Audi A8, BMW 730i und Mercedes S 350
Es geht wieder einmal um die Krone des deutschen
Automobilbaus: Die neue S-Klasse von Mercedes erhebt wie
selbstverständlich den Anspruch, der Konkurrenz den Weg zu weisen.
Im Vergleich zum S 350: Audi A8 3.2 FSI und BMW 730i.
Das große S, vor einem halben Jahrhundert als Abkürzung für Super erdacht, könnte auch für Standard stehen. Denn die S-Klasse von Mercedes bildet traditionell den Maßstab der gehobenen Klasse – auch wenn die Konkurrenten BMW und Audi längst auf Augenhöhe mit der Stern-Marke stehen. Aber wenn der älteste Automobilhersteller der Welt alle paar Jahre wieder eine neue S-Klasse entwickelt, gilt es nach wie vor als als selbstverständlich, dass sich alle anderen an deren automobilem Standard zu messen haben.
Den Status der S-Klasse bestätigt nicht zuletzt ihre Beliebtheit bei Diebesleuten. Auch das neue Modell schneidet in der Kostenbetrachtung schlecht ab, weil die jährlichen Festkosten wegen der sehr teuren Vollkaskoversicherung weit höher liegen als bei der Konkurrenz. Einmal ganz abgesehen davon, dass der Hersteller mit einem Premiumpreis suggeriert, dass Audi A8 und BMW Siebener in diesem Segment nur zweite Wahl sind. Die Frage ist, wo steckt der Mercedes.Fortschritt?
Zum großen Teil wohl in der Sicherheitsausstattung. Da setzt der Mercedes mit seinem Pre-Safe-System, aber auch mit Optionen wie dem weiter entwickelten, aktiven Abstandsradar oder dem optionalen Nachtsichtgerät wieder eins drauf. Alles gut und schön – aber es zeigt auch, dass die Zeit der technologischen Bahnbrecher wie ABS und ESP, beides in der aktuellen S-Klasse-Werbung derzeit gehuldigte Mercedes. Erfindungen, wohl vorbei ist.
Die Alternative bei einem nur noch im Detail zu verbessernden technischen Niveau im Luxus-Segment heißt Design. Die neue S-Klasse ist der erste Spross einer alten Familie, der auf stilistisches Make-up wie beispielsweise die durchaus diskussionswürdigen Kotflügelausbuchtungen setzt. Damit ergreift Mercedes freilich keine Alternative, sondern folgt dem BMW.Kurs, der ebenfalls dem äußeren Erscheinungsbild höchste Priorität einräumt.
Der Audi A8 wirkt neben den beiden Designer-Schöpfungen ausgesprochen konservativ, aber auch auf eine angenehme Weise elegant. Die einzige Extravaganz, die er sich leistet, ist sein mächtiges Kühlermaul, ansonsten zeichnet sich sein Design dadurch aus, dass es nicht als solches in den Vordergrund tritt. Ein ähnliches Ergebnis zeigt die Betrachtung der Innenräume.
Auch hier wird die Diskussion von Geschmacksfragen an Bedeutung gewinnen, je mehr sich die klassischen Auto-Tugenden einander annähern. Immerhin: Der Mercedes wirkt im Innenraum noch eine Spur luftiger und geräumiger als seine Kontrahenten, er hat auch den größten Kofferraum.
Die sichtbare Qualität, ein Ergebnis von Materialauswahl und Verarbeitung, aber auch von ansprechender Gestaltung, verdient ebenfalls eine hohe Punktzahl. Ansonsten: wiederum konservativer Automobilbau bei Audi, mit klassischer Mittelkonsole und traditionellem Getriebewählhebel.
Neue Formen bei BMW und Mercedes, die beide den Wählhebel an der Lenksäule tragen. Nicht weil das besser wäre – die Autohersteller waren in den letzten Jahrzehnten nicht auf einem Irrweg unterwegs –, sondern weil Platz geschaffen werden sollte für die Regler der Bildschirmbedienung. Das ist ein Gebiet, auf dem man sich trefflich in die Haare geraten kann, weshalb ihm auto motor und sport eine separate Betrachtung widmet (siehe Seite 48).
Eine Umfrage des Autors unter Kollegen unterschiedlichsten Alters erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein, hat aber ein klares Ergebnis: Mit dem System des Audi, das mehr als die anderen noch auf konventionelle Knöpfe setzt, kommt man am schnellsten zurecht. Der i-Drive von BMW erfordert eine gerüttelt Maß an Gewöhnung und lenkt stark ab.
Er war eben das erste System dieser Art, bei dessen Entwicklung die Fehler und die Ideen anderer Hersteller nicht berücksichtigt werden konnten. Mercedes hatte diese Gelegenheit, hat sie aber nicht entsprechend genutzt. Das neue Comand-System ist nicht ganz so intuitiv zu bedienen wie die Audi.Mimik. Man hätte bei der neuesten Entwicklung einen deutlicheren Fortschritt erwarten dürfen.
Wer auf der Suche nach einem solchen ist, wird beim Fahren fündig. Was denn auch die eigentliche Überraschung dieses Vergleichstests darstellt: Im Fahrkomfort, der wichtigsten Eigenschaft solcher Limousinen, geht immer noch was. Wer in der Vergangenheit das Vergnügen hatte, das ungewöhnlich samtige Federungsverhalten eines BMW Siebener kennen zu lernen, wird es kaum für möglich halten, dass es noch besser geht. Es geht.
Der Mercedes, im Gegensatz zum Einzeltest- Exemplar S 500 (Heft 23/2005) nicht mit Aktiv-Fahrwerk ABC (Active Body Control), sondern mit der serienmäßigen Luftfederung ausgerüstet, fegt die Konkurrenz vom Platz. Selbst schlechteste Straßen degradiert seine ungewöhnlich feinfühlig agierende Federung zur Bedeutungslosigkeit, von Abrollgeräusch kann kaum noch gesprochen werden, lästige Rollbewegungen der Karosserie glänzen durch Abwesenheit.
Dazu erstklassige Sitze und die beste, weil unauffälligste Klimaanlage – das alles summiert sich zu einer bislang in einem auto motor und sport-Vergleichstest noch nie erreichten Komfort-Traumnote: 99 von 100 möglichen Punkten. Trotzdem gilt es zu relativieren. Der BMW liegt zwar deutlich zurück, weil er grobe Unebenheiten nicht ganz so lässig wegsteckt wie der Mercedes. Aber wer nicht den direkten Vergleich hat, genießt ebenfalls ein höchst überzeugendes Komforterlebnis.
Selbst der Audi, mit strafferer Federung spürbar mehr auf sportliche Dynamik ausgelegt als der BMW und der Mercedes, ist ein sehr ordentlich federndes Auto. Er vermittelt weniger als die beiden anderen das Gefühl, einen großen und schweren Wagen zu bewegen.
Sein dank Alu-Bauweise ganz erheblich geringeres Gewicht macht sich da positiv bemerkbar. Erstaunlich vor allem, wie er seine Bauart als kopflastiger Fronttriebler kaschiert, dessen noch vor der Vorderachse liegender Motor diese mit fast 60 Prozent des Gesamtgewichts belastet.
Auf rutschiger Straße bei heftigem Anfahren ab und zu ein Zucken in der Lenkung – das war’s aber auch schon. Kein verstärktes Untersteuern unter Versuchsbedingungen, sondern ein rundum verlässliches Fahrverhalten – plus Bestwerte in den fahrdynamischen Standard-Tests. Solange sich das Leistungsgewicht, wie bei diesen Basismodellen, in moderaten Grenzen hält, spielt es offensichtlich keine entscheidende Rolle, welche Räder angetrieben werden.
Die beiden Hecktriebler haben naturgemäß störungsfreie Lenkungen. Ihre Traktion bei sehr dynamischer Fahrweise ist etwas besser. Dafür hat der Fronttriebler im Winter Vorteile, solange sein Kofferraum nicht beladen ist. In extremen Fahrsituationen verhalten sich alle dank gekonnt abgestimmter ESP-Systeme vollkommen problemlos. In der Punktwertung bleiben die Differenzen sehr gering.
Der Mercedes liegt vorn wegen seiner Sicherheitsausstattung, der Audi fällt etwas zurück, weil er nicht ganz so erstklassig bremst wie die beiden anderen. Es sind minimale Unterschiede. Der Kampf um die Spitze spitzt sich zu. Vielleicht bringen die Motoren die Entscheidung. Schließlich gibt es erhebliche technische Unterschiede. Zwei V6-Motoren, bei Mercedes mit großem Hubraum, beim Audi mehr sportlich auf Drehzahl ausgelegt.
Dazu die klassische Krönung des Sechszylinderbaus, ein Motor mit in Reihe antretenden Zylindern bei BMW. Doch es obliegt dem Tester, den Kennern und den in die Technik Verliebten eine traurige Botschaft zu überbringen: Es spielt keine Rolle. Alle drei Sechszylinder laufen sehr geschmeidig, alle sprechen sehr gut aufs Gas an. Der Reihensechszylinder entpuppt sich letztlich als Mythos: Die BMW.aschine läuft nicht kultivierter als die V-Motoren.
Sie hat, durch um Nuancen besseres Ansprechen, etwas mehr sportlichen Charakter. Und einen unverwechselbaren Reihen- Sound, der bei hohen Drehzahlen allerdings deutlich lauter ist als das unverbindliche Genuschel der V-Motoren. Ansonsten: beste Fahrleistungen beim Mercedes, bester Drehmomenteindruck beim leichten Audi. Der deshalb auch noch den Preis für den niedrigsten Verbrauch abräumt. Eine Rolle mag dabei auch sein Getriebe spielen. Beim Basismodell mit Frontantrieb ist es die stufenlose Multitronic. Kein Drehmomentwandler also, der den Verbrauch erhöht.
Stufenlos? Bedeutet das heulendes Beschleunigen mit konstanter Drehzahl, das einem bisher solche Automaten verleidet hat? Vergessen. Audi hat das Getriebe inzwischen perfekt im Griff. Die elektronische Steuerung sorgt für gefühlte Fahrstufen – per Hand geschaltet sind es sieben. Man muss beim Fahren schon genau aufpassen, um überhaupt noch zu merken, dass man es mit einer speziellen Automatik zu tun hat. Also auch hier kein Grund zu den Test entscheidender Differenzierung.
Das Siebengang-Getriebe von Mercedes bleibt der King im Automaten-Reich, die Sechsgang- Konstruktion im BMW ist nicht ganz so sanft, der Wählhebel hakelig.
Am Ende zeigt sich auch beim Vergleichstest der Fernando- Alonso-Effekt: Am Schluss ist vorn, wer sich keine nennenswerten Schwächen leistet und gleichmäßig punktet. In diesem Fall also der Mercedes. Alles andere wäre auch zu wenig gewesen.