Alfa Romeo 145 Quadrifoglio gegen Fiat Bravo 2.0 20 V
Nach dem Abflauen der GTI-Welle geht ein neuer Trend in der kompakten Mittelklasse mehr zum komfortbetonten Leisetreter. Mit den kräftigsten Versionen von Fiat Bravo und Alfa 145 hat der italienische Auto-Multi beide Geschmacksrichtungen im Angebot.
In der gemeinhin als Golf- Klasse bezeichneten und von zunehmenden Stellungskämpfen gekennzeichneten Riege der Kompaktwagen schickt der italienische Fiat-Konzern gleich zwei Konkurrenten ins Feld, die vor allem durch ihre konträre Auffassung vom richtigen Styling auffallen: den betont kantig gezeichneten Alfa 145 und den Fiat Bravo , dessen runde Form ganz offensichtlich einem Stück abgelutschter Seife nachempfunden ist. Mit dem fünfzylindrigen Bravo 2.0 20 VHGT mit 147 PS hatte Fiat schon zum Bravo-Debüt im Herbst 1995 auch ein üppig motorisiertes Modell im Angebot, während die bereits seit 1994 produzierte Alfa-Baureihe erst jetzt zu ihrer Leistungsspitze in Form des 145 Quadrifoglio findet.
Welcher ist die bessere Wahl? Ein Zylinder weniger und dafür drei PS mehr, das Datenblatt des Alfa taugt kaum als Entscheidungshilfe, auch nicht die Preisliste: 400 Mark ist der Fiat billiger, bei Autos für 35 000 Mark ist das eine vernachlässigbare Größe. Interessanter wird die Gegenüberstellung, wenn man die Motorhauben öffnet, vor allem, wenn noch einer der schwächeren Alfa 145 in die Betrachtung mit einbezogen wird. Während dort nämlich längs eingebaute, flachliegende Boxermotoren Dienst tun, wird der Quadrifoglio von einem quer eingebauten, zwei Liter großen Vierventilaggregat mit 150 PS befeuert – exakt jenem Twin Spark, der schon vom Alfa Romeo GTV und vom Spider her bekannt ist.
Eine ähnlich aufwendige und auch teure Zweigleisigkeit in der Motorisierung hat es sonst wohl nur bei VW gegeben, wo das verblichene Heckmotormodell des Transporters nicht nur mit dem bekannten luftgekühlten Boxer vom Band lief, sondern wahlweise auch mit einem wassergekühlten Diesel-Reihenvierzylinder. Doch der konstruktive Aufwand ist auch beim Fiat nicht gering.
Die per Elektrohydraulik verdrehte Einlaßnockenwelle bewirkt wie beim Alfa eine last- und drehzahlabhängige Verschiebung der Einlaßsteuerzeiten. Beide haben Ausgleichswellen, der Fiat eine, der Alfa zwei, und gegen seine Doppelzündung führt der Fiat den zusätzlichen Zylinder ins Feld. Ein technisches Patt also. Als viel entscheidender, als technische Einzelheiten es je sein können, entpuppt sich bei diesen beiden Triebwerken der jeweilige Charakter. Der Alfa vertritt die gerade Linie des klassischen Sportmotors, beantwortet Gasgeben mit spontanem und beherztem Leistungseinsatz, wobei er besonders bei niedrigen Drehzahlen auch schon mal einen kleinen Ruck bei den Übergängen billigend in Kauf nimmt. Das kräftig intonierte Ansaug- und Auspuffgeräusch bietet dem Fahrer dabei mit wohlabgestimmten Klangnuancen auch akustisch ein aufmunterndes Feedback dessen, was sein Gasfuß da tut. Und nach dem Schalten passen die Anschlüsse nicht nur wegen der flach verlaufenden Drehmomentkurve so gut, sondern ganz besonders auch wegen der Akustik: Wenn der Alfa-Fahrer ein paarmal häufiger schaltet als eigentlich nötig, dann tut er es nicht wegen der Funktionslust, die bei der mitunter hakeligen Schaltung etwas eingeschränkt ist, sondern in erster Linie wegen des akustischen Erlebnisses.
Dieses Erlebnis, der Vergleich mit dem Fiat macht es besonders deutlich, gleitet aber auf langen Autobahnpassagen unversehens ab zur nervenden Lärmbelästigung. Der viel leisere und doch von einem markanten Arbeitsgeräusch gekennzeichnete Bravo-Fünfzylinder entpuppt sich da als der weit angenehmere Partner. Auch seine spezielle Art der Reaktion auf Gaspedalbewegungen paßt gut ins mehr komfortbetonte Bild: kräftiger Antritt ja, aber bitte kein bissighalbstarker Auftritt mit womöglich quietschenden Reifen. Im Stop-and-go findet das Fiat- Aggregat auch bei niedrigen Drehzahlen ruckfrei aus dem Schiebebetrieb in eine fein dosierbare Beschleunigung – eine Fähigkeit, die dem Alfa fast völlig abgeht. Dieses zurückhaltende Wesen täuscht etwas über die wahren Fahrleistungen des Bravo hinweg.
Tatsächlich gelingt es dem Alfa-Fahrer, der objektiv auf minimal bessere Beschleunigungs- und Elastizitätswerte bauen darf, kaum, den Bravo abzuhängen. Interessant ist dabei, daß beide Kandidaten bei den Fahrleistungen nicht nur hinter den Werksangaben etwas herhinken, sondern auch gegenüber den potenten Zweiliter- Vierventilmaschinen in VW Golf GTI 16 V und Opel Astra GSi das Nachsehen haben.
Im Fahrverhalten offenbaren die kleinen Italiener das, was heute Stand der Technik ist und sich schon stereotyp durch die Testberichte zieht: sicheres, leicht untersteuerndes Kurvenverhalten.
Der Alfa fährt sich allerdings handlicher und agiler als der Fiat und lenkt auch williger ein. Schert der Fahrer jedoch zum Überholen aus und beschleunigt dabei schon voll, gebärdet sich der Quadrifoglio wegen der kräftigen Antriebseinflüsse nervös und zappelig. Da wirkt der ruhig und gelassen zu Werke gehende Fiat weit erwachsener. Nicht zu einem so sportlich ausgelegten Auto wie dem Alfa paßt das starke Fading der Bremse. Nach zehn Vollbremsungen aus Tempo 100 steht nur noch eine Bremsverzögerung von 7,6 m/s2 zur Verfügung, das ist zu wenig.
Weitere Punkte büßt der Alfa beim Fahrkomfort ein. Er ist spürbar härter gefedert als der Fiat, der auch noch die bequemeren Sitze und die deutlich angenehmere Sitzposition bietet. Dazu kommt, daß die Fiat-Sitze zwar nicht so augenfällig nach Querbeschleunigung aussehen wie die des Alfa, tatsächlich aber den besseren Seitenhalt bieten. Dafür gefällt im Alfa, eine Ausnahme machen die überladenen und wenig logisch bestückten Lenkstockschalter, die Bedienung besser.
Im Fiat gewinnt doch das verspielte Element der Gestaltung oft die Oberhand gegenüber der Funktionalität, so beim hell hinterlegten Drehzahlmesser, dessen roter Bereich tagsüber kaum auszumachen und der bei eingeschalteter Beleuchtung in der Dämmerung so gut wie gar nicht mehr abzulesen ist. Trotzdem hinterläßt der Fiat im Karosserie-Kapitel den besseren Eindruck. Sein Kofferraum fällt zwar etwas kleiner aus als der des Alfa, aber er verwöhnt seine Passagiere mit dem größeren Innenraum, bietet stabilere Türgriffe und eine solide Gepäckraumabdeckung.
Was besonders im Winterbetrieb auffällt, und da nehmen sich die beiden nichts, sind die nur zögernd ansprechenden und sehr wirkungsschwachen Heizungen und die offenbar auf Schönwetterbetrieb ausgelegten Scheibenwischanlagen. Beim Fiat treffen die sage und schreibe acht Wasserstrahlen der Waschanlage mangels ordentlichen Wasserdruckes lediglich in einem eingeschränkten Geschwindigkeitsbereich auf die Scheibe. Und beim Alfa nervt das Fehlen einer langsamen Wischgeschwindigkeit: Er kennt nur hektisches und oft wenig wirksames Wedeln in unterschiedlichen Intervallstufen. Der Alfa-Fan wird das freilich positiv und als Charakterstärke sehen. Schließlich wird hier offenbar, daß der 145 sein kantiges Wesen konsequent bis zum kleinsten Detail durchhält.