Opel Astra 2.0 Turbo GTC OPC im Test
Mit seinen strammen 240 PS ist der Astra OPC für Opel ein Imageträger. Erfreulich, dass bei dem Wagen auch Tugenden wie Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit nicht auf der Strecke blieben.
Opel – der Zuverlässige. So lautete ein alter Werbeslogan. Bieder, aber korrekt. Doch dann kam Lopez. Ja genau, jener José Ignacio López de Arriortúa aus dem Baskenland, der zum Zeichen seines Nonkonformismus die Armbanduhr am rechten Handgelenk trug. Anfang der neunziger Jahre wurde Señor Lopez als Kostenkiller gerühmt. Doch berühmt – eigentlich sollte man sagen: berüchtigt – wurde er aus einem anderen Grund, als Qualitätskiller. Die Zuverlässigkeit der Opel-Produkte sank seinerzeit in Schwindel erregendem Tempo. Fast ebenso schnell rauschten die Marktanteile in den Keller. Der Opel-Blitz im Firmenlogo wurde zum Synonym für eine betriebswirtschaftliche Todsünde: Strangulieren der Qualität durch übermäßigen Kostendruck aus niederen Motiven, nämlich kurzfristige Gewinnsteigerung, die im Übrigen dank großzügiger Bonusregelung wohl auch die Portemonnaies der Manager ordentlich füllte.
Opel überzeugt wieder durch Qualität
Doch – und das die wohl tuende Moral aus dieser Geschichte – die Rüsselsheimer haben aus dem Lopez.Desaster die richtigen Schlüsse gezogen. Das Wort Qualität wird bei Opel wieder in Großbuchstaben geschrieben. Der Astra OPC, der in 22 Monaten in Diensten der sport auto-Redaktion 100.000 schnelle Kilometer abspulte, unterstrich diese These sehr eindrucksvoll. Aber auch jene These, laut der eine Marke nicht zwangsläufig den Premium-Anspruch erheben muss, um wirklich premium zu sein. Premium, das sind minimale Spaltmaße oder eine tadellose Anmutung der Oberflächen im Interieur. Was ein Auto im täglichen Umgang aber vor allem anderen Sympathiepunkte bringt, ist die Zuverlässigkeit.
Der Dauertest-OPC verdiente sich in dieser Disziplin die Bestnote „tadellos“. Keine einzige Störung verunzierte seine Vita und das ihn begleitende Testagebuch, kein einziges Mal musste der Astra außerplanmäßig in die Werkstatt einrücken. Solch eine Bilanz gab es in der Dauertest-Geschichte von sport auto noch nie. Und die reicht immerhin fast drei Jahrzehnte zurück. Dabei verfügt der Musterknabe aus Rüsselsheim keineswegs über jene Gene, die im Normalfall automobile Unsterblichkeit verheißen – wie zum Beispiel Dieselmotor oder Niedrig-Drehzahlkonzept. Der Astra OPC ist vielmehr ein austrainierter Sportler. 240 PS leistet sein Vierzylinder-Turbomotor, also 120 PS pro Liter Hubraum. Solch eine spezifische Leistung war noch vor wenigen Jahren nur bei Rennautos zu finden. Diese 240 PS machen den OPC mit der Höchstgeschwindigkeit von 244 km/h zum mit Abstand schnellsten Serien-Astra aller Zeiten. Eine Debatte zog sich wie ein roter Faden durch die Dauertestgeschichte des OPC: „Na ja, hat der nicht vielleicht sogar noch mehr als die im Schein vermerkten 240 PS?“, fragte mancher Tester angesichts des subjektiven Eindrucks. „Schließlich arbeitet im Opel GT der praktisch identische Motor, dort aber mit 265 PS.“
Tatsächliche Performance zählt
Die Antwort muss sport auto schuldig bleiben. Denn ein Besuch auf dem Rollenprüfstand hätte wegen der relativ großen Messtoleranz nicht eindeutig Aufschluss darüber gegeben, ob der Dauertest-Astra besonders gut im Futter stand. Die Debatte darüber ist aber eher akademischer Art. Wichtig ist nicht die Papierform, sondern das, was das Auto wirklich kann. 6,7 Sekunden benötigte der Astra für den Spurt von null auf 100 km/h bei Testende. Damit war er um eine Zehntelsekunde schneller als knapp zwei Jahre zuvor bei Beginn des Tests. Die Werksangabe von 6,4 Sekunden verfehlte der OPC in beiden Fällen. Dennoch spiegeln diese Zahlen die Kraft der Zwei-Liter-Maschine nur bedingt wider.
Denn die Traktion des OPC ist alles andere als berühmt. Der Opel-Motor macht keinen Hehl daraus, dass er von einem Turbolader ordentlich – mit bis zu 1,2 bar – unter Druck gesetzt wird. Damit ist aber keineswegs die früher übliche Turbogedenksekunde gemeint: Sie schrumpfte auf ein paar Millisekunden. Doch die minimal verzögernde, dann umso heftiger einsetzende Leistungsentfaltung und das formidable, gummibandartige Beschleunigungsgefühl sucht man bei vielen modernen Soft-Turbos vergeblich. Als immer wieder erstaunlich wurde die ausgeprägte Drehfreudigkeit des Vierzylinders positiv vermerkt. Gleiches gilt für die überdurchschnittlich gute Elastizität. Kurz: Der Opel-Turbo führt die ruhmreiche Tradition des Hauses bei aufgeladenen Motoren, die Anfang der neunziger Jahre mit dem 204 PS leistenden Calibra Turbo begann, auf das Vortrefflichste fort. Im Sinne eines besonders spontanen Ansprechverhaltens verzichteten die Ingenieure bei ihrem Spitzenmodell auf die in der 200 PS leistenden Basisversion eingebauten Ausgleichswellen. Ein sinnvolles Abspeckmanöver, denn von unziemlichen Vibrationen war dennoch absolut nichts zu spüren.
Getriebe arbeitet unauffällig und direkt
Die Schaltung des OPC leistete sich keinerlei Auffälligkeiten: Die sechs perfekt abgestuften Gänge ließen sich geschmeidig sortieren. Unschöne Kratzgeräusche waren nicht zu hören. Auch am Verbrauch gab es nichts zu meckern: 10,9 Liter im Durchschnitt, das kann angesichts der oft abgerufenen enormen Leistungsreserven und des nicht gerade knappen Leergewichts von 1.400 Kilo als angemessen gelten. Nicht ganz so überragende Noten wie der Motor verdiente sich das Fahrwerk. Als lästig wurde von vielen Testern das beim raschen Beschleunigen in den niederen Gängen auftretende Zerren in der Lenkung vermerkt. Die Abstimmung von Federn und Dämpfern empfanden alle als etwas zu ruppig. Der Restkomfort des OPC ist zwar noch weit entfernt vom Prädikat „Zahnplomben entfernend“, doch Klassenkonkurrenten wie der Golf GTI federn weitaus geschmeidiger – und zwar ohne Einbußen in der Fahrdynamik.
Das Fahrverhalten des OPC hinterließ einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits bleibt der 240 PS-Astra immer gutmütig, auch dank des entschlossen eingreifenden ESP. Andererseits folgt auf der Rennstrecke dem erfreulich zackigen Einlenken starkes Untersteuern. „Unharmonisch“, lautete die Rüge im Fahrtenbuch. Bestnoten dagegen für die Bremsen: Sie gefielen mit Verzögerungswerten, die stets über 10,5 m/s² lagen.
Sport-Taste ist eigentlich überflüssig
Für die ganz Hartgesottenen unter den OPC-Fahrern gibt es im Über-Astra einen Knopf in der Motorkonsole: Wer auf „Sport“ drückt, bekommt das Hardcore-Programm. Es bewirkt erstens ein schnelleres Ansprechen der Drosselklappe aufs Gasgeben (Testurteil: eigentlich überflüssig, weil Ruckelneigung provozierend), zweitens eine direktere Übersetzung der Lenkung (Testurteil: kaum zu spüren) sowie drittens ein noch strammeres Set-up der Stoßdämpfer (Testurteil: Kanaldeckel meldende Hoppeligkeit verursachend).
Über jede Kritik erhaben ist die Möblierung: Pobacken kneifend – zumindest bei Gesäßen ab der Waist-Größe 34 – vermitteln die Sitze straffen Halt bei flotter Kurvenfahrt. Nach 100.000 Kilolometern wirkte das Gestühl wie neu. Punktabzug gibt es jedoch für das Fehlen der Sitzheizung. Ansonsten ist die Klimatisierung über jeden Zweifel erhaben. Lediglich die Bedienung der A/C über einen auf diverse Untermenüs führenden Drehknopf erwies sich für manchen Fahrer als recht gewöhnungsbedürftig.