Youngtimer-Kaufberatung Alfa Romeo 164
Warum nicht mal ein Alfa Romeo? Die elegante Pininfarina-Limousine 164 notiert gerade ganz unten. Fremdgehen für 900 Euro, italienische Leidenschaft statt deutscher Perfektion. Ciao BMW und Mercedes?
Drei Dinge vorweg: Ein 164 war für mich immer zuerst ein Volvo. Schwarze Autos mochte ich nie, Kohlenkästen habe ich sie genannt. Und Alfa sind mir sowieso suspekt. Schön konstruiert, aber windig gebaut.
Alfa Romeo 164 nicht auf dem Radar
Das Design der Limousinen Alfa Sei, 75 und 90 langweilt. Schmal und kantig wie ein Schuhkarton, ohne formalen Esprit. Den eleganten, attraktiven 164, die große Alfa Romeo-Limousine der Achtziger mit dem kessen Scudetto vorn in der Motorhaube, hatte ich einfach nicht auf meinem sensiblen Radarschirm für Schnäppchen-Angebote.
Preiswerte Tipo 4
Die drei anderen Tipo 4-Modelle schon: Saab 9000, Lancia Thema und Fiat Croma. Dass die preiswert sind, überrascht niemanden. Doch der Preisverfall alter Alfa 164 macht betroffen. Liegt es am Frontantrieb oder ist die Strahlkraft der legendären italienischen Marke inzwischen so ermattet? Unter 1.000 Euro werden frühe V6-Modelle sogar schon gehandelt.
Herrlicher 3.0 V6
Die mit dem herrlichen Drei-Liter, der genau so aussieht wie er klingt. Dem man sogar den Zahnriemen verzeiht und die seltsame Ventilsteuerung, die eine zweite Nockenwelle spart. Seine ungeheuer lustbetonte Leistungsentfaltung überzeugt sogar eingefleischte Alfa-Gegner wie mich. Trotzdem ist mir ein Dumping-Drei- Liter zu riskant. Twin Spark heißt die sicherere Lösung bei Euro-Automobile in der Stuttgarter Hackstraße.
2.0 Twin Spark für 990 Euro
Für nur 990 Euro auch eine Menge Autos fürs Geld, 143 PS, zwei Nockenwellen, acht Zündkerzen, Spitze 207, Design Pininfarina. Sogar Schwarz steht ihm, dadurch wirkt er noch gestylter. Er ist der Art Director unter den Tipo 4-Modellen, die sich Fahrwerk und Karosseriestruktur teilen.
Meine Verwandten werden denken, ich hätte im Lotto gewonnen. Sie kennen die Modellzyklen von BMW und Mercedes, aber nicht die von Alfa. Der 164 wirkt so zeitlos wie die Freischwinger von Thonet. Die Bilder und Infos im Internet sind viel versprechend, erst zweite Hand, aber 209.000 Kilometer, bei Benz und BMW kein Problem, zu viel für einen Alfa? Doch mittlerweile freue ich mich über diese Grenzüberschreitung. Ich möchte sie erfahren - die neue, fremde, die italienische Automobilkultur.
Ein Alfa vom Gebrauchtwagen-Hinterhof
Donnerstag, neun Uhr dreißig, ein sonniger Spätsommermorgen. Leichtes Herzklopfen, wird er halten, bleibe ich liegen? Ich will nach Augsburg, mir einen 3.0 V6, Leder, Automatik ansehen - für 1.390 Euro, zum Vergleich. Ein Gebrauchtwagen-Hinterhof mitten in Stuttgart, daneben ein altes Tanzlokal mit Pseudo-Fachwerkfassade. Die Scheiben eingeworfen oder mit Plakaten überklebt, abbruchreif. Tauben gurren und fliegen planlos umher. Eine Handvoll gepflegter, aber alter Autos belebt das triste Szenario, meist Mercedes, ein 190 E und 260 E, dazu noch zwei W 124er-Coupés und ein Ex-Polizei-Scorpio in Giftgrün. Kein Platz für einen Exoten.
Nur zwei Vorbesitzer und kein Rost
Ganz hinten hockt verlegen mein Alfa mit offenen Hauben und Türen, ein kleiner elektrischer Kompressor müht sich gerade ab, Luft in den Platten hinten links zu pumpen. Der Motor läuft schon, sauber und ruckfrei. Anders als auf den Fotos ist der Centosessantaquattro schmutzig, die Bäume und Tauben haben seinem Lack zugesetzt. Nebenan aus einem Lagerraum kommt Rüstem Özgölet, der Mann, der schon am Telefon einen offenen und freundlichen Eindruck machte. Er gibt sich große Mühe, den Alfa 164 für uns fahrbereit zu machen. Zweifel daran zerstreut er: "Ich bin selbst damit von Heidenheim nach Stuttgart gefahren und war überrascht, wie gut er läuft“, erklärt der Mittvierziger in gutem Deutsch. "Nur zwei Vorbesitzer", fährt er fort, "Vater und Tochter, alles original, sehr gepflegt. Ich muss den Platz hier aufgeben, deshalb ist er so billig."
Der Fensterheber der Fahrertür geht nicht, ein dürrer Neidkratzer zieht sich über die rechte Wagenflanke, die Öldruckanzeige ist ohne Funktion. Sonst ist der Wagen für das Geld überraschend gut. "Okay, 900 kann ich machen", sagt Rüstem Özgület und streckt mir die Hand entgegen. Ich schlage ein, der Wagen hat keinen Rost, das ist das wirkliche Alfa-Wunder. Die graue Kunststoff-Landschaft ist gruselig, kein Vergleich zu BMW und Mercedes, denke ich, während ich mich mental langsam auf den Alfa einstelle und freudige Gefühle empfinde.
Wagt Alf die Affäre mit dem Alfa?
Wird das mit dem Alfa 164 wieder nur eine kurzfristige Affäre in meinem promiskuitiven Autoleben oder mehr? Schon beim Volltanken an der Framin gegenüber wird die zarte Alfa-Liebe schockgefrostet. Benzin läuft aus, ein großes Rinnsal entspringt neben der aufwendigen Mehrlenker-Hinterachse. Die Gummimanschette hat einen Riss, Absaugen und provisorisches Abdichten tut Not. Rüstem hilft uns, er zeigt sich betroffen. Er hat damals nur für 30 Euro getankt, das hat die Manschette wohl noch verkraftet.
Die Batterie erholt sich so schnell wie die Stimmung an Bord. Jetzt kann ich den Wagen in der Waschanlage abstellen und zufrieden zugucken, wie das Schwarz den Grauschleier verliert. Der Tag strahlt mit dem Lack um die Wette. Gut halbvoll ist der Tank immer noch. Die Bandage hält dicht, die Öltemperatur zeigt 90 Grad, und der langhubige Jahrhundert-Vierzylinder mit der Doppelzündung, den zwei obenliegenden Nockenwellen, und den Tassenstößeln fühlt sich sehr unternehmungslustig an. Jetzt drehe ich die Gänge sogar über 4.000/min hinaus, spüre wie leichtfüßig der Alu-Motor am Gas hängt, wie er schon ab 2.000/min gierig losstürmt. Es geht über die Autobahn, meine Sinne sind geschärft. Tempo 130 mute ich ihm zu, meinem Alfa, schneller können wir auf der A 8 sowieso nicht fahren. Mittagspause bei Lara’s in Merklingen, nachdem wir uns den Drackensteiner Hang im Vierten bei 110 hochgeschraubt haben, ist alles im grünen Bereich. Fotograf Frank Herzog möchte ein paar forsche Kurvenaufnahmen hier oben auf der Schwäbischen Alb machen.
Fünf Gänge, Frontantrieb, feines Fahrwerk
Erstaunlich, wie exakt das Fünfganggetriebe trotz Quermotor, Frontantrieb und 209.000 Kilometern agiert. Auch hier ist noch ein Hauch der alten Alfa-Philosophie, die den Frontantrieb nicht wahrhaben will, spürbar - ebenso wie in der Fahrwerksabstimmung. Sie unterdrückt das Untersteuern erfolgreich, in schnell gefahrenen Kurven lenkt der Wagen gehorsam ein. Nimmt man das Gas weg, drängt das Heck sogar ein wenig nach außen.
Die direkte, gefühlvolle Zahnstangenlenkung ist dabei eine wertvolle Hilfe. Das Lenkrad selbst, diese wichtige Schnittstelle zwischen Auto und Fahrer, wirkt erstaunlich uninspiriert. Andererseits lassen zahlreiche Verspieltheiten die italienische Automobilkultur immer wieder durchscheinen. Die neckischen Netz-Rollos im Heckfenster, die Leseleuchten in C-Säule und Dachkonsole, die winzige LCD-Uhr in der Mittelkonsole, der Knopf für die Tankentriegelung an der Lenksäule. Alles wirkt ein bisschen wie Lakritze, weich und verwundbar.
Es ist heiß im Auto. Schwarz heizt sich in der Sonne stark auf, eine Klimaanlage gibt es nicht, und das offene Beifahrerfenster schaufelt nicht genügend Fahrtwind rüber. Wir sind auf der A8 kurz vor Adelsried mit der Autobahnkirche "Maria, Schutz der Reisenden". Ich entschließe mich spontan rauszufahren um das Alfa Romeo-Fiat-Lancia-Autohaus Mayrhörmann in Biburg an der B 10 aufzusuchen. Früher habe ich mir da immer Prospekte geholt. Mir lässt das Leck am Tank keine Ruhe, außerdem ist der Deckel des Öleinfüllstutzens undicht, Öl sabbert über den Zylinderkopfdeckel.
Schneller Check im Autohaus
Walter Schwarz, Service-Leiter bei Mayrhörmann, empfängt uns trotz wirrer Vorgeschichte mit verbindlicher Zuvorkommenheit. Den Schlüsselanhänger gibt es gratis, den 164er findet er "zeitlos schön" und bescheinigt ihm nach näherer Inspektion einen "erfreulich guten Zustand". Später meint Schwarz hinter seinem Computer: "Die Manschette kostet 25 Euro, dauert aber fünf Tage, Olio-Deckel und Lackstift schreiben wir gleich mit auf."
Wir kommen zu spät, der grüne 3.0 ist schon verkauft. Schade, der Vergleich zum V6 hätte mich interessiert. Aber was ich jetzt dringender brauche, ist eine neue Garderobe, fangen wir mit schwarzen Moreschi-Slippern an.