B5 Biturbo Touring und E 63 S T-Modell im Test
Es soll ja schon vorgekommen sein, dass man so richtig schnell eine neue Waschmaschine abholen muss. Ein vernünftigerer Grund fällt uns für die Existenz dieser beiden 600-PS-Kombis jedenfalls nicht ein. Aber dafür sehr viele sehr vergnügliche.
- Motoren
- Mercedes-AMG
- BMW Alpina
- Fazit
Bleiben wir kurz bei der Waschmaschine. Die schnellste Möglichkeit, die uns einfällt, so eine auf 100 km/h zu beschleunigen – außer der, sie von einem 39 Meter hohen Turm zu schubsen (da ist sie nach 2,8 Sekunden auf 100 und gleich danach am Boden zerstört) –, geht so: Heckklappe auf, Waschmaschine rein, Heckklappe zu, sich in den Schalensitz hinter das Lenkrad klinken. Der Motor ist noch warm. Starterknopf, Anlasserwuchten, der V8 legt donnergrollend los – klingt nach schwerer Laune. Race-Modus an, linken Fuß hart auf die Bremsen, den rechten schwer aufs Gas.
Motoren mit brachialer Kraft
Die Elektronik pendelt die Drehzahl ein. Fuß von der Bremse, und der AMG stanzt sich in 3,3 Sekunden auf 100 km/h. Das entspricht einer mittleren Beschleunigung von 8,42 m/s² – nicht weit weg vom freien Fall (9,81 m/s²). Und gerade weil es so leicht geht, glaubst du, es tun sich Abgründe auf. Kraft ist Masse mal Beschleunigung. An nichts davon mangelt es dem 2.089 kg schweren, 612 PS und 850 Nm starken E 63 S T. In Affalterbach haben sie den Kombi zum straßenzugelassenen Renntourenbiest auftoupiert, ungestümer gar als der BMW M5.
Im Ungestümen wiederum zähmt sich der Alpina, was es für den AMG erschwert. Denn der B5 aus Buchloe eifert nicht dem M5 nach, sondern ihm entgegen. Schon der erste Fünfer Biturbo, der B10 von 1989, verstand sich als gediegenere, kaum langsamere Alternative zu den Supersportwagen. Seine Legende dreht sich um das Dampfrad, an dem der Pilot den Ladedruck von 0,6 auf 0,8 bar hochschrauben konnte. Wie im damaligen steckt im neuen Biturbo viel Eigenentwicklung – und Tradition. So stammen die zwei Twin-Scroll-Turbos wieder von Garrett. Sie sitzen im V des 4,4-Liter-Achtzylinders, was Gas.aufwege wie Ansprechzögern verkürzt. Mit 1,4 bar plustern sie den V8 auf 608 PS und 800 Nm. Stärkere Kolben, ein Hochleistungs-Kühlsystem und drei weitere Wärmetauscher (einer für die neu adaptierte ZF-Achtstufenautomatik) sichern das Wohlbefinden des Antriebs.
ThyssenKrupp-Bilstein liefert die Adaptivdämpfer zum Fahrwerk mit kürzeren Federn. Für ein neutraleres Eigenlenkverhalten stimmten die Techniker die Vorderachse mit einem Grad mehr negativem Sturz ab. Dann hätten wir noch Wankausgleich, Allradlenkung, die Hochleistungs-Bremsanlage (1.780 Euro), speziell für Alpina entwickelte 20-Zoll-Pirellis und die Torsen-Differenzialsperre an der Hinterachse (3.300 Euro). Sie reagiert auf Zug und Schub, soll so in Kooperation mit dem erstmals beim B5 eingesetzten Allradantrieb xDrive für mehr Stabilität beim Kurveneingang und mehr Drang beim Ausgang sorgen.
Driftmodus, Sperrdifferenzial und Zwischengas
Weil er ja schon öfter bei uns war, halten wir es beim E 63 S etwas knapper, was die Änderungen angeht. Die wichtigsten der zahllosen: neue Vierlenker-Vorderachse mit Dreiecksquerlenkern, breitere Spur, Allrad mit vollvariabler Momentenverteilung – so richtig vollvariabel, im Drift-Modus geht alle Kraft an die Hinterachse und sorgt da für wahrlich eindrückliche Momente – und elektronisch geregeltem Sperrdifferenzial an der Hinterachse. Um den Antrieb kümmern sich der partikelgefilterte Vierliter-V8-Biturbo und die Neunstufenautomatik mit nasser Anfahrkupplung. Sie setzt beim Schalten gern einen Zwischengas-Tusch, womöglich getrieben von der Fehleinschätzung, der Wagen brauche das, um seine Präsenz zu betonen. Immerhin organisiert die Antriebseinheit die Vehemenz eines AMG GT. Im Vergleich zu dem mag das T-Modell etwas unscheinbar wirken, aber nur scheinbar.
Wie die Tatsache, dass sich der Kombi um Alltäglichkeit bemüht. Mercedes rühmt die Cargo-Position der Rücksitzlehnen, mit der sich das Standard-Ladevolumen von 640 auf 670 Liter vergrößern lässt (für Waschmaschine und so, schon klar). Für die Passagiere bringt der E das volle Raum-, Sicherheits- und Assistenzprogramm mit. Er möbliert sich hochwertig – aber eben vorn mit Schalensitzen. Die haben sie nicht ohne Grund ins Cockpit geräumt. Aber das merkst du erst draußen, wo Geraden und Möglichkeiten sich weiten. In der Stadt ist alles wie immer in so einer E-Klasse: Rundumsicht gut, Bedienung etwas umstandskrämerisch, nur die Federung selbst im Comfort-Modus der Luft- federung harsch auf kurzen Unebenheiten. Hat schon seinen Grund. Auf der Autobahn reicht ein Tapser aufs Gas, und der AMG stanzt sich auf Richttempo. Da rollt er sacht bollernd mit dem Strom, knipst oft vier Zylinder aus. Oder die Automatik legt im Schiebebetrieb den Leerlauf ein, worauf sich im Mitteldisplay ein kleines Segelboot verankert. Dann endet das Limit. Na also: Leinen los. Der Augenblick, den es dauert, bis sich alles wieder einsortiert hat – die Gänge, die Zylinder, die Turbos – , er reicht gerade aus, um kurz den Gedanken aufblitzen zu lassen, dass das alles so dramatisch schon nicht werden wird. Wird es doch. Dabei ist es nicht mal die enorme Wucht als solche, die darauf folgt, sondern die Tatsache, dass sie einfach nicht endet. Die digitale Tachonadel pixelt sich über die Skala, kommt kaum hinterher, den Tempozuwachs anzuzeigen. Schließlich prallt die Wucht bei Tempo 290 gegen den Begrenzer, was vielleicht nur umso deutlicher macht, dass er ein künstliches Limit bedeutet, nicht aber das Ende der Möglichkeiten dieses Antriebs.
Der schnippt den Zweitonner mit solcher Leichtigkeit voran, dass etwas Demut nicht ausbleibt bei dem Gedanken, wie das wohl wird auf der schmalen, zerfurchten Landstraße. Es wird noch beeindruckender, gerade weil die Sträßchen sich verschlungen und regennass durch die Landschaft schlängeln. Der E 63 S grippt sich in den Asphalt, stemmt sich mit solch makellosem, perfekt reguliertem Grip voran, dass nicht mal die Traktionskontrolle eingreifen muss. Das Bollern des V8 schallt über die Hügel. Und es scheint, als könne der AMG selbst dem enteilen, während die Automatik durch die Gänge blitzt. Im Sport-Modus spricht die Lenkung fast garstig-spitz an, kopiert dir die raue Oberfläche des Asphalts ins angestruwwelte Lenkrad. Bei aller Fahrsicherheit und trotz des Drift-Modus für abgesicherte Verwegenheit (aber nicht hier, nicht jetzt) gibt es immer gute Gründe, auf jedes Nebenher beim Fahren zu verzichten – der Mercedes bolzt sich in zwei Sekunden von 80 auf 120 km/h. Einmal unverhofft aufs Gas, und die Bäume stehen mit einem Wahnsinnstempo links und rechts der schmalen Straße. Nein, die Faszination des E 63 S liegt nicht geheimnisvoll verborgen, sondern ganz klar in seiner Kraft – und seiner schieren Existenz: dass es so was geben kann, einen Mercedes so unnachgiebig im Federungskomfort wie im Leistungswillen. Und ja, so überaus teuer.
Laufkultur, Ansatzlosigkeit und Tempo
Schon serienmäßig 10.000 Euro weiter südlich rangiert Alpinas Biturbo, mit allen testrelevanten Extras steigert sich der Preisunterschied auf das Doppelte. Aber er liegt damit doch weit unter dem Unterschied, der diese beiden Autos ausmacht. Geschwindigkeit ist absolut: Weg durch Zeit. Tempo aber lebt von der Inszenierung. Der AMG ist da ganz großes Kino, eine Mischung aus „Dirty Dancing“ und „Armageddon“ mit ein bisschen „Nackte Kanone“-Klamauk, den man ihm erst gar nicht zutraut. Der Alpina dagegen erinnert mehr an ein Symphoniekonzert. Bei dem zuckt mal die Tolle des Dirigenten, wenn er zu wild durch Beethovens Fünfte fuchtelt, aber alles ist perfekt aufeinander abgestimmt.
Den Ton gibt auch hier der Motor an, der grandiose V8 der Baureihe N63. Die geht ins elfte Jahr, was eine profunde Kenntnis im Umgang mit Leistungsspitzen erwarten lässt. Die Brillanz der Laufkultur, die Ansatzlosigkeit, mit der die zwei Lader stürmen, der Drang, mit dem er sich aufmacht, den Horizont einzuholen – all das charakterisiert auch diesen Wagen. Mehr noch aber seine mühelose Gelassenheit. Er erreicht nicht ganz die Fahrleistungen des E 63 S, der sich mit Supersportwagen messen mag. Es sind nur ein paar Zehntel, mal nicht mal das, doch spielt es beim Alpina keine Rolle – ebenso wenig wie die erhabenere Höchstgeschwindigkeit von 322 km/h, was man sich auch mal als 89 Meter pro Sekunde vorstellen sollte. Doch seine Leistungsmacht erscheint umso gewaltiger, je mehr er davon als Reserve bewahrt. Harmonie statt Härte. So vermag zwar das Zögern der Automatik beim Zurückschalten kurz irritieren nach der Fahrt im AMG. Doch c Darauf lässt man sich schneller und lieber ein als auf die klobigen Knöpfe am Lenkrad, mit denen man durch die Gänge schalten könnte. Das jedoch störte nur die Harmonie, die sich auch im straffen, aber um Komfort besorgten Fahrwerks-Set-up zeigt. Auf Unebenheiten spricht der B5 geschliffener an, lässt bei schweren Schlägen das Katapulten sein, rollt im Sport-Modus herb ab, bolzt aber nicht wie der Mercedes, dass es bis ins Fahrwerksfundament rumpelt.
Die Lenkung des Alpina spricht weicher an, hält den B5 mit hoher Präzision und geschmeidiger Rückmeldung auf Linie. Er fährt schnell, agil, traktionsmächtig und enorm sicher. Doch das Ansatzlose, Zackige, ja Gehetzte des AMG fehlt dem Alpina – ebenso wie der nervösere Geradeauslauf des AMG oder dessen größeres Rennstreckentalent. Einstellige Ergebnisse in der Umweltwertung gilt es noch zu erwähnen, die Tatsache, dass es einen Sieger gibt und dass man alldem keine zu große Relevanz beimessen muss. Schließlich sind AMG und Alpina – so gelingt gar die Schleife zur Waschmaschine.thematik vom Beginn – hervorragende Möglichkeiten, ein hübsches Vermögen zu verschleudern.