Lancer Evo IX und Impreza WRX STi im Vergleichstest
Die Häupter ihrer Wettbewerbsableger sind mit unzähligen Rallyesiegen gekrönt. Auf der Straße geht der Vergleich zwischen den Top-Allradlern Mitsubishi Lancer Evo IX und Subaru Impreza WRX STi in eine neue, extreme Runde.
Besondere Anlässe erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Um neue Horizonte zu erschließen ist es unumgänglich, die Rahmenbedingung zu erweitern, den Blick deutlich über den üblichen Tellerrand hinausschweifen lassen. Auch wenn sich das hinlängliche sport auto-Messprozedere per se schon aufwändig genug gestaltet, so haben wir im besonderen Fall des Aufeinandertreffens von Mitsubishi Lancer Evo IX und Subaru Impreza WRX STi die Manege nochmals vergrößert.
Trockener Asphalt reicht als Testgeläuf nicht aus
Weil sich diese beiden ausgewiesenen Spezialisten ihres Fachs bereits durch ihre technischen Gegebenheiten für ein deutlich weitreichenderes Testrefugium empfehlen. Allein mit knochentrockenem Asphalt können und wollen sich diese japanischen Flügeltiere nicht zufrieden geben. Dazu sind sie unter ihrem extrovertierten Blechkleid zu spezifisch gerüstet, kokettieren nicht nur mit Leistungen von 280 PS, sondern mit hochkarätigen Allradsystemen. Und deren wahre Künste kommen nun einmal mehr auf losem Geläuf und weniger im sonnigen Hockenheim zum Vorschein. Wenngleich sich der neu aufgelegte Top-Impreza für die Anforderungen im badischen Motodrom bestens gewappnet hat: Der WRX STi steht auf Sportreifen der Marke Bridgestone RE 070. Wohingegen sich der mit Aluminium-Dach und neuer Frontpartie aufgerüstete Evo IX mit handelsüblichen Bridgestone Potenza RE 050A zu begnügen hat. Und der Reifen-Trumpf des Subaru sticht – obwohl nicht derart überzeugend, wie anzunehmen wäre. Aber das grundsätzlich etwas höhere Gripniveau verhilft dem Impreza auf dem 2,6 Kilometer langen Kleinen Kurs immerhin zu einem Vorteil von 0,7 Sekunden.
Aber der Mitsubishi hinterlässt den subjektiv agileren Eindruck. Der mit dem 2.500 Euro teuren Sportpaket gerüstete Lancer, das 4,4 Kilogramm leichtere BBS-Felgen, spezielle Bilstein-Dämpfer und den mächtigen Kohlefaser-Heckflügel umfasst, giert nach Kurven wie kein anderer seines Genres. Jeder noch so kleine Lenkbefehl mündet in einen sofortigen Richtungswechsel, der ein Wiesel vor Neid erblassen lässt. Gewogene 1.482 Kilogramm, gefühlte 1.000 kg – der Evo ist in seiner neunten Ausbaustufe einmal mehr auf messerscharfe Fahrdynamik zugespitzt. Zu seiner Leichtigkeit des Seins verhilft ihm primär das aufwändig konstruierte Hinterachsdifferenzial. Dieses kann einen Großteil des Antriebsmoments dem kurvenäußeren Rad zuteilen. Nur bei engen Kurven neigt der Neuner zum Einlenkuntersteuern. Die Taktik, langsamer rein und dafür früher wieder aufs Gas, geht auf. Zumal Traktion kein Thema ist. Der Biss des aufgeladenen Reihenvierzylinders geht verlustfrei in Vortrieb über. Mit einer Rundenzeit von 1.16,8 Minuten toppt der neue Lancer den Evo VIII um 0,4 Sekunden.
Der Subaru macht einen Sprung nach vorn
Im Fall des Subaru fällt der Fortschritt weitaus eklatanter aus. 1,8 Sekunden Vorsprung für die Neuerscheinung in Hockenheim sind eine klare Ansage. Die umfassenden technischen Änderungen haben eine bestechende Wirkung. Wobei hier weniger die optischen Retuschen – das neue Markengesicht und der zusätzliche Dachflügel – den Ausschlag geben. Viel mehr sind es die motorischen Kräfte und der gelungene Feinschliff auf dem Fahrwerkssektor, die dem Subaru zu einem deutlich gestiegenen Leistungsvermögen verhelfen. Die Aufrüstung des Boxer-Triebwerks von bislang zwei auf nunmehr 2,5 Liter Hubraum und der Einsatz einer variablen Ventilsteuerung haben eine Spitzenleistung von 280 PS und ein maximales Drehmoment von 392 Newtonmeter zur Folge. Vor allem im unteren Drehzahlbereich kommt der Impreza nun überzeugend zur Sache. Die früher bemängelte Anfahrschwäche ist passé. Der Vierventiler bietet ein breiter nutzbares Drehzahlband. Obwohl das trägere Ansprechverhalten des großen Verdichters den Impreza bei der Elastizitätsmessung zurückwirft. Der Lancer zieht ihm in allen Gängen auf und davon – trotz des nominell geringeren Drehmoments. Aber die kleinere Turbine und die auch im Evo Einzug gehaltene Umstellung auf eine variable Ventilsteuerung verhelfen dem vom Volumen her kleineren Reihenvierzylinder zu einer besseren Leistungscharakteristik.
Beim Spurt aus dem Stand liefern sich die beiden Allradler dann ein erbittertes Kopfan-Kopf-Rennen, das der Impreza bis Tempo 100 zunächst für sich entscheiden kann. Ab 140 km/h übernimmt der Lancer wiederum die Führung, die er bis 200 Sachen auf 1,2 Sekunden ausbaut. Den Mitsubishi hemmt beim Startprozedere zunächst seine Drehzahlbeschränkung: Die Motorelektronik regelt bei eingelegtem ersten Gang bei 5.000 Touren ab, um das Antriebssystem bei schlagartig einrückender Kupplung zu schonen. Der WRX gibt seinem Piloten freie Hand oder, besser gesagt, freien Fuß: Maximaldrehzahl 7.000, Kupplung lupfen – und der Impreza schießt sich unter wildem Boxer-Getöse derart brachial aus der Ruheposition, dass es den Passagieren das Hirn an die hintere Schädelwand zementiert. In 1,1 Sekunden auf 40 km/h – das hat Katapultcharakter. Die Respekt einflößende Spurtarie wird nur durch die kleinen Gedenksekunden beim Schalten leicht getrübt. Die Fahrstufenwechsel gehen in der Subaru-Sechsgangbox immer noch ein bisschen knorpelig vonstatten. Im Mitsubishi flutschen die sechs Gänge auf kürzeren Wegen, bei gebotener Eile aber auch etwas hakelig.
Der Subaru liegt vorn obwohl der Mitsubishi der gefühlte Sieger ist
Halbzeitstand: Obwohl es der Mitsubishi deutlich besser versteht, den Piloten in seinen Bann zu ziehen, mehr in das System Fahrzeug zu integrieren und die subjektiv mehr In Richtung Fahrspaß ausgerichete Basis abgibt, muss er sich bei Trockenheit hinter dem Können des Subaru einordnen. Der Impreza wirkt in seiner Handhabe etwas softer veranlagt, versteht es aber dennoch, die überzeugenderen Werte zu fabrizieren. Dazu verhelfen ihm natürlich auch seine besser konditionierten Reifen, die ihm in den Fahrdynamikwertungen den entscheidenden Vorteil bei der Punktevergabe in der sport auto-Wertung bringen. Aber kommen wir zur Kür – dem gleichfalls heiklen wie auch eleganten Tanz bei niedrigen Reibwerten, im verregneten Hockenheim und auf einem verschneiten Schotterparcours auf der Schwäbischen Alb. Jetzt sind die Allradler in ihrem ureigenen Element und bieten unisono Fahrspaß im instabilen Fahrzustand. Der rührt zu Tränen und macht süchtig – auch wenn bei einer äußerst engagierten Fahrweise über 30 Liter Super Plus durch die Einspritzdüsen laufen. Aber das ist ein anderes Thema.
Die interessante Story kapriziert sich darauf, dass der Mitsubishi auf dem vom Regen bewässerten Kleinen Kurs verlorenes Terrain zurückerobert. Zwar kann er dem Subaru nur 0,3 Sekunden abknöpfen. Aber er tut dies in einer für den Fahrer berechenbareren Weise. Weil er sich bei Lastwechseln sanft dem Übersteuern zuwendet, um sich ab dem Kurvenscheitelpunkt unter Volllast im gepflegten Allraddrift über alle Viere auf die nächste Gerade zu hechten. Im Impreza bekommt der Fahrer deutlich mehr zu tun. Denn der Subaru kokettiert mit einem wesentlich nervöseren Heck, fühlt sich beim Beschleunigen mehr der Garde der Hecktriebler zugetan, was mehr Lenkkorrekturen erfordert. Daran kann auch das über ein Rändelrad auf dem Mitteltunnel verstellbare Mittendifferenzial nichts Gravierendes ändern. Zwar bringt die Stellung „Lock“, also die auf 50:50 Prozent fixierte Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse, ein etwas neutraleres Verhalten beim Herausbeschleunigen aus Kurven. Andererseits tendiert der Subaru WRX STi dann jedoch etwas mehr zum Einlenkuntersteuern. Den Reifen ist hierbei kein allzu großer Einfluss zuzuschreiben. Viel mehr zeigen die Sportpneus auf der feuchten Piste sogar ein überraschend hohes Gripniveau und stehen den Gummis des Evo IX in nichts nach. Die Bridgestone RE 070 des WRX sind sogar in der Lage, eine etwas höhere Verzögerungsleistung zu übertragen.
Auf Schotter und Schnee dreht der EVO richtig auf
Und was tut sich auf losem Geläuf? Auf jenem rutschigen Untergrund, für den diese für so manchen Zeitgenossen zuweilen sozial unverträglich in Erscheinung tretenden Spezialisten ursprünglich konzipiert sind? Mit Winterreifen bestückt (Subaru auf Bridgestone Blizzak LM 22, Mitsubishi auf Pirelli Sottozero) schlägt dann die wahre Stunde des Evo IX. Die niedrigen Reibwerte auf der verschneiten Schotterstrecke verdeutlichen, was sich bei Nässe im Ansatz abzeichnete. Das Verhaltensmuster des Mitsubishi ist klarer gestrickt und glasklar zu durchschauen. Provozierte Lastwechsel oder ein Zug an der Handbremse leiten den Drift ein. Den Rest erledigt die Wahl der Drosselklappenstellung. Vollgas ist fast schon das Allheilmittel, der Evo zoomt sich stabil und bravourös aus der Biegung. Im Subaru geht das Eintauchen in die Kurvenkombination zunächst ähnlich forsch und leichtfüßig vonstatten. Beim Herausbeschleunigen hängt das Heck des Impreza dann aber deutlich länger nach außen. Zudem sorgt die relativ hohe Sperrwirkung des Vorderachsdifferenzials dafür, dass die Front immer wieder versucht, zum Kurvenausgang zu drängen. Dieses leichte Wechselspiel zwischen Unter- und Übersteuern erfordert nicht nur eine schnelle und kundige Hand am Volant, sondern schlägt sich auch zeitlich nieder. 3,1 Sekunden fehlen dem Subaru am Ende auf dem 1.206 Meter langen Schnee-Parcours.
Was deutlich aufzeigt, dass das ausgeklügelte Allradkonzept des Mitsubishi mehr zu leisten im Stande ist. Dabei spielen die Möglichkeiten, manuellen Einfluss auf die Sperrwirkung des Mittendifferenzials zu nehmen – im Subaru per Rändelrad, im Mitsubishi auf Knopfdruck – keine große Rolle. In beiden Fällen dient diese mögliche Spielerei primär nur als ein Homologations-Feature für die seriennahe Gruppe N der Rallye-Weltmeisterschaft. Die Grundauslegung ist es, die das Zünglein an der Waage spielt. Der Subaru tritt mit einer Standard-Kraftverteilung von 41 zu 59 Prozent an, die bis maximal 50:50 Prozent gesperrt werden kann. Der Mitsubishi ist per se paritätisch ausgelegt – was sein mögliches Fenster der Momentenverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse deutlich größer gestaltet und ihm so ein stabileres Fahrverhalten ermöglicht. Bei trockenem Asphalt fallen derartige Zahlenspiele nicht weiter ins Gewicht. Es ist eben erst die Erweiterung des Test-Horizonts, die das wahre Ich dieser beiden einzigartigen Spezialisten ans Tageslicht fördert. Und – so ganz nebenbei bemerkt – macht eine derartige Beweisführung auch noch verdammt viel Spaß.