Der Porsche 911 Carrera S (997) im sport auto-Supertest
Schon in der Basisversion lässt der Carrera S kein Kriterium
aus, um seine Klasse zu beweisen. Mit dem werksseitig angebotenen
Sportpaket geht die Lobeshymne nun in eine neue Runde.
Mit Kompromissen sind sie immer schnell bei der Hand – sowohl in der Politik als auch in der Automobilszene. Diese spezielle Form der Konfliktlösung hat fraglos Hochkonjunktur. So tummelt sich unterhalb des beliebten Gattungsbegriffs Sportwagen eine große Schar von Automobiltypen, die zwar mit sportlichen Tugenden auf dem einen oder anderen Gebiet aufwarten können, als Gesamtobjekt betrachtet aber oft nichts als eine vergleichsweise enttäuschende Kompromisslösung darstellen. So betrüblich es auch sein mag: Wer eine größere Masse – als potenzielle Kund- oder oder Wählerschaft – erreichen will, dem bleibt scheinbar nur der jämmerliche Versuch, es allen und jedem recht zu machen. Selbst ein so selbstbewusster Hersteller wie Porsche verschließt sich nicht mehr alternativen Lösungen – und das sogar eine Ikone des Sportwagenbaus betreffend, den 911. In der Basisversion des neuen Carrera, Typ 997, wird es optional angeboten, beim Carrera S ist es serienmäßig: das Porsche Active Suspension Management, kurz PASM genannt. Es versucht zwei Fahrwerksphilosophien miteinander zu verbinden – die komfortable und die sportliche – die im Grunde genommen sehr unterschiedliche, zum Teil sogar divergierende Kriterien zu erfüllen haben. Das PASM-Fahrwerk besteht aus adaptiven Dämpfern mit über Stellmotoren kontinuierlich veränderbarer Dämpferkraft und zwei Beschleunigungssensoren zum Ermitteln der Vertikalbewegungen der Karosserie.
Der Carrera S ist mit einem PASM-Fahrwerk ausgestattet
Das Steuergerät setzt die Signale der Sensoren in Relation zu Querbeschleunigung, Lenkwinkel, Fahrgeschwindigkeit, Bremsdruck und Motormoment und bestimmt aus diesen Werten die für für jedes einzelne Rad erforderliche Dämpferhärte. Immerhin dürfte es sich hier um das erste variable Dämpfersystem handeln, das verwertbare, soll heißen: nachvollziehbare Alternativen bereitstellt. In der Normal-Position sorgt PASM für einen für Porsche-Verhältnisse fraglos erstaunlichen Fahrkomfort, während in der „Sport“-Stellung stringente Straffheit angesagt ist. Die fahrdynamischen Eigenschaften verbessern sich sowohl subjektiv als auch objektiv. Laut Porsche macht der Unterschied zwischen beiden Einstellungen auf der Nordschleife etwa fünf Sekunden zu Gunsten der Sporteinstellung aus. Trotz allem – und damit kommen wir auf den Punkt – handelt es sich auch beim PASM-Fahrwerk eindeutig um eine Kompromisslösung. Den Beweis dafür liefert Porsche sogar selbst: Das parallel angebotene, 1.508 Euro teure Sportfahrwerk inklusive 19-Zoll-Rädern arbeitet nämlich ganz konventionell mit fest definierten Dämpferkennlinien. Unsere Beweisführung führte uns wie gewohnt auf den Kleinen Kurs nach Hockenheim, wo der Carrera S mit PASM-Fahrwerk im Test bereits mit einer eindrucksvollen Rundenzeit von 1.15,6 Minuten vorstellig wurde.
Die Überraschung folgte ein halbes Jahr später. Denn mit dem Sportfahrwerk, das den Porsche um 20 Millimeter tiefer legt, härtere Federn und straffere Dämpferkennlinien beinhaltet und sowohl vorn als auch hinten auf stärkere Stabilisatoren zurückgreift, läuft der neue Carrera S erst zur wahrhaftigen Höchstform auf. Mit einer fantastischen Rundenzeit von 1.14,3 Minuten unterbietet er die Serienfassung um glatte 1,3 Sekunden. Eine große Hilfestellung liefert dabei die exklusiv dem Sportpaket vorbehaltene mechanische Quersperre an der Antriebsachse. Sie nimmt mit ihrer asymmetrischen Aufteilung von 22 Prozent Sperrwirkung im Zug- und 27 Prozent im Schubbetrieb mindestens so viel Einfluss auf das Fahrverhalten wie das Fahrwerk selbst. Der Zeitgewinn auf der Rennstrecke ist nur ein Aspekt – der zusätzliche Lustgewinn beim Fahren ein anderer. Kein Porsche zuvor konnte in vergleichbarer Weise nicht nur hinsichtlich der Fahrdynamik, sondern auch in puncto Neutralität und Fahrsicherheit begeistern. Selbst Lastwechselreaktionen, früher gehasst und gefürchtet, haben ihren Schrecken verloren. Das sachte Drängen mit dem Heck unter Last ist dagegen genau das richtige Rezept, um am Kurvenausgang zügig das Weite suchen zu können. Ein Ausbrechen der Hinterachse lässt sich nur noch unter Gewaltanwendung realisieren. Wie kann es sein, so fragt man sich erstaunt, dass ein Sportwagen, dessen Motor hinter der Hinterachse positioniert ist, sodasss jene immerhin 61,7 Prozent des Gesamtgewichts von 1.461 Kilogramm zu tragen hat, solche Fähigkeiten an den Tag legt? Eine sensible und kundige Hand bei der Abstimmung dürfte, so die Antwort, neben den hochkarätigen Komponenten und der perfekt ausbalancierten Fahrwerksgeometrie ausschlaggebend für diesen rundum überzeugenden Auftritt sein.
1.461 Kilogramm stehen beim Wiegen des Carrera S auf der Waage
Der Härtegrad des Setups mag gegenüber dem Sportprogramm des PASM-Fahrwerk insgesamt zwar gestiegen sein. Die Abstimmung ist in sich aber schlüssiger und wird als angenehm satt und trocken empfunden. Von unangenehmen Wippbewegungen oder Nachschwingen keine Spur. Diese – so behaupten wir – gesunde Härte führt in der Summe zu einem Fahrverhalten, wie es Vertrauen erweckender und erlebnisreicher kaum sein kann. Der Grenzbereich offenbart sich – naheliegenderweise auf abgeriegelter Strecke – als der Ort der wahren Bestimmung. Die neue Lenkung vermittelt dabei weiterhin das typische, sehr direkte und anregende Porsche- Feeling. Sie zeigt aber weniger Nervosität und erfordert im Vergleich zum Vorgänger auch geringere Haltekräfte. So lässt sich der Carrera S dank seiner variablen Lenkübersetzung nun auch in schnell gefahrenen Autobahnbiegungen mit relativ lockerer Hand dirigieren, wenngleich ihm die stoische Gelassenheit großer Sportlimousinen bei solchen Gelegenheiten immer noch abgeht. Die Einflüsse auf die Lenkung insbesondere auf welliger Piste sind im Gegensatz zu den Vorgängermodellen aber auf ein Mindestmaß beschränkt, sodass feuchte Handflächen nun für andere Ursachen herhalten müssen.
In der modifizierten Fassung wird die Lenkübersetzung bei Lenkradeinschlägen von über 30 Grad zunehmend direkter, weshalb von Anschlag zu Anschlag nur noch 2,6 Lenkradumdrehungen notwendig sind – beim Vorgänger waren es knapp drei. Die Handlichkeit des mit einer breiteren Spur (vorn 1.486, hinten 1.516 Millimeter) auftretenden Carrera steigert sich so auf ein Qualitätsniveau, das nicht nur Glückseligkeit hervorruft, sondern auch die Zeiten im Slalom-Parcours auf Rekordniveau hebt. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 136 km/h drängt sich der Carrera S zwischen die bisher Schnellsten im 36-Meter-Slalom, den Topster von AC Schnitzer (137 km/h) und den BMW M3 CSL (135 km/h), und teilt sich den zweiten Platz mit dem Mercedes CLK DTM AMG . Die Klasse des Porsche wird allerdings erst ins rechte Licht gerückt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die drei Mitstreiter auf dem Podium auf Trockengrip optimierten Sportreifen unterwegs waren. Der Carrera S vollbringt die anspruchsvolle Übung dagegen auf normalen Straßenreifen. Sie müssen naheliegenderweise in die Lobeshymne über die herausragenden fahrdynamischen Talente des Sport-Setups miteinbezogen werden. Es handelt sich bei den ab Werk montierten Michelin Pilot Sport 2 besonders in der vorliegenden Porsche-Spezifikation (N1) um wahre Alleskönner.
Der Carrera S sprintet auf Straßenreifen./strong>
Auf trockener Piste fallen sie nicht nur durch hervorragenden Grip auf, sondern auch durch ein erstaunlich souveränes Abnutzungs- verhalten. Die extrem schnellen Runden auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim und auf der Nordschleife haben ihnen optisch nur wenig zugesetzt. Das Tragbild zeigte sich nach den Gewaltanwendungen jedenfalls nur geringfügig verändert. Dass die breiten Niederquerschnittsreifen im stattlichen 19- Zoll-Format grundsätzlich keine Leisetreter sein können, muss als gegeben hingenommen werden. Die allgemeinen Fahrgeräusche werden im Carrera S somit deutlich von den Abrollgeräuschen der Reifen dominiert. Die Nasshandling-Versuche auf der bewässerten Dunlop-Teststrecke in Wittlich nahm der Carrera jedenfalls mit derselben Souveränität unter die Räder wie die heißen Trockenübungen zuvor. Das hohe Durchschnittstempo spricht sowohl für die perfekte Traktion von Auto und Reifen als auch für eine sehr gute Seitenführung an beiden Achsen sowie ein exzellentes Bremsverhalten. Allerdings – und hier liegt der Hase im Pfeffer – geht die Haftreibung im Grenzbereich nicht weich und fließend in die Gleitreibung über, sondern recht hart und abrupt. In diesem Fall – und bei ausgeschaltetem PSM – ist also ausnahmsweise etwas mehr Fingerspitzengefühl am Volant gefragt. So kritiklos der Carrera S mit Sportfahrwerk das Thema Querdynamik abhakt, so überzeugend stellt er auch seine längsdynamischen Eigenschaften in den Fokus – was im Grunde aber auch nicht anders zu erwarten war.
Die wie im Rennsport mit Keramikscheiben und riesigen Festsätteln aufwartende PCCB-Bremse zeigt sich in der aktuellen Fassung nicht nur gewohnt angriffsstark, sondern auch standesgemäß komfortbewusst – das war nicht immer so. Unangenehme Schleif- oder Quietschgeräusche, die an verschlissene Bremsscheiben oder ab- genutzte Beläge erinnerten, wurden der Keramik- Bremse nunmehr aberzogen. Die im Durchmesser rundum 350 Millimeter großen Scheiben wiegen rund 50 Prozent weniger als die herkömmlichen Stahlscheiben und reduzieren damit die ungefederten Massen um ganze 14 Kilogramm. Die weiterentwickelte Version verfügt nun über eine vergrößerte Anzahl von Kühlkanälen und weist darüber hinaus auch eine optimierte Formsteifigkeit auf. Davon soll neben einer nochmals erhöhten Leistungsfähigkeit auch die Lebensdauer profitieren. Mit gemessenen Verzögerungsleistungen von bis zu 12 m/s² markiert sie eindeutig die Spitze der Entwicklung, was den hohen Aufpreis von 7.830 Euro relativiert. Reduzierte Bremsleistung in der Hitze des Gefechts gehört damit aber ebenso der Vergangenheit an wie nachlassender Pedaldruck. Der immer wieder erstaunliche, niemals endende Entwicklungsprozess lässt sich auch am neuen Boxermotor des Carrera S nachvollziehen. Mit ihm schreitet nun schon die zweite Generation wassergekühlter Boxermotoren zur Tat. Technisch betrachtet erfüllt das große 3,8-Liter-Triebwerk mehr als nur die vorgegebene Norm, was sich dank aufwändigster mechanischer und elektronischer Steuerungen am vergleichsweise sparsamen Umgang mit dem Betriebsmittel und an einem weiter verbesserten Emissionsverhalten ablesen lässt.
In 16 Sekunden erreicht der Carrera S Tempo 200
Die Leistungsdaten des im Heck versteckten Triebwerks sind erwartungsgemäß so eindrucksvoll wie eh und je. In 4,8 Sekunden auf Tempo 100, in 16,0 Sekunden auf 200 km/h. Und eine Höchstgeschwindigkeit von 293 km/h – Herz, was willst du mehr? Im Zusammenspiel mit dem aufwändig synchronisierten Sechsganggetriebe und der perfekt zu bedienenden Kupplung brennt dieser grandiose Boxermotor ein Feuerwerk ab, wie es eindrucksvoller und nachhaltiger kaum sein kann. Die seidige Laufkultur, der spontane Antritt, die imposante Durchzugskraft und last but not least die irre Drehfreude im oberen Drehzahlbereich, die dem Charakter eines reinrassigen Rennmotors sehr nahe kommt, schaffen ein Gefühl von unvergleichlicher Erhabenheit. Dabei erfordert der Carrera im Umgang weder überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit noch zwingt er seinen Piloten gewöhnungsbedürftige Eigenschaften auf. Alles geht völlig easy von der Hand. An die seligen alten Boxer-Zeiten fühlt man sich angesichts dieser umfassenden Neupositionierung allenfalls akustisch zurückversetzt. Das interessante, blecherne Brabbeln im Leerlauf und das herz- erweichende Schreien, das der 3,8-Liter-Boxer in der Nähe der Drehzahlgrenze verlauten lässt, ist eine schöne Reminiszenz an die Vorgänger, die ja zu ihren Hochzeiten eines auch schon immer konnten – der Konkurrenz den schönen Rücken zeigen.