach Nord in Halle 10.
Noch höher notiert der Ferrari 250 SWB Bread Van auf dem Stand von Klaus Werner in Halle eins. Aber der Gentleman-Händler aus Wuppertal genießt das faszinierende Einzelstück, eine Art Shooting Brake für die Rennstrecke, und schweigt. Drei bis fünf Millionen Dollar raunen sich Kenner hinter vorgehaltener Hand zu. Giotto Bizzarini sorgte für die aerodynamische Optimierung von Chassis-Nummer 2819 GT mit dem Kamm-Heck. 1962 nannten sie ihn in Le Mans fast zärtlich „La Camionette“.
Der Ferrari wird schon als Favorit gehandelt, doch die Jury entscheidet sich anders. Der wunderschöne Delage D8 105 Sport von 1935 auf dem Stand von Christoph Grohe in Halle 6 wird Best of Show. Grohe, der Connaisseur vom Genfer See (Fine Classic Cars), hat wieder ein prachtvolles Stück an Land gezogen, dessen Beschreibung schon auf der Zunge zergeht: Coach Aerodynamique auf Sport Chassis, 4,3-Liter-Reihenachtzylinder mit 102 PS.
Hochkarätige Klassiker für betuchte Sammler in aller Welt sind eine traditionelle Domäne der Techno Classica. Wer zählt die Bentley Blower, die Mercedes-Benz 500 und 540 K, auch die Spezial Roadster, die Horch 853 und die Rolls-Royce Phantom? Kienle Automobiltechnik glänzt mit einem schwarzen Diamant. Rudolf Caracciola fuhr den Mercedes 380 K Roadster 1934 im Alltag, aber er war ihm mit seinen 80 PS (120 mit Kompressor) zu schwach. Sogar historische Rennwagen stehen in Essen zum Verkauf – wie etwa der Maserati 4 CL von 1946 auf dem Stand von Lucas Hüni oder der Porsche 908/3 bei Blue Square in Halle 3, die mit einem kompletten Stuttgarter Rennstall aufwarten.
Stefan Eck vom Veranstalter S.I.H.A. Ausstellungen Promotion GmbH in Herzogenrath bei Aachen schätzt den Wert aller angebotenen Automobile auf etwa 200 Millionen Euro, die unverkäuflichen Exponate aus den Museen der großen Automobilhersteller Mercedes-Benz, Audi, BMW, Opel und den diesjährigen Novizen Alfa Romeo und Ferrari nicht mitgerechnet.
Die Mailänder geben in Halle 4 eine gelungene Premiere auf großer Bühne. Die faszinierende Geschichte dieser leidenschaftlichen und technikverliebten italienischen Marke illustrieren neben dem Alfa 1900 Touring Coupé von 1955 und dem rassigen Zagato RZ-Roadster aus den Achtzigern vor allem der sensationelle 8C 2900 Speciale Le Mans, ebenfalls mit aufregend geformter Touring-Karosserie. Andere Juwelen von Alfa Romeo finden wir unterwegs bei den Händlern. E. Thiesen zeigt in Halle 10 einen 6C 2500 SS Corsa Spider. Movendi, glücklich zurückgekehrt in Halle 6, präsentiert im marmornen Torbogen ein 6c 2500 SS Mille Miglia Coupé von 1950, und der Alfa Club in Halle 4 kümmert sich um die populären Klassiker der Marke.
Die Techno Classica ist auch eine Messe der Kontraste. Als liebenswerte Antithese zur perfekt restaurierten und möglichst aus Neuteilen aufgebauten goldenen Pagode, die das Mercedes-Benz Classic Center sehr selbstbewusst mit 155‑000 Euro auszeichnet, fällt gleich nebenan in Halle 2 ein Gutbrod Atlas 800 ins Auge. Das erbsensuppengrüne, verhärmte Lieferwägelchen wurde einst mit billigsten Mitteln in ein Wohnmobil umgewandelt. Auf dem Stand der Techno Classica.Akademie weckt es spontan Mitleid, weil es die Spuren eines harten Auto-Lebens zeigt. Patina als wissenschaftliche Studie der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – restauriert wurde nur das Nötigste, Erhaltung und Erforschung des alten Materials hatten Vorrang. Ein Projekt, das zum Nachdenken anregt und Vorbild sein kann.
Die Techno Classica ist eben nicht nur elitär, sondern auch populär. Das zeigen neben den zahllosen Angeboten attraktiver Youngtimer bis 5000 Euro vor allem die phantasievoll dekorierten Clubstände einstiger Volks- und Alltagsautomobile, ob VW Typ 3, Fiat 600, Daf oder Opel Kadett B. Die Fiat 600 Freunde begeistern schon zum zweiten Mal in Folge mit dem besten Clubstand. Nach der kleinen Tierschau 2005 richten sie nun in Halle 7 ein Kunstmuseum ein mit Fiat-600-Plastiken im Stil von Josef Beuys, Keith Haring oder Friedensreich Hundertwasser.
Die Techno Classica ist auch eine Messe der Begegnungen. Manche sind so spontan und ungewöhnlich wie die mit dem 85-jährigen Helmut von Leipzig aus Namibia. Der war 1943 Rommels Fahrer in Nordafrika und sieht seinen Dienstwagen von einst, einen Horch 901 Typ 40, wieder. Der offene Viertürer mit Allradantrieb und 90 PS starkem 3,8-Liter-V8 wurde im Auftrag eines amerikanischen Sammlers vom Restaurierungsbetrieb Rosenow in Glienick komplett neu aufgebaut. Von Leipzig nahm ergriffen am Steuer Platz, fing sich aber schnell mit dem Satz: „Der fuhr sich viel leichter als der Horch Kfz. 15, den ich vorher hatte.“Kurz vor dem Südausgang entdecken wir in Halle 1 bei bei Ulrich Köhler Zachers Liebling – einen 1963er Opel Kapitän PL in Cremeweiß für 12‑500 Euro. Aber Rolf ist schon weg, zum Dreh nach München.