Mercedes A45 AMG, Audi S3, BMW M235i
Zwölf Karosserievarianten lassen sich die Sportkompakten von Audi, BMW und Mercedes inzwischen überziehen. Wie so oft kommt es darauf an, was man drunter trägt. Ein winterabendliches Tête-à-Tête.
Jetzt, so gegen halb vier, wenn die Sonne langsam aber sicher am Horizont verglüht und Platz macht für eine lange kalte Nacht, blüht die A-Klasse auf. Mal mit den Kollegen um die Häuser ziehen, endlich mal Auto sein statt Gehhilfe – in ihrem ersten Leben war ihr all das nicht vergönnt. Wegen des – aus dem Blickwinkel dieses Magazins betrachtet – unvorteilhaften Körperbaus heiratete sie jahrelang in gesetztere Familien ein, diente eher dem Rücken als der Libido und musste allerspätestens nach dem Canasta-Nachmittag im Gemeindehaus zurück sein in der Reihenhauskolonie – schließlich isst man zeitig.
Mercedes A45 AMG die finale Eskalationsstufe
Kein Wunder also, dass sie nun, da sie endlich auch Zutritt zum angesagten AMG-Club bekommen hat, auch etwas über die Stränge schlägt: Anders als Audi und BMW, die ihre Emotionen dezenter ausleben, lieber vor Szeneläden posieren als Straßenzüge zusammenzugrölen, feiert sie laut, hart und hochoktanig. Hell, Yeah statt Bussi-Bussi, wenn man so will.
Oder um es etwas sachverständlicher zu formulieren: Mit dem A45 AMG hat Mercedes die finale Eskalationsstufe bereits erreicht, Audi S3 und BMW M235i hingegen müssen noch etwas Luft nach oben lassen für das, was in den nächsten Monaten noch kommt.
Überhaupt geht es bei diesen dreien nicht nur um PS-Party, sondern auch um Modellpolitik, um Vorlieben und um die Vielseitigkeit eines einst ziemlich monotonen Segments. Die A-Familie verkörpert hier und heute das klassentypische Steilheck-Format, der BMW 2er das Coupé, das – auch wenn Mercedes das mit Verweis auf die viertürigen CLA anders sieht – für BMW nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal darstellt; und Audi die kompakte Limousine, die trotz schlimmster Befürchtungen im Vorfeld ihrer Präsentation nun um Lichtjahre adretter aussieht als all die schaurigen Gestalten von einst, die per Definition dasselbe gewesen sind. Stichwort VW Vento, um mal ein paar alte Wunden wieder aufzureißen.
Mercedes A45 AMG übertrumpft Audi und BMW
Bevor angesichts der Verschiedenartigkeit jetzt gleich der Vorwurf mit den Äpfeln und den Birnen aufkommt, die wichtigste Erkenntnis gleich vorweg: Egal welche Karosserievariante man überstülpt, Performance und Fahrgefühl tangiert das – wenn überhaupt – nur im Nachkommabereich. Entscheidend ist vielmehr die technische Unterwäsche.
Mercedes A45 AMG und Audi S3 sind schon von Haus aus ähnlich angezogen. Beide treiben alle vier Räder an, beide nutzen dafür ein Haldex-System, das die Hinterachse bedarfsgerecht andockt, und beide tragen Zweiliter-Vierzylinder auf der Vorderachse, die sich erst durch den Grad ihrer Aufladung, um 60 PS und 70 Newtonmeter dann aber doch relativ deutlich unterscheiden. Will heißen: Mit 300 PS hat die Audi S3 Limousine hier wenig zu verlieren. Und sollte es mit dem Gewinnen am Ende dann doch nicht klappen, tröstet zumindest die Tatsache, dass die Retourkutsche in Gestalt des 367 PS starken Audi RS3 bereits in den Startlöchern steht – wenngleich vorläufig noch nicht im Limousinenkleid.
Bei BMW lässt der potenzielle Konter noch ein bisschen länger auf sich warten. Im Tarnanzug hat der BMW M2 seine wunderbar dicken Backen zwar schon ausgeführt, endgültig fallen werden die Hüllen aber wohl erst auf der IAA. Schlecht sind die Karten des 2er aber schon in der M-Performance-Fassung nicht.
Der BMW M235i lädt sich zwar deutlich softer auf als die beiden Vierzylinder, unterfüttert den Turboschub dafür aber mit zwei Töpfen und einer fast vollen Maß Hubraum mehr. In Summe: Dreiliter-Reihensechser, 326 PS und erhebliche 450 Newtonmeter, mit denen er sogar an den 360 PS starken Mercedes A45 AMG heranragt.
xDrive pfuscht nicht ins Feeling
Insgesamt ist der BMW M235i vielleicht der urtypischste BMW derzeit – trotz des optionalen xDrive-Systems, das die Traktion steigert, diesseits des Grenzbereichs aber nicht über Gebühr ins Feeling pfuscht. Das liegt erstens daran, dass das kompakte Coupé auch als Hecktriebler nicht zu jenen wüsten Quertreibern gehört, die schon beim Anbremsen einer Kurve mit dem Schwänzchen wedeln; und zweitens am Allradantrieb selbst, der viel flexibler mit den Drehmomenten jonglieren kann als die Hang-on-Systeme der Konkurrenz – wenn auch nicht ganz so spielerisch, wie es uns der Hampelmann aus der TV-Reklame vormachen will.
Einzige Einschränkung: Vierradgetrieben gibt es den BMW M235i nur mit achtstufigem Sportautomat, was die Handwerker nerven wird, sich im konkreten Fall aber ganz gut trifft, da Audi die S3 Limousine mit Doppelkuppler zu uns schickte.
Die Nenner sind also so gemeinsam wie irgend möglich. Und doch ist vieles recht verschieden unterm Strich. Der Reihe nach. Der erste Durchgang der Längsdynamikmessungen findet wegen des inkontinenten Winterwetters auf einer stellenweise feuchten Strecke statt. Kann man schon machen, haben wir gesagt, sind ja alles Allradler. Pustekuchen! Audi S3 und BMW M235i xDrive lassen sich von den nassen Flecken zwischendrin zwar nicht beeindrucken, springen im Vergleichstest ansatzlos vom Fleck und spurten ohne auch nur mit einem Profilblock zu zucken auf die 100er-Marke zu – wobei übrigens die Launch Control jeweils nur ein Zehntel rausholt.
Mercedes A45 AMG ringt im Nassen um Halt
Der Mercedes A45 AMG hingegen ringt bei diesen – sagen wir mal: suboptimalen – Bedingungen schlicht um Halt. Statt den Drehmomentpunch mit der Haldex-Kupplung abzufangen und direkt nach hinten durchzutreiben, rutscht ihm ein beträchtlicher Teil schon durch die Vorderräder. Erst im Trockenen hält der Mercedes A45 AMG seinen biestigen Vierzylinder im Zaum, racestartet aggressiv, regelt, macht, tut, rabatzt durch die Abgasanlage und rappelt derart mit den Antriebssträngen, dass man ernsthaft fürchten muss, sie lägen jeden Moment in Stücke gerissen auf der Bahn.
Ganz so schlimm kommt es im Vergleichstest nicht, folgenlos bleibt der schonungslose Umgang aber ebenso wenig: Nach dem zweiten Sprintversuch schnappt der Selbstschutzmechanismus zu – Allradantrieb und Launch-Funktion quittieren ihren Dienst. Vorübergehend. Nach einer Verschnaufpause ist alles zwar wieder verheilt, dennoch bleibt am Ende ein kleiner Schönheitsfehler an den ansonsten so imposanten Werten des Mercedes A45 AMG zurück.
Im Audi S3 müssen alle Beteiligten weniger ertragen. Allerdings ist der Ertrag auch eher gering – zumindest im Umfeld dieser Drückerbande hier: 19,5 Sekunden bis 200 km/h, 35 Meter von 100 auf 0, eine 1.16,5 in Hockenheim – alles überaus anständige Werte, aber alles nur Rang drei. Ursachen?
Audi S3 noch ohne radselektive Momentenverteilung
Forschung: Ein Teil davon erklärt sich sicherlich durch die erhebliche – und in Gedanken längst gutgeschriebene – Minderbemittelung des TFSI, der andere liegt in seiner Einstellung. Der Audi S3 ist nicht der Kämpfertyp wie etwa der Mercedes A45 AMG, nicht derjenige, bei dem sich über fahrerischen Einsatz noch mal ein, zwei Quäntchen herausholen lassen, sondern der Techniker: akkurat, in allen Belangen extrem durchdacht, aber stellenweise ein bisschen zu theoretisch vielleicht.
100 Prozent lässt der Audi S3 zu, wer mehr fordert, bekommt weniger. Oder praxisbezogen ausgedrückt: Man muss den Audi S3 stets sauber am Limit entlangfahren, scheitelpunktgenau in Kurven lenken, sonst tunkt die Front ins Untersteuern. Nicht falsch verstehen: Vom kopflastigen Fahrverhalten des vergangenen S3 ist der Neue weit – ach was – meilenweit entfernt, dennoch kurvt er um so viel biederer ein als ein weitgehend baugleicher TT. Grund ist das Fehlen der radselektiven Momentenverteilung, die das Heck beim Abbiegen in die Kurve impulst, und die im Audi S3 erst im Laufe des Modellzyklus eingeführt werden soll. Warten? Lohnt!
Straffer Audi S3 oder flockiger BMW M235i?
Bis es so weit ist, bleibt ihm die Rolle des Gourmet-Dynamikers. Bitter nur, dass die mit dem BMW M235i xDrive hier auch einen Tick hochklassiger besetzt ist. Nun mag es eine Frage der Vorliebe sein, ob man das flockige BMW-Feeling dem strafferen, etwas kunstfaserigen Audi vorzieht. Spätestens zum Reihensechszylinder gibt es jedoch keine zwei Meinungen mehr. Nicht nur, dass er fülliger anspricht, schmalziger drückt und leichtfüßiger hochdreht, sondern vor allem, weil seine rauchige Röhre und das dumpfe Halbgasbrodeln einfach so verboten – Obacht Wortspiel – sechsy klingen.
Allerdings changiert das Fahrerlebnis im BMW M235i xDrive je nach Schlagzahl sehr stark – was vor allem am Getriebe liegt. Im Gegensatz zur Audi S3 Limousine, die sich mit seiner zackigen Übersetzung immer auf Spannung hält, ihr Drehzahlband genau bis zum letzten der sechs Gänge zieht, nutzt der BMW die Automatikstufen sieben und acht nur zum Entspannen. Bedeutet im Alltag: Wer den Dreiliter im D-Programm an der langen Leine führt, sollte mit einkalkulieren, dass er sich vorm Zwischenspurten immer erst aufrappeln muss.
Wandler schlägt Doppelkuppler
Dennoch stellt der Wandlerautomat des BMW M235i xDrive das beste Getriebe im Feld. Mit Abstand. Er fährt geschmeidiger an als die Doppelkuppler im Audi S3 und Mercedes A45 AMG, schaltet – dank Drehmomentüberhöhung – im Sprint mindestens genauso spektakulär und reagiert obendrein zuverlässiger, schneller und exakter auf manuelle Eingriffe, die vor allem der Mercedes A45 AMG in schöner Regelmäßigkeit verpennt.
Noch eklatanter ist sein Vorsprung sonst nur im Slalom: Trotz des höchsten Gewichts turnt der BMW M235i regelrecht um die Pylonen. Locker, exakt, mit intelligenten Heckbewegungen und überdurchschnittlichen 70,4 km/h im Schnitt. Zum Verständnis: Ein Lotus schafft das selbst als Clubracer nicht.
Auf der Runde jedoch fightet sich der Mercedes A45 AMG die Sportlerehre wieder zurück. Mit der erbarmungslosen Abstimmung seines Performance-Fahrwerks rüttelt er zwar derart über die Curbs, dass sich Teile der Einrichtung aus ihrer Verankerung lösen. Im Gegenzug nagelt sie ihn aber unerbittlich auf der Ideallinie fest.
Zu starr wirkt der Mercedes A45 AMG dabei nicht – ganz im Gegenteil. Für den 18-Meter-Slalom mag das lose Hinterteil zu schaukelig sein, auf der Rennstrecke indes hilft es, die enorme Kopflastigkeit auszugleichen. Ach, reden wir doch nicht weiter drumherum: Keiner lässt sich hier so herzerfrischend durch Hockenheim bolzen wie die A-Klasse. Und ganz ehrlich, wenn uns irgendjemand vor fünf Jahren gesagt hätte, dass wir so einen Satz jemals schreiben würden, wir hätten ihn für bekloppt erklärt.
Mercedes A45 AMG nur eine Zehntel vor M235i
Bei einem BMW ist die Erwartungshaltung traditionell natürlich etwas erhöht, der BMW M235i übertrifft sie im Vergleichstest dennoch. Nur ein mageres Zehntel trennt ihn am Ende vom Mercedes A45 AMG, das Feeling ist dennoch ein völlig anderes. Lenkung und Fahrwerk fühlen sich deutlich flauschiger an als im durchweg herben A45, der Aufbau pendelt weitwinkliger um die Hochachse, jedoch ohne dabei von der Linie zu schunkeln; und statt wie der A45 schon beim Einlenken den Hintern leicht zu machen, biegt er satt und neutral ein, um erst kurvenausgangs ganz sachte mit dem Heck zu drücken.
Bei aller Liebe, eine Watschen muss sein: und zwar für die optionale Sportbremsanlage. Sie verzögert grundsätzlich zwar sensationell, erzielt mit 34,4 Metern aus 100 km/h den besten Wert im Feld, zieht sich aber bereits nach fünf halbwegs schnellen Rennstreckenrunden aus dem Pedal zurück.
Wirklich fehlerfrei performt jedenfalls nur der Audi S3. Aber manchmal ist es eben wie in jedem Sport: Auch wer gut spielt, kann verlieren. Zum einen fehlt ihm – wie gesagt – die Kraft, um vorn mitzuhalten, zum anderen bewegt er sich einfach ein bisschen zu steif. Eine Spaßbremse? Generell nicht, in dieser Nacht jedoch bleibt ihm fast nichts anderes übrig. Allein, weil er etwas bedröppelt danebensteht, jetzt um kurz vor Mitternacht, als die anderen beiden noch mal losmachen, um ihren gemeinsamen Testsieg abzufeiern.