Aston Martin Vantage, Chevrolet Corvette 5.7, Chrysler Viper GTS, Ferrari F 550 Maranello
In der obersten Liga der schnellsten Automobile dieser Welt hat sich ein Positionswechsel vollzogen. Die neue Generation der Supersportwagen hat die Motoren nicht mehr in der Mitte, sondern nach alter Väter Sitte wieder vorn. Aston Martin Vantage, Chevrolet Corvette, Chrysler Viper GTS und Ferrari 550 Maranello sind damit nicht nur so schnell wie Mittelmotor-Flundern, sondern auch alltagstauglich.
Sie sind unvergleichlich, aber vergleichbar. Weit über der tierischen Erkenntnis, daß die schnellsten Seriensportwagen unserer Tage automatisch schnell und teuer sein müssen, steht das gemeinsame technische Credo. Macho-Mobile sollten die Maschine eben doch vorn haben und die Antriebsräder hinten und dazwischen gerade soviel Platz, um etwas Ballast aus Bio-Produktion neben die Kardanwelle zu pakken: die Besatzung. Zwischen der 344 PS starken und 92 500 Mark teuren Chevrolet Corvette und dem 557 PS starken und 514 999 Mark teuren Aston Martin Vantage liegen 213 PS Unterschied in der Leistung, 422 499 Mark im Preis und ein ganzer Ozean der Philosophie.
Aber in den Fahrleistungen liefern sich die amerikanische Fast Foot-Ikone aus Bowling Green/Kentucky und der königlich britische Craft-Hammer aus Newport Pagnell/ Grafschaft Buckinghamshire ein Schnauze-an-Schnauze- Duell, das erst ab Tempo 160 zugunsten des ZF-Sechsganggetriebes im Aston Martin und gegen die Vierstufenautomatik GM-Hydramatic in der Corvette ausgeht. Und die Leichtathleten unter den Supersportwagen, der 455 PS starke und 165 000 Mark teure Chrysler Viper GTS und der 485 PS starke und 338 000 Mark teure Ferrari 550 Maranello, liefern sich auf der Kreisbahn, im Slalom und auf der Rennstrecke ein Match wie damals die Ferrari 250 GTO und die Shelby-Coupés, als Enzo Ferrari./span> damals ob dieser Prestige- Schlacht wie zwei obenliegende Nockenwellen rotierte und Henry Ford durchatmete, als würde seine Atemluft durch seitengesteuerte Ventile rasseln.
Wenn Automobile ansonsten durch das mehr als Fünffache des Preises getrennt werden, katapultieren sie sich dadurch in gegensätzliche Klassen; wenn Supersportwagen je doch darüberhinaus die gemeinsamen Charakteristika Frontmotor, Heckantrieb, nicht unter 344 PS, nicht unter 5474 cm3 Hubraum, nicht über 20 Sekunden von null auf 200 km/h und nicht unter 276 km/h Höchstgeschwindigkeit, nicht weniger als acht Zylinder, nicht mehr als zwei mechanische Lader aufweisen, qualifizieren sie sich damit für die erste Startreihe des auto motor und sport-Sportwagen- Tests. Archaisch wirken sie nur, wenn sie ruhen, wenn die stattliche Ölmenge träge in der Ölwanne verharrt, die radgroßen, innenbelüfteten Scheibenbremsen metallisch kühl durch die Leichtmetallfelgen grüßen und Antriebsräder in den gewaltigen Dimensionen 275/45 ZR 17 (Corvette), 285/45 ZR 18 (Vantage), 295/35 ZR 18 (Maranello) und 335/35 ZR 17 (Viper) wie die Säulen des Herkules auf der Fahrbahn stehen.
Die Motorhauben sind trotz aerodynamisch günstig flachgestellter Windschutzscheiben so lang, daß jedermann und jede Frau nach eigenen frommen Wünschen interpretieren darf, was sie symbolisieren: einen 5,7 Liter-Small Block-V8 mit zentraler Nockenwelle, einen 5,4 Liter-DOHC-Vierventil- V8 mit zwei Kompressoren, einen Achtliter-V10 mit zentraler Nockenwelle, einen 5,5 Liter-DOHC-Vierventil-V12, oder alles, was die EG-Gesundheitsminister verbieten.
Die anschließenden Innenräume vermitteln die Heimeligkeit früher Mercury-Raumkapseln. Alle vier Frontmotor- Coupés sind Zweisitzer mit Kometenschweif. Der Aston Martin Vantage schleppt hinter seinen Recaro-Schalensitzen nochmals zwei De-jure- Sitzschalen für Kleinkinder, Plüsch- oder Haustiere. Der Ferrari offeriert hinter den Maranello- Clubsitzen eine breite, flache Ablage mit zwei ledernen Haltegurten für Koffer. Die beiden amerikanischen Coupés bieten freien Ausblick nach hinten. Die Corvette auf einen Kofferraum mit 355 Liter Volumen, der im Vergleich zu den schmalen Gepäckabteilen der anderen Coupés weitläufig wirkt wie die Salzseen in Utah, der Viper auf einen reisetaschengroßen Grand Canyon hinter dem Tank.
Beide laden zu tiefen Einblicken durch gläserne Heckklappen ein. Die beiden europäischen Sportwagen-Manufakturen verschreiben ihrer vom Geldverdienen gestreßten Klientel Connolly-Leder gegen Achselschweiß und den Geruch von Armut. Aston Martin benötigt die Haut von mindestens elf skandinavischen Rindern, um den Innenraum so auszuschlagen, daß sich einfacher Geldadel fühlen darf wie der Prinz von Wales und wie Schauspie ler Tom Cruise. Auch der größte Autokonzern der Welt und der drittgrößte amerikanische Automobilhersteller wissen genau, worauf die sportlichen ihrer Kunden am liebsten abfahren: auf Plastik.
Die Kombination aus Ergonomie und Renaissance, aus Stil und Funktion, aus Wucht und Grazie lädt dazu ein, im Ferrari nicht nur zwischen A und B zu verweilen, sondern den Digestif, den Night Cup, den Absacker auch dann im Maranello einzunehmen, wenn dieser bereits geparkt ist. Im Aston Martin Vantage versprechen die alten Handwerksmeister das nobelste Ambiente zwischen Buckingham Palace und Windsor Castle, scheuen aber nicht davor zurück, prachtvollstes Holz und Leder mit alten Leyland-Türgriffen, alten Ford-Lichtschaltern und -Drucktasten sowie alten Jaguar-Bedienungselementen für die Regelung der Klimaanlage zu verunstalten.
Der Innenraum der Corvette ist für alle Errungenschaften der neuen Welt ausgelegt, darunter selbstverständlich auch Drive-in-Restaurants und Autokinos. Und der Chrysler Viper verfügt serienmäßig selbstredend ebenso über eine Klimaanlage wie die anderen, verzichtet aber auf eine Fußstütze links neben dem Kupplungspedal. Nach einigen 100 Kilometern auf der Autobahn kann sich das linke Bein immer noch nicht zwischen Einschlafen und Wadenkrampf entscheiden. Hemmungslos losgelassen, beschleunigt die zur Zeit nur mit Automatikgetriebe lieferbare Corvette wie der wilde Bruder des BMW Z3 M-Roadster, der Aston Martin, herzhafter als eine Doppelpackung Blower Bentley. Chrysler Viper und Ferrari 550 Maranello zaubern beim Beschleunigen verläßlich ein Grinsen, wenn nicht ein Lächeln auf die Gesichter ihrer Insassen, weil deren Mundwinkel nach hinten gerissen werden.
Exakt 50 Jahre V12-Erfahrung können weder durch die beiden V8-Motoren mit ähnlich viel Hubraum wie der Ferrari erschüttert werden noch durch den passabel gezähmten Achtliter- V10-Brocken des Viper, obwohl Aston Martin und Chrysler sogar noch mehr Drehmoment aus niedrigeren Drehzahlen schütteln können. Aber erstens verblüfft der 5,5 Liter-V12 des Maranello in Sachen Laufruhe, Vibrationen, Leerlauf, Ansprechverhalten, Drehwilligkeit mit einem Standard, der der Perfektion verdächtig nahekommt, zweitens leistet sich das Leichtmetall- Triebwerk mit 65 Grad Zylinderwinkel auch bei aller Brachialgewalt in der Nähe des roten Bereichs eine Diskretion im Alltagsverkehr, die auch im britischen Königshaus selten geworden ist. Der unrund zündende Viper- V10 mit Lkw-Ahnen vergibt einiges bei der Laufkultur, auch der Aston Martin-V8 fällt mit schlechtem Kaltstartverhalten und Antriebsgeräuschenhinter Ferrari und Corvette zurück, deren V8 nach dem Zwölfzylinder am harmonischsten und kultiviertesten ist. In den Kriterien Schaltung, Getriebeabstufung, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Elastizität sammelt der Ferrari verläßlicher Bestnoten als Michael Schumacher und Eddie Irvine WM-Punkte.
Viper und Vantage strapazieren die Schalthände mit hakeligen Schaltungen und langen Schaltwegen, während die Automatik der Corvette zwar spontan anspricht, aber zu hektisch von einer Stufe zur anderen springt. Der extrem lang übersetzte sechste Gang vermasselt dem Viper zudem mehr Punkte im Kapitel Elastizität. Wahre Sportlichkeit nach dem Ideal der alten Griechen besteht aus Antriebs- mal Fahreigenschaften, und auch da enteilt der Maranello den anderen Frontmotor-Coupés zumindest um eine Motorhaubenlänge. Sein Kurvenverhalten – Eigenlenkverhalten, Handling, Bodenhaftung – ist noch ausgewogener als seine Gewichtsverteilung von 53,2 Prozent auf der Vorder- und 46,8 Prozent auf der Hinterachse. Auch Lenkung und Geradeauslauf verschaffen dem Ferrari ein Maximum an Punkten. Corvette und Viper halten sich beim Kurvenverhalten im Windschatten des Ferrari. Der Chevrolet verliert – bei ausgeschaltetem ASR – etwas durch den Hang zum Übersteuern, der Chrysler wirkt eine Spur zu nervös. Beim Aston Martin stören Lastwechselreaktionen. Normalerweise untersteuernd, neigt der Vantage bei Lasteinsatz zum Übersteuern und wirkt als schwerster, längster und breitester mehr wie eine Limousine. Er wankt in schnellen Kurven gern um die Längsachse, und die, nun, etwas zu traditionelle DeDion-Hinterachse neigt auf Querfugen zum Versetzen. Eben dort, also auf Bodenunebenheiten, zeigen auch die an doppelten Querlenkern aufgehängten und blattgefederten Hinterräder der Corvette überraschende Empfindlichkeit, die nicht unbedingt das Herz im Leibe, sehr wohl aber das Heck aus der Spur springen läßt. Geht es um schieren Wettbewerb und Zeitfahren auf der Kreisbahn, im Handlingslalom und auf einer Rennstrecke, bilden Ferrari 550 Maranello und Chrysler Viper GTS im exclusiven Zirkel nochmals eine eigene Fraktion (siehe die entsprechenden Werte am Ende der nebenstehenden Tabelle). Und der Viper – congratulations, Chrysler guys – ist tatsächlich so giftig, hektisch und nervös, wie es sein Name verspricht, aber auf Kreisbahn und Rennstrecke sogar noch einen Tick schneller als der Ferrari, der dafür ausgewogen und in technisch einwandfreiem Stil flotter um die Slalompoller wedelt als Viper und Alberto Tomba.
Ferrari und Corvetteverzögern standesgemäß, mit etwas mehr als einem g sowohl bei kalten wie auch warmen Bremsen. Der Viper bremst in allen Kriterien – kalt, kalt beladen, warm beladen – schlechter und verzichtet zudem auf ABS: spartanisch, aber unverständlich. Die nochmals schlechteren Bremswerte des Aston Martin lassen nur den Schluß zu, daß die Handvoll Vantage-Fahrer statistisch gesehen vielleicht seltener in Notsituationen kommen als die Fahrer der anderen Coupés. In Einzelfällen gilt dann wohl: nicht die Contenance verlieren, besonders für den Beifahrer, der keinen schützenden Airbag vor sich weiß. Die auto motor und sport- Wertung destilliert in ihrer Sachlichkeit und Objektivität aus Punkten, Daten und Meßwerten exakt jenes Ergebnis, das den Automobilen und ihrem Charakter ebenso gerecht wird wie Vorurteilen, Klischees und jenen persönlichen Vorstellungen, die hauptsächlich jene beschäftigen, die sich den Traum von einem dieser Supersportwagen nie werden erfüllen können. Der Ferrari ist der Beste der Schnellsten, nicht nur wegen dieses V12, der die Sirenengesänge vergessen läßt, und nicht nur wegen seines Fahrwerks, das die fliegenden Teppiche vergessen läßt, sondern auch dank seiner Ausgewogenheit in Bereichen, die in und um Maranello lange als zu banal galten, nun aber im Maranello kultiviert werden wie die Rotweine in der Toskana: Er ist ausgeglichen, gereift, komfortabel und so alltagstauglich, als wäre nicht nur das Cavallino rampante, sondern auch das Stuttgarter springende Pferd sein Wappentier. Selbst unter Berücksichtigung seines hohen Anschaffungspreises liegt er am Ende vor der dreieinhalbmal so günstigen Corvette. Chrysler Viper und Chevrolet Corvette räumen endgültig mit der Vergangenheit auf, in der amerikanische Sportwagen nur geradeausfahren konnten, halten sich aber sonst an gern gepflegte Klischees: Die Verarbeitung könnte besser sein – so heben sich bei der Corvette ab Tempo 250 km/h die Seitenscheiben aus den Dichtungen nach außen –, die Drehmomentgewalt der Hubraumriesen eigentlich nicht. Und der Aston Martin Vantage zeigt ganz einfach, daß nichts im Leben so teuer sein sollte wie Stil und Understatement. Der teuerste und stärkste und exclusivste der teuren und starken und exclusiven Frontmotor- Coupés ist tief unten in seinem Kurbelgehäuse jedoch lieber Gentleman als Zehnkämpfer.