Alfa Romeo 147 1.6 TS Progression und Audi A3 1.6 Attraction
Der neue Alfa Romeo 147 1.6 TS Progression sieht verdammt gut aus. Was er sonst noch drauf hat, zeigt er in einem Vergleich mit dem etablierten Audi A3 1.6 Attraction.
Ausgerechnet der Kleinste soll sicherstellen, dass die mageren Jahre endgültig vorüber sind. Denn mit dem 147 schickt der Fiat-Konzern nicht nur den schönsten kleinen Alfa aller Zeiten als Konkurrenten von VW Golf und Co. in die
Kompaktklasse sondern verspricht sich von ihm auch den Aufstieg in neue Sphären. Das Ziel: Der Produktionsrekord von 1975 (227.000 Autos) wird 2001 eingestellt, den Löwenanteil dazu soll der 147 mit über 100.000 Exemplaren beitragen.
Wichtige Voraussetzungen für eine vielversprechende Karriere bringt der 147 mit. Außer seiner properen Karosserie mit dem unverwechselbaren Gesicht, das im Geiste sofort seinen klassischen Bruder Giulietta Sprint von 1951 vorfahren
lässt verfügt der 147 auch über ganz handfeste Vorzüge: So ist der getestete 147, ausgerüstet mit dem 120 PS leistenden 1,6-Liter-Vierzylinder, mit knapp 33.700 Mark rund einen Tausender billiger als der zum Vergleich herangezogene Audi A3 1.6 mit 102 PS. Dabei ist die Serienausstattung noch gar nicht berücksichtigt, die beim Alfa recht üppig, beim Audi dagegen bescheiden ausfällt. Zu den 147-Goodies, die Audi extra berechnet, zählen unter anderem Kopfairbags, Klimaanlage, Bordcomputer, Easyentry-Funktion der Vordersitze sowie Fernbedienung für die Zentralverriegelung und Nebelcheinwerfer. Macht zusammen über 5.000 Mark.
Der 147 ist also nicht nur schön (was in der Punktewertung keinen Niederschlag findet), sondern auch preiswert. Und unter der attraktiven Hülle hat er durchaus einiges zu bieten. Beispielsweise reichlich Platz für die Passagiere auf bequemen, stoffbezogenen Sitzen. Vorne genießen sie üppige Bewegungsfreiheit und ein großzügiges Raumgefühl. Hinterbänkler können sich, sofern sie zu zweit sind, ebenfalls nicht beklagen. Sie finden etwas m mehr Beinfreiheit und bequemere Polster vor als im Fond des ansonsten ähnlich geräumigen Audi , der ebenfalls kein vollwertiger Fünfsitzer ist. Klare Vorteile bucht der A3 dagegen mit seinem bei normaler Rücksitzstellung deutlich größeren Kofferraum (350 zu 280 Liter). Durch Umklappen der Rückbank wächst das Fassungsvermögen des Laderaums auf stattliche 1.100 Liter (Alfa: 1030). Die asymmetrisch geteilten Rücksitzbänke lassen sich in beiden Autos mit wenigen Handgriffen umlegen. Dennoch macht das Hantieren mit Gepäckstücken Mühe, dafür sorgen die hohen Ladekanten. Seinen sportlichen Habitus unterstreicht der Alfa durch Instrumente mit weißen Zifferblättern, eine aluminiumfarbene Mittelkonsole, die das dunkle Armaturenbrett wohltuend auflockert, praktische Drehschalter für die Klimaanlage und solide Zugbügel-Türgriffe aus Aluminium.
Zwei pfiffige Details: Laufen die vorderen Scheibenwischer, schaltet sich mit dem Einlegen des Rückwärtsganges auch der Heckwischer ein; wenige Sekunden nach der WischWasch-Reinigung von Front- und Heckscheibe wird automatisch kurz einmal nachgewischt. Kritik verdienen der umständliche Tankverschluss und dessen Klappe, die nicht in die Zentralverriegelung integriert ist.
Aber auch der Audi A3 weist Schwächen im Detail auf:
Seine Klappgriffe sind ungeeignet, klemmende Türen (nach einem Crash) zu öffnen, die auf engstem Raum platzierten Minitasten für Heizung, Lüftung und andere Nebenfunktionen verlangen zur fehlerfreien Bedienung einen über Gebühr langen Blickkontakt.
Dem Audi, der im letzten Sommer dezent überarbeitet wurde, merkt man an, dass er reifer geworden ist. Seine Federung gefällt durch gleichermaßen gutes Ansprechen auf kurzen und langen Unebenheiten. Der A3 vermittelt jetzt einen ausgewogenen Komforteindruck, wozu auch sein kultiviert und leise laufender Motor beiträgt.
Da ist der Alfa von herzhafterer Art, das hört und spürt man schon auf den ersten Kilometern. Sein Vierzylinder liegt stets mit einem guten Ton in den Ohren, ohne aber lästig zu werden. Das schafft dagegen das straff abgestimmte Fahrwerk, das auf kleinen Unebenheiten und vor allem auf Autobahn-Querfugen, wenn beide Räder einer Achse gleichzeitig beaufschlagt werden, die Karosserie kräftig zum Stuckern anregt.
Andererseits bringt die sportliche Härte auch Vorteile mit sich. Kurven umrundet der 147 mit geringen Aufbaubewegungen und sehr neutral. Er erreicht hohe Kurvengeschwindigkeiten, ehe er leicht über die Vorderräder schiebt. Plötzliches Gaswegnehmen im Grenzbereich fördert ganz kurzfristig seine Kurvenwilligkeit, bringt ihn aber nicht wirklich aus der Ruhe.
Die sehr leichtgängige, vorbildlich präzise Lenkung lässt wegen ihrer hohen Servounterstützung etwas den Fahrbahnkontakt vermissen. Sie trägt aber mit dem narrensicheren Fahrverhalten, der ausgezeichneten Traktion (ASR serienmäßig) und den gut dosierbaren Bremsen maßgeblich zu dem hohen Fahrvergnügen bei, das sich im 147 auf kurvenreichen Strecken einstellt.
Diesen speziellen Kick kann der A3 nicht bieten. Dazu ist er zu hausbacken – mit seiner kräftigen Untersteuerneigung, der etwas schwergängigen, nicht besonders exakten Lenkung und jener Behäbigkeit, die für ihn das Kurvenfahren nicht zur Kür, sondern zur Pflicht macht. Die erledigt er brav, darum küm¬mert sich – wenn es hektischer zugeht – ganz unauffällig ESP Wer das elektronische Heinzelmännchen im Alfa Romeo 147 haben möchte, muss rund 1.100 Mark extra bezahlen.
Gegenüber dem 120 PS starken 1,6-Liter im 147 beträgt das Leistungshandikap der A3-Maschine 18 PS. Beim Fahren merkt man das kaum, denn der Audi-Motor ist ein braver Zieher, der erst dann zurückfällt, wenn höhere Drehzahlen gefragt sind. Die mobilisiert der Alfa-Vierzylinder locker, allerdings mit etwas brummigem Unterton.
In den Fahrleistungen setzt der 147 die Maßstäbe. Er beschleunigt in allen Bereichen temperamentvoller, läuft mit 195 km/h Spitzengeschwindigkeit ein wenig schneller und ist aufgrund der kürzeren Übersetzung in den unteren Gängen elastischer. Weiterer Pluspunkt: Seine Schaltung arbeitet exakter und mit kürzeren Wegen.
Mit seinem Verbrauch von durchschnittlich 9,6 Liter pro 100 km kann der 147 keine Lorbeeren ernten. Damit tut sich auch der A3 schwer: Er kommt zwar mit einem halben Liter weniger aus, aber auch das ist für ein Auto dieser Größe keine Meisterleistung.
Mit klarem Vorsprung gewinnt der Alfa die Eigenschaftswertung. Dass er dann letztlich noch knapp verliert, liegt auch an seiner Euro 3-Schadstoffeinstufung (Audi: Euro 4) – sie kostet ihn auf einen Schlag fünf Punkte. So betrachtet heißt es zum Schluss also doch: Alter vor Schönheit.