Honda Civic 1.6 VTi im Test
In die Kompaktklasse kommt immer mehr Bewegung: Nach Fiat Bravo und Nissan Almera tritt nun der neue Honda Civic an, der als 1.6 VTi bei vergleichbarer Ausstattung preisgünstiger als sein Vorgänger angeboten wird.
Audrey Hepburn ließ die Herzen der Männer mit einem tiefgründigen Blick aus ihren haselnussbraunen Augen dahinschmelzen, Paul Newman sorgte mit meerblauen Augen für Gefühlsverwirrung bei den Damen, und David Copperfield verzaubert mit seinem magischen Blick gleich beide Geschlechter. Kein Wunder, dass nun auch Honda auf die Verführungskraft der Augen setzt und beim neuen Civic mit überdimensional großen Scheinwerfern auf Kundenfang geht. Doch der japanische Hersteller unterzog nicht nur das Gesicht einer Verjüngungskur, auch die Figur wurde neu geformt. Der zweitürige Civic ist in der Länge um elf Zentimeter gewachsen, und der Radstand hat um fünf Zentimeter auf 2,62 Meter zugelegt. Unverändert blieb nur die Breite. Diese Werte versprechen bereits auf dem Papier mehr Platz im Innenraum als im viel zu schlanken Vorgänger, und tatsächlich können nun auch Erwachsene komfortabel im Fond sitzen, weil ausreichend Bein- und Kopffreiheit vorhanden sind. Geräumig geworden ist die sechste Civic-Generation deshalb aber noch lange nicht. Vor allem Fahrer und Beifahrer beschleicht bisweilen das Gefühl, eingeengt zu sein. Nicht nur wegen des Schiebedachs, das es in Verbindung mit dem 1,6 Liter-VTi serienmäßig gibt, fällt die Kopffreiheit vorne knapp aus. Auch unter der extrem flach verlaufenden Frontscheibe des Honda leidet das Raumgefühl. Die Sonnenblenden sind so nah, dass sie beim Umklappen beinahe an die Köpfe stoßen. Das Kofferraumvolumen, von 190 auf 225 Liter gewachsen (600 Liter bei umgeklappter Rücksitzbank), rangiert weiterhin auf Kleinwagenniveau. Opel Corsa (260 Liter), Citroën AX (273 Liter) und Fiat Punto (275 Liter) bieten mehr Gepäckraum, auch bei umgeklappter Rücksitzbank. Die Ablageflächen des Honda sind wesentlich praxisgerechter dimensioniert: In der Mittelkonsole, in den Türen und im Handschuhfach findet sich genug Platz für Karten, Kugelschreiber, Bonbons und all die anderen Kleinigkeiten, die sonst durchs Auto rollen. Das Leben im Civic erleichtern auch gut ablesbare Instrumente und problemlos zu bedienende Tasten und Schalter – wenn man sie erst einmal gefunden hat.
Warum der Knopf für das Schiebedach links neben dem Lenkrad weit außerhalb des Beifahrerzugriffs platziert wurde, bleibt das Geheimnis von Honda. Die Liste der Funktionalitätsmängel lässt sich noch fortsetzen: Wegen der breiten Türen sind die Gurte so weit hinten verankert, dass man sich sehr strecken muss, um das Gurtband zu erreichen. Der Hebel für die Kofferraumentriegelung links neben dem Fahrersitz ist bei Dunkelheit nicht zu finden. Der Fahrersitz selbst fährt nicht vor, wenn Passagiere den ohnehin beschwerlichen Weg in das tief gelegene Fondabteil aufnehmen, und die Sitzlehne muss nach jedem Umklappen neu eingestellt werden, weil eine Memory-Funktion fehlt. Erst nach Studium der Bedienungsanleitung können dem Radio Töne entlockt werden, da die Einschalttaste nicht deutlich genug gekennzeichnet ist, und im Falle eines Plattfußes hilft das Notrad höchstens bis zur nächsten Werkstatt weiter. Eine viel längere Lebensdauer dürfte den Motoren beschieden sein. Insgesamt stehen fünf Vierventil-Triebwerke von 75 bis 160 PS zur Wahl. Das Spitzenaggregat, ein 1,6 Liter- Vierzylinder mit variabler Ventilsteuerung VTEC (Variable Valve Timing and Lift Electronic Control), fährt der Konkurrenz wie dem VW Golf GTI mit besseren Beschleunigungs- und Elastizitätswerten mühelos davon, den Charakter eines kleinen Sportwagens vermag er trotzdem nicht zu vermitteln. Weil der rauhe Motor sein maximales Drehmoment von 153 Newtonmetern erst bei 7000/min erreicht, braucht er hohe Drehzahlen, um seine Kraft zu entfalten. Und auch durch die variable Ventilsteuerung fehlt es dem Vierzylinder, gemessen an seinem hohen Leistungspotential, unter 3000 Touren an Durchzugskraft.
Eine neue Bestmarke setzt der Honda jedoch mit seinem niedrigen Verbrauch. Das 160 PS starke Auto verbraucht im Schnitt nur 9,1 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer und ist bei sparsamer Fahrweise sogar mit rund sieben Litern zufrieden – Pluspunkte, die der Civic im Kapitel Fahreigenschaften wieder verspielt. Denn das Auto benötigt mit kalter Bremsanlage immerhin 44,4 Meter, um aus 100 km/h zum Stillstand zu kommen und reagiert auf hohe Belastung auch noch mit starkem Fading: Erst nach 52,2 Metern steht der Civic mit erhitzten Bremsen. Für schnelle Autobahnfahrten ist das Fahrwerk mit der bekannten Doppelquerlenker- Aufhängung der Leistung des Civic entsprechend ausgelegt. Die Federung absorbiert Bodenunebenheiten bei hohen Geschwindigkeiten besser als unter 100 km/h, wo Querfugen und Kanaldeckel das Komfortgefühl der Passagiere empfindlich stören. Als gutmütiger Untersteuerer, der mit den Vorderrädern zum Kurvenaußenrand schiebt, zeigt sich der Honda in schnell durchfahrenen Kurven. Lastwechsel quittiert das Heck aber mit einem nervösen Schwenk. Die passive Sicherheit hat Honda deutlich verbessert. Alle Versionen verfügen nun serienmäßig über zwei Airbags, der 1.6 VTi zusätzlich über ABS. Trotz des Modellwechsels ist der Civic günstiger geworden. Der 1.6 VTi kostet mit 38 990 Mark immerhin 490 Mark weniger als sein Vorgänger – eine Preissenkung, die verführerischer sein dürfte als der Augenaufschlag des Civic.