Mercedes S 320
Mit der neuen S-Klasse will Mercedes wieder Marktführer in der Luxusklasse werden. Der S 320 gibt Aufschluss über die Qualitäten des neuen Daimler-Flaggschiffs.
Nach dem Elchtest-Debakel der A-Klasse und dem fragwürdigen Minimal-Mobil Smart können Liebhaber der Marke Mercedes aufatmen. Die neue S-Klasse ist endlich wieder ein echter Mercedes, mit allen Attributen, die den Stern zum Symbol für Weltspitze im Automobilbau gemacht haben. Das fängt beim Design an. Nach den Akzeptanz-Problemen mit dem allzu wuchtigen Vorgänger (W 140) sollte der neue S-Mercedes (W 220) leicht und grazil wirken. Herausgekommen ist eine gefällige, coupéhaft wirkende Limousine, der man ihre stattliche Größe nur im unmittelbaren Vergleich mit anderen Autos ansieht. Denn sehr viel kleiner als der Vorgänger ist die neue SKlasse nicht.
Sie mißt immer noch deutlich über fünf Meter (5,04 m), in der von 60 Prozent aller Käufer bevorzugten Langversion sind es nochmals zwölf Zentimeter mehr. Die zierliche Optik des neuen Mercedes-Flaggschiffs wird auch durch die um vier Zentimeter geschrumpfte Höhe (1,44 Meter) unterstützt sowie von den stärkeren Karosserieeinzügen im Front-/ Heckbereich und der Fahrgastzelle. Dennoch versprechen die relevanten Komfortmaße objektiv eher mehr als weniger Platz im Innenraum. Subjektiv stellt sich verglichen mit dem Vorgänger ein engeres Raumgefühl ein. Es ist zwar genügend Platz da, doch die flacher liegende Frontscheibe ist den vorderen Insassen deutlich näher gerückt, und die etwas zu hohe Sitzposition schmälert den Freiraum über den Köpfen. Man sitzt dennoch sehr komfortabel auf den fast zierlich wirkenden Sitzen der neuen S-Klasse, mit guter Übersicht nach vorne, ohne jedoch das Heck einsehen zu können. Wer ungern auf Karosseriekontakt parkt, sollte sich daher das auf Wunsch (1450 Mark Aufpreis) lieferbare und optisch wie akustisch warnende Parktronic-System (PTS) leisten.
Mit ihm und der serienmäßigen Parameterlenkung läßt sich die große Limousine mühelos zentimetergenau positionieren, vorausgesetzt, die Parklücke ist auch groß genug. Ansonsten hat sich Mercedes Mühe gegeben, ein fast komplett ausgestattetes Auto anzubieten. Elektrische Sitzund Lenkradverstellung zählen ebenso zur Serie wie ein Radio mit zehn Lautsprechern, die gut funktionierende Klimaautomatik oder das Fahrstabilitätsprogramm ESP. Warum der Kunde mit einem Aufpreis (771 Mark) für die Sitzheizung verärgert wird, bleibt da schwer verständlich. Für Unmut dürfte auch die in einigen Details nicht ganz befriedigende Qualität der SKlasse sorgen, wie beispielsweise die billig wirkenden Türgriffe, Hartplastik im Innenraum oder der schlagartig öffnende Kofferraumdeckel. Natürlich gibt es noch eine lange Liste von teuren Sonderausstattungen.
Dazu zählen Lederpolster, edlere Hölzer und der belüftete, dynamische Multikontursitz ebenso wie die heftig kommunizierten Innovationen namens Comand (Bedienund Anzeigesystem für Navigation, Radio und Telefon), der ab Frühjahr nächsten Jahres lieferbare Radar-Abstandshalter Distronic sowie die automatische Türöffnung per Chip- Karte (Keyless Go). auto motor und sport verschaffte sich mit dem normalen Fahrtberechtigungssystem (FBS 3), so heißt bei Mercedes der codierte Sicherheitsschlüssel, Zugang. Zur Einstiegserleichterung schwenkt das Lenkrad nach oben, der Körper fällt in einen angenehm weich gepolsterten Sitz. Das zunächst verwirrende Bedienumfeld bedarf insbesondere nachts gründlicher Orientierung, zumal einiges anders ist als früher, wie beispielsweise die Tasten für Fensterheber und Spiegelbetätigung oder die Klimaautomatik.
Doch der Mensch gilt ja als lernfähig, was man selbst von Autotestern verlangen kann. Darum ist es schon nach relativ wenigen Aufenthalten im Stau möglich, mittels des Multifunktionslenkrads all das herauszufinden, was hinter dem Zentraldisplay in der unteren Hälfte des gut ablesbaren Segment- Tachos so lauert. Das sind bis zu acht Hauptmenüs, wo neben der Grundfunktion für Kilometer- und Tageszähler unter anderem der Bordcomputer, das Auto Pilot System (Navigation, falls vorhanden) oder individuelle Einstellungen, deren tieferen Sinn erst die Betriebsanleitung enthüllt, abgerufen werden können. Läßt man das Ganze unbeachtet, kann man entspannt mit der neuen S-Klasse losfahren. Die Schalter für Licht, Scheibenwischer und Tempomat liegen an bekanntem Platz, die Fußfeststellbremse löst wie gewohnt, und der Motor springt auf Schlüsseldruck spontan an. Doch was ist das? Die Schaltkulisse offeriert nur noch vier Stellungen (P, R, N und D), das frühere Labyrinth für manuelles Aufsuchen der unteren vier Gänge fehlt. Gut so, endlich eine Vereinfachung.
Zumal die adaptiv von der Fahrweise gesteuerte Fünfgangautomatik sowieso alles richtig macht. Sie schaltet bei Bummeltempo früh und weich hoch und läßt dabei fast unmerklich die schlupfgeregelte Wandlerüberbrückung in den Gängen drei, vier und fünf einfließen. Genauso sanft erfolgt das Rückschalten. Wird die Fahrweise forciert, paßt sich die Automatik unauffällig stufenlos an und läßt den Motor im Bedarfsfall bis annähernd zur Drehzahlgrenze (6000/min) hochjubeln. Zusätzlich bietet die SKlasse- Automatik eine manuelle Schaltfunktion. Durch Druck auf den Wählhebel nach links wird heruntergeschaltet, nach rechts hoch. Man braucht diese manuelle Beeinflussung höchst selten. Sinnvoller erscheint da die Benutzung der Wintertaste bei glatter Fahrbahn, mit der Anfahrvorgänge grundsätzlich im zweiten Gang (auch rückwärts, denn das Getriebe hat zwei Rückwärtsgänge) stattfinden und die Schaltpunkte in niedrigere Geschwindigkeitsbereiche verlegt werden.
Noch ist das Motorenprogramm der neuen S-Klasse nicht komplett. Zum Produktionsstart gibt es einen Sechszylinder (S 320) und zwei Achtzylinder (S 430 und S 500). Zwei Benziner (S 280 und S 600 V12) sowie zwei Diesel (ein Sechs- und Achtzylinder) werden noch folgen. Die Statistik des Vorgängers weist den 3,2 Liter großen Sechszylinder als die mit Abstand beliebteste Motorisierung aus (knapp unter 50 Prozent). In der neuen S-Klasse, die mit 1834 Kilogramm zwar kein Leichtgewicht, aber doch erheblich leichter als das Vormodell (2028 Kilogramm) ist, kann sich der 224 PS starke V6 gut in Szene setzen.Er wirkt erstaunlich lebendig und drehfreudig. Dabei bleibt er akustisch und im Schwingungsverhalten unauffällig, solange er nicht voll gefordert wird.
Dann allerdings läuft er etwas rauher als gute Reihensechszylinder und läßt auch Gaswechselgeräusche hören, ohne daß dies jedoch sehr stören würde. Die mit diesem Sechszylinder realisierbaren Fahrleistungen jedenfalls (null auf 100 km/h in 9,2 Sekunden; Höchstgeschwindigkeit 240 km/h) sind standesgemäß und sichern müheloses Fortkommen. Dabei liegen die Verbrauchswerte je nach Fahrweise zwischen elf und 13 Litern pro 100 Kilometer, also in einem für eine so große Limousine noch vertretbaren Rahmen. Klar ist aber auch, daß die beiden Achtzylinder eine noch souveränere Form der Fortbewegung ermöglichen, was vor allem im direkten Vergleich auffällt. Beim Fahrwerk sind solche Differenzierungen kaum möglich. Denn die neue S-Klasse setzt in allen Motorisierungsstufen auf die niveauregulierende Luftfederung (Airmatic), die unter allen Belastungszuständen genügend Federweg bereithält. Bei hoher Geschwindigkeit (ab 140 km/h) senkt Airmatic den Aufbau automatisch um 15 Millimeter ab und spart so auch noch Kraftstoff. Auf besonders unebenen Wegen kann die Karosserie zudem per Knopfdruck geliftet werden. Daß der Komforteindruck unter allen Fahrbahnbedingungen als überdurchschnittlich empfunden wird, hängt freilich nicht allein am Schluckvermögen der unter einem statischen Druck von zehn bar stehenden Luftpolster in den reibungsarmen Gummibälgen.
Auch das ohne Zutun des Fahrers elektronisch gesteuerte adaptive Dämpfersystem (ADS), das je nach Aufbau- und Radbewegung auf vier Dämpferkennlinien zurückgreift, trägt zu dem überragenden Komforteindruck der neuen S-Klasse bei. Airmatic und ADS sind es auch, die der großen Limousine ein äußerst handliches und agiles Fahrverhalten ohne schwankende Aufbaubewegungen bescheren. Es wird unterstützt durch die präzise, im Kraftaufwand geschwindigkeitsabhängig gesteuerte Parameterlenkung, mit der sich die fast zwei Tonne schwere Limousine wie ein Kompaktwagen dirigieren läßt. Dabei bleibt selbst bei stark forcierter Fahrweise das Eigenlenkverhalten mustergültig. Im Extremfall ist dann ESP zur Stelle, um durch gezielten Bremseneingriff den eingeschlagenen Kurs zu sichern. Dank ESP lassen sich auch die standfesten Bremsen, die etwas präziser ansprechen könnten, in kritischen Situationen bedenkenlos einsetzen. Mehr Fahrsicherheit ist nach dem Stand der Technik kaum denkbar. Wie überhaupt die neue S-Klasse in vielen Kriterien der Oberklasse die Maßstäbe zurechtrückt. Allerdings auch im Preis. Doch auch das hat man von Mercedes erwartet.