Lamborghini Diablo GT im sport auto-Supertest
Der Diablo lässt noch einmal richtig die Muskeln spielen: In der auf 80 Stück limitierten GT-Version verfügt der italienische Spitzensportler nun über eine Leistung von 575 PS. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 330 km/h.
Die Gelegenheiten, einfache und gut verständliche Rechnungen aufzumachen, sind in verzwickten Zeiten, in denen das Zustandekommen von Zahlen und Preisen immer undurchsichtiger wird, äußerst selten – siehe Benzinpreise. Aber es gibt sie noch, diese leichten und für jeden nachvollziehbaren Kostenberechnungen: 1.000 Mark pro PS – mit dieser schlichten Formel geriet die Preisgestaltung für den neuen Diablo GT zum simplen Kinderspiel. So einfach die Rechnung auch ist: Werden 1.000 Mark mit der Anzahl der auf Abruf stehenden Pferdestärken multipliziert, dann errechnet sich ein Preis, der mindestens genauso atemberaubend ist wie die Erscheinung des Boliden selbst: 575.000 Mark. Der exorbitante Aufpreis von 215.000 Mark gegenüber dem bisherigen Grundmodell Diablo SV (360.000 Mark) erscheint ungeachtet aller zahlenmäßigen Logik zumindest auf den ersten Blick ziemlich überzogen. Allein der Kraftzuwachs von knapp zehn Prozent (575 PS gegenüber 520 PS beim Diablo SV) reicht sicher nicht dafür aus, um auf der nach oben offenen Begeisterungsskala zusätzliche Punkte zu sammeln. Überdies wird der Marktwert von Lamborghini in der kurzen Zeit seit der Übernahme durch Audi nicht so sprunghaft angestiegen sein, dass sich eine solche Preissteigerungsrate rechtfertigen ließe.
Der enorme Preisanstieg des Diablo GT erzeugt keine Begeisterung
Die sanfte Einflussnahme der neuen Lamborghini-Eigner aus Ingolstadt hat in kürzester Zeit jedoch Veränderungen bewirkt, die von Kennern der Materie als Quantensprung in der Vita des Diablo angesehen werden. Obwohl in der Substanz des konventionellen Stahlrohrrahmen-Chassis alles beim Alten blieb und auch der legendäre Zwölfzylinder in seinen Grundzügen keine Veränderungen erfuhr, wurde mit dem neuen GT ein auffälliger Wandel vollzogen: Er brachte neben deutlich spürbaren Veränderungen im tagtäglichen Umgang auch messtechnisch nachvollziehbare Fortschritte mit sich. Man glaubt es kaum: 100 Millimeter mehr Spurweite an der Vorderachse – nur 50 Millimeter auf jeder Seite – sind sozusagen die Initialzündung für ein wahres Feuerwerk an Verbesserungen. Der Auslöser für das Breitenwachstum an den Radaufhängungen war eher banal: Wegen der weit in den Fußraum hineinragenden Radhäuser ließ die bisherige Sitzposition im Diablo eher zu wünschen übrig. Die gegenüber dem Sitz stark nach rechts verschobene Pedalerie erforderte schon vor dem ersten Motorbrüller ein gehöriges Maß an Eingewöhnung.
Der etwas umständliche Zugang durch die senkrecht nach oben öffnende Tür in die niederen Ebenen des Diablo-Cockpits belohnt der GT nun auf eine für seine Verhältnisse sehr konziliante Art: Bis auf das noch immer leicht nach rechts aus der Mitte versetzte Lenkrad nimmt er es mit der Ergonomie recht genau. Man tappt – flapsig ausgedrückt – nicht mehr so unbeholfen im Dunklen, sondern findet sich im neuen Schaltzentrum der Macht spontan zurecht. Die extrem gut geschnittenen Sportsitze lassen kein Verrutschen weder in Längs- noch in Querrichtung zu. Vierpunkt-Hosenträgergurte tun ein Übriges, um über die feste Fixierung mit dem System ein Gefühl für die Möglichkeiten und Erfordernisse zu bekommen. Die extreme Keilform und die stark nach innen eingezogenen Dachkanten schränken allerdings die Kopffreiheit für groß gewachsene Personen weiterhin stark ein. Nur mit leicht nach rechts geneigtem Haupt ist es möglich, etwa der Helmpflicht auf der Rennstrecke Genüge zu tun.
Kopffreiheit ist nicht die Stärke des Diablo GT
Auch die Übersichtlichkeit dieses 1.115 Millimeter flachen, dafür aber über zwei Meter breiten Keils (2.040 mm) ist auf originelle Weise optimiert worden: Der im direkten Windschatten folgende Verkehr wird – sofern er auf Tuchfühlung bleiben kann – per Kamera observiert und via Monitor auf der Instrumentenkonsole sichtbar gemacht. Die Farben verfolgender Fahrzeuge lassen sich jedoch nur bei Tageslicht identifizieren; nachts liefert das künstliche Auge, das unterhalb des riesigen Heckflügels montiert ist, lediglich Schwarzweißbilder mit gleißenden Lichtpunkten. Der Informationswert geht dann gegen null – selbst Blaulicht wird nur als weißes Licht übertragen. Das birgt Gefahren. Zu guter Letzt hilft – etwa beim Einparken – ein zusätzliches akustisches Warnsystem vor möglichem Fremdkontakt. Der könnte bei starkem Input nämlich teuer werden, denn die makellose Haut des Diablo GT besteht erstmals, wie im Übrigen weite Teile des Innenraums, aus ebenso leichtem wie teurem Karbon. Mit starkem Windgetöse und lauten Abrollgeräuschen im Cockpit ist es erstaunlicherweise vorbei.
Trotzdem spielt die Akustik weiterhin die Hauptrolle in dieser einmaligen Motorshow, die mehr noch als in den Gefilden der Stadt auf der Rennstrecke für Aufsehen und stehenden Applaus sorgt. Das urwüchsige Grollen des 60-Grad-V12 schon kurz über Leerlaufdrehzahl und das bösartig klingende Brüllen bei geöffneten Drosselklappen schlagen jeden in den Bann, der nur in die Nähe dieser Machtzentrale gerät. Die Anziehungskräfte des gewaltigen Sechslitermotors, der in noch großvolumiger Ausführung auch Offshore- Boote zu Höchstleistungen treibt, sind vielfältig – leider auch hinsichtlich des Betriebsmittels: 30 Liter Super Plus saugt sich dieser Brüller von Motor locker rein, wenn er gefordert wird. Erleichterte Kurbelwelle, Titanpleuel, variable Einlasssteuerung hin oder her – bei diesem Hochleistungstriebwerk gilt die Maxime: von nichts kommt nichts. Als Basis für die 30 GTR-Rennversionen, die in der europaweit ausgetragenen Lamborghini-Supertrophy bereits um Punkte fighten, muss diesem GT ein solches Konsumverhalten zugestanden werden. Die relevanten Resultate überzeugen jedenfalls: In 12,8 Sekunden stürmt der italienische Supersportler aus dem Stand auf Tempo 200 km/h. Dieser sensationelle Wert erstaunt umso mehr, als der voll getankt immerhin 1.620 Kilogramm schwere Zweisitzer bis 100 km/h schon 4,4 Sekunden beansprucht. Von 100 bis 200 km/h vergehen also nur 8,4 Sekunden.
Der Diablo GT braucht nur 12,8 Sekunden auf Tempo 200
Dass es mit der Elastizität nicht so weit her ist, liegt nicht am Motor selbst, der ja ein Drehmoment von immerhin 630 Newtonmetern bereithält, sondern schlicht und einfach an den Übersetzungen. Das knorrige, weiterhin schwer zu schaltende Fünfganggetriebe behindert den Motor auf Grund der großen Gangspreizungen zuweilen in einer Weise, die beim Fahrer zu Frustrationen führt: Standesgemäße, oder besser der Motorleistung entsprechend vorgeführte Zwischenspurts gelingen auf der Autobahn nur dann in überzeugender Manier, wenn mindestens ein Gang zurückgeschaltet wurde. Unser Antrag: Die nächste Evolutionsstufe des Diablo sollte zwingend ein leicht zu bedienendes Sechsganggetriebe beinhalten – und eine kürzere Gesamtübersetzung: Eine Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h ist infolge mangelnder Freiräume auf den Autobahnen so abwegig wie das Angebot seitens Lamborghini, den Diablo auf Wunsch mit einer noch längeren Endübersetzung auszuliefern. Die dann erreichbaren Geschwindigkeiten – bis zu 340 km/h – dürften sich in der Praxis als nicht mehr durchführbar erweisen.
Wohl aber könnte das Tempo auf einem Terrain weiter erhöht werden, das ungleich mehr Aussagekraft besitzt als der öffentlich vorgeführte Hochseilakt auf der Autobahn weit jenseits von 300 km/h. Kürzer übersetzt wäre die Vorstellung auf dem längsten Streckenstück des Nürburgrings, der Döttinger Höhe, nämlich noch eindrucksvoller ausgefallen als sie ohnehin schon war. Mit sage und schreibe 272 km/h, aber bei einer Drehzahl im fünften Gang, die noch weit unterhalb des Leistungszenits lag, durchpfeilte der GT den Messpunkt kurz vor der Antoniusbuche. Die Acht-Minuten-Schallmauer, vor kurzem erst vom neuen Porsche Turbo mit einer Rundenzeit von 7.56 Minuten durchbrochen, verfehlte der starke GT somit um knappe vier Sekunden (8.04 Minuten). Ein weiterer Stellhebel für eine Verbesserung der fahrdynamischen Eigenschaften liegt im Bereich der Bremsen. Die riesigen Komponenten sind, was die Standfestigkeit angeht, über alle Zweifel erhaben. Allerdings funktioniert das Zusammenspiel zwischen der Hardware der Bremse und der Software des ABS nicht optimal. Vermutlich sind es die zu frühen Regeleingriffe des ABS, die die Bremsleistungen auf einen Wert reduzieren, der eigentlich nicht der Leistungsfähigkeit der Bremskomponenten entspricht. Nur 9,6 m/s², respektive 40,2 Meter Bremsweg sind das Ergebnis der Prüfung aus 100 km/h.
Die Bremsen des Diablo GT sind kein Glanzstück
Aus höherem Tempo und mit zunehmender Temperatur zeigt der Diablo GT etwas bessere Werte, wobei die Bremse bei stark entlastetem Fahrzeug – etwa am Schwedenkreuz – erst sehr verspätet ihre volle Leistungsfähigkeit erlangt – wieder auf Grund der erhöhten Regelfrequenzen des ABS. Wo die Sekunden auf der Nordschleife verloren gehen, ist eindeutig definiert. Sozusagen zum Ausgleich für verpasste Chancen läuft der Diablo GT in Hockenheim zur Hochform auf. Mit einer Rundenzeit von 1.14,4 Minuten zeigt er sogar dem Porsche Turbo (1.14,6 min), was eine Harke ist. Gegenüber dem Diablo SV entspricht dies einer Verbesserung um ganze zwei Sekunden. Diese signifikante Steigerung auf dem nur 2,6 Kilometer langen Kurs macht deutlich, welche Metamorphose der Diablo seit der Neuinszenierung durchgemacht hat. Ein kleines Wunder ist geschehen – der Spurverbreiterung sei Dank.