BMW 316i und Audi A4 im Test
Trotz unterschiedlicher Konzeption und Verpackung sind sich die bayrischen Autohersteller in den Niederungen ihres Modellprogramms so nah wie nie. Im Vergleich der viertürigen Basislimousinen trifft der neue Audi A4 mit 101 PS auf den BMW 316i mit 102 PS.
In jedem Fortschritt steckt ein kleiner Rückschritt. Beim neuen Audi A4 beträgt er in der Länge drei Millimeter, auf der Waage 19 Kilogramm und an der Kasse mehr als 1000 Mark (ausstattungsbereinigt) gegenüber seinem Vorgänger Audi 80. Bedauern werden dies die potentiellen Käufer vermutlich ebensowenig wie das von zwei auf 1,6 Liter geschrumpfte Volumen des Basismotors, der dafür 101 statt 90 PS leistet. Schrittmacher war in diesem Fall offenbar die kleinste BMW-Limousine, die als 316i mit 102 PS beginnt.
BMW 316i als Vorbild für Audi
In allen wichtigen Daten sucht das Ingolstädter Einstiegsmodell die Nähe zum Münchner Vorbild, dem es auch in Stil und Format ähnelt. Das muß kein Nachteil sein, denn seit Jahren behauptet sich der Dreier als kompaktes Mittelklasseauto mit sportlichem Einschlag auf den oberen Plätzen der Zulassungsliste. Rein optisch ist dem A4 diese Annäherung zweifellos gut bekommen. Er wirkt frisch und prägnant wie der BMW 3er, wobei vor allem die Front und der gewölbte Dachverlauf samt drittem Seitenfenster für markenspezifische Identität sorgen. Auch unter dem Blech hat der Audi deutlich gewonnen, was ihm unlängst in der 1,8 Liter- Klasse einen knappen Vorsprung vor seinen Rivalen von BMW und Mercedes einbrachte (siehe Heft 23/1994).
Eine Motorisierungsstufe tiefer gewinnt zunächst einmal der Kunde, denn für gerade mal 200 Kubikzentimeter weniger spart er immerhin 3500 (BMW) oder 3600 Mark (Audi). Dabei ist die Ausstattung der beiden Basismodelle inzwischen weitgehend komplett (ABS, zwei Airbags, vier Kopfstützen) und unterscheidet sich in nichts von ihren stärkeren Brüdern. So gesehen klingen 36 300 Mark für das Audi-Grundmodell gar nicht schlecht, denn BMW fordert für den BMW 316i immerhin 38 000 Mark und läßt sich zudem die Mittelarmlehne im Fond und lackierte Stoßfänger extra bezahlen.
Fahrerorientiertes Cockpit im BMW 316i
Wichtiger als solche Differenzen sind jedoch die inneren Werte. Seit vier Jahren fühlt man sich im BMW 3er mit seinem fahrerorientierten Cockpit optimal untergebracht. Alle Bedienungselemente sind ergonomisch überlegt plaziert und gut zu erreichen, was man – bis auf den Lichthebel an der Lenksäule – auch vom Audi A 4 sagen kann. Trotz erkennbarer Verbesserung gegenüber dem 80 leidet aber sein Raumgefühl unter der hohen Gürtellinie und dem voluminösen Armaturenbrett. Aus dem Frontantriebskonzept zieht der Audi nur geringe Vorteile für das Platzangebot. Weil der Motor längs statt quer vor der Vorderachse eingebaut ist und der Radstand acht Zentimeter kürzer als beim BMW ausfällt, reicht es beim Normsitzraum nur für Gleichstand. Ein kleines Plus verbucht der A4 jedoch bei der Kopf- und Ellenbogenfreiheit, so daß auch Sitzriesen von über 1,90 Meter nicht sofort an die Decke stoßen.
Im BMW 316i stören vor allem die leicht zu verwechselnden Hebel zur Sitzjustierung sowie die zu grobrastige Lehnenverstellung. Nur gegen Aufpreis (222 Mark) kann man sein Lenkrad in der Höhe anpassen, während es im Audi A4 serienmäßig auch axial verstellbar ist. Dafür geht der Einstieg in dessen Fond nicht so bequem vonstatten, wo die Hinterbänkler zudem mit einer harten Polsterung und der zu steil stehenden Rückenlehne leben müssen. Platz genug für vier Personen samt Gepäck bieten jedoch beide. Niedrige Ladekanten und außenliegende Scharniere erleichtern das Verstauen, aber mit 380 Kilogramm ist die Zuladung beim BMW 3er zu gering bemessen.
Auch qualitativ wirkt der Audi A 4 besser: Die Karosserie überzeugt sowohl durch größere Steifigkeit und Paßgenauigkeit im Detail als auch mit überdurchschnittlicher Rostbeständigkeit durch vollverzinkte Bleche. Bei annähernd gleicher Leistung und identischem Hubraum lassen die beiden Motoren keine großen Differenzen erwarten. Tatsächlich bescheinigen die Meßwerte dem 101 PS starken Audi ein fast identisches Temperament, doch rein subjektiv ist der nur ein PS stärkere BMW 316i das kräftigere und leistungsfreudigere Auto.
Sein geringfügig besseres Drehmoment (150 statt 140 Nm) setzt er in spontanen Antritt um, genehmigt sich dafür aber statt 8,6 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer (Audi) deren 9,4. Natürlich fehlen den Sechzehnhundertern der akustische Reiz und die motorische Souveränität der Sechszylinder, aber im Vergleich zu den ebenfalls vierzylindrigen 1,8 Liter-Motoren sind die Einbußen gering. Gerade mal 1,2 Sekunden mehr als der 318i braucht der 316i für den Sprint auf 100 km/h, und von 80 auf 120 km/h dauert es 20,2 statt 16 Sekunden. Mit 20,5 (1.6) zu 17,4 (1.8) sehen die Relationen beim A4 nicht viel anders aus, der dafür übrigens 24 anstelle 13 Mehr-PS (BMW) braucht und damit in die nächsthöhere Versicherungsklasse rutscht. Im Normalfall fühlt man sich in den Basismodellen keineswegs untermotorisiert, erst bei voller Beladung vermißt man die zusätzlichen Reserven. Selbst im schwächsten BMW muß man aber nicht auf die markentypische Freude am Fahren verzichten, was nicht nur dem leichtgängigen und exakt schaltbaren Getriebe zu verdanken ist. Wie gut der BMW 316i in der Hand liegt, wie präzise er sich mit der Servolenkung dirigieren läßt, das kann auch der neue Audi A4 nicht übertreffen. Der glänzt hingegen mit einem unerschütterlich gutmütigen, nahezu neutralen Kurvenverhalten, geringer Windempfindlichkeit sowie einer – zu mindest unter winterlichen Bedingungen – besseren Traktion.
Wegen seines um fast einen Meter größeren Wendekreises und seiner weniger gut dosierbaren Bremsen gibt es jedoch Punktabzüge. Die Verzögerung kann in beiden Autos befriedigen und fällt auch unter starker Belastung kaum ab. Daß sichere Fahreigenschaften und agiles Handling nicht mit unnötiger Härte erkauft werden müssen, spricht für ein aufwendiges und sauber abgestimmtes Fahrwerk. Der insgesamt gute Abrollkomfort zeigt indes Schwächen bei voller Zuladung, wo besonders der Audi A4 Unebenheiten allzu deutlich an die Insassen weitergibt. Dennoch hat man es in beiden Fällen mit hochwertigen Automobilen zu tun, die ihren stärkeren Brüdern – außer beim Antrieb – vorzugsweise in den Kosten nachstehen. Die Frage nach dem besseren Einstiegsmodell aus bayerischen Landen läßt sich also klar beantworten. Den dynamischeren Eindruck macht der BMW 316i, aber gutmütigere Fahreigenschaften und eine solidere Karosserie bietet der Audi A4. Verbrauch und Kaufpreis machen ihn darüber hinaus für kosten bewußte Einsteiger zur besseren Wahl.