Nissan 200 SX im Test
200 SX steht drauf, 200 PS sind drin: Das neue Nissan-Coupé mit Vierzylinder-Turbomotor hat Leistung satt für die große Reise. Ob der sportliche 2+2-Sitzer genügend Trümpfe besitzt, um seine zahlreichen Mitspieler auszustechen, klärt der Test.
Es gibt Autos, die transportieren nicht nur Personen, sondern vor allem Emotionen. In einem Nissan 200 SX – so macht der Prospekt glauben – ist man immer auf dem Weg an die Côte d’Azur, auch wenn man gerade die A 40 von Duisburg nach Mülheim befährt. Denn der neue Nissan soll – anders als der gleichnamige Vorgänger – nicht einfach ein Coupé, sondern ein Grand Tourisme sein. Ganz im Stil berühmter Vorbilder bezieht die Karosserie des 2+2-Sitzers ihren optischen Reiz aus imposanten Proportionen. Die lange Motorhaube und ein knapp geschnittenes Passagierabteil erinnern nicht von ungefähr an das ungleich teurere Jaguar -Coupé XJS, das vor allem durch seinen eingeschränkten Nutzwert Stil zeigt. Eine ähnliche Haltung wird vom Nissan-Fahrer verlangt, denn praktisch betrachtet hat die Eleganz einige Nachteile.
Fahrer und Beifahrer können sich in dem Neuling zwar über ordentliche Sitze und mehr Kopf- und Ellenbogenfreiheit als im Vorgänger freuen, aber üppig ist das Raumangebot unter dem stark eingezogenen Dach nicht. Aufgrund der flachen Sitzposition stößt man leicht mit den Knien gegen das Lenkrad, woran auch die Höhenverstellung wenig ändert. Die fehlt jedoch bei den Sitzen und den Sicherheitsgurten, ohne dass man sie – zumindest im Fond – wirklich vermisst. Denn als vollwertige Sitzplätze betrachtet selbst Nissan die hinteren Mulden nicht. Sie eignen sich höchstens für Kinder oder Haustiere, streng genommen nur für Gepäck. Zu diesem Zweck ist die Rücksitzlehne umklappbar, was zugleich eine kleine Durchreiche zum Kofferraum freigibt.
Damit lässt sich sein gegenüber dem Vorgänger von 320 auf 307 Liter geschrumpftes Volumen nach Bedarf erweitern, so dass genügend Platz für die Reise zu zweit zur Verfügung steht. Vielmehr muss man von einem Sportcoupé mit einer Länge von 4,52 und einer Breite von 1,73 Metern auch nicht verlangen, obwohl Konkurrenten wie der Opel Calibra eine ganz andere Raumökonomie hinzaubern. Unabdingbar ist jedoch wegen der starken Aufheizung des Innenraums der Einbau einer Klimaanlage, die sich Nissan mit 1.500 Euro bezahlen lässt. Auf Seitenscheiben, die – wie beim BMW 3er Coupé – selbsttätig beim Öffnen und Schließen der Türen ein Stückchen herunterfahren, muss man ebenfalls verzichten. Ansonsten weist der Nissan 200 SX eine reichhaltige Serienausstattung auf, wie sie auch in der 25.000 Euro-Klasse nicht allgemein üblich ist. Neben Wegfahrsperre, Leichtmetallfelgen und Nebelscheinwerfern gehören auch Sicherheitsdetails wie ABS, zwei Airbags mit Gurtstraffern oder die Türverstrebungen zum Schutz bei einem Seitenaufprall dazu. Der Wunsch nach einer persönlichen Note verhallt jedoch ungehört: Neben der Klimaanlage stehen nur noch ein Automatikgetriebe (1.350 Euro) und eine Mineraleffekt-Lackierung (350 Euro) in der Preisliste.
Dabei könnte gerade der Innenraum etwas Kosmetik vertragen. Es mangelt zwar nicht an hilfreichen Elektromotoren für die Betätigung von Außenspiegeln, Fensterhebern und Zentralverriegelung, aber an Flair. Hier haben offenbar die Kaufleute verhindert, daß die Designer mit neuen Elementen oder ungewöhnlichen Materialien jene stilistischen Akzente setzen konnten, die man von einem Auto individuellen Zuschnitts erwartet und die ein Fiat Coupé beispielsweise auch bietet. Stattdessen verbreiten graue Kunststoffe und Textilien eine sachlich-nüchterne Atmosphäre, die vielleicht zu einem Mittelklassewagen, nicht aber zu einem Sportcoupé passt. Immerhin: Rein sachlich gibt es weder an der Verarbeitung noch an der Funktionalität etwas auszusetzen, allein an Ablagen mangelt es. Die Karosserie ist spürbar steifer geworden, und die Bedienung gibt keinerlei Probleme auf. Für die Übersichtlichkeit gilt das hingegen nicht. Vorderer wie hinterer Karosserieabschluss entzieht sich weitgehend dem Blick des Fahrers, obwohl der Spoiler auf dem Heckdeckel eine grobe Orientierung liefert.
Bei Regen erweist sich auch der Heckwischer, den man bei Autos mit Stufenheck nur höchst selten antrifft, als rücksichts- und segensvolle Einrichtung. Umsicht kann man im neuen 200 SX tatsächlich gut gebrauchen, denn auf eine unspektakuläre Weise stößt er mit seinen Fahrleistungen in echte Sportwagen-Regionen vor. Der Zweiliter-Vierzylinder-Turbo leistet genau 200 PS, die mit dem leer 1.314 Kilogramm wiegenden Coupé ein leichtes Spiel haben. Dabei setzt Nissan den großvolumigen Sechszylinder- Motoren anderer Hersteller eine geballte Ladung Technik entgegen, die eine harmonische und zugleich sparsame Kraftentfaltung gewährleisten soll. Neu ist vor allem ein sogenannter linearer Turbolader. Während üblicherweise Turbomotoren ihren maximalen Ladedruck bereits bei mittleren Drehzahlen erreichen, steigert der lineare Lader den Druck kontinuierlich bis hinauf in den oberen Drehzahlbereich.
Obwohl sich Nissan mit einer relativ hohen Verdichtung und einem kleinen Lader sowie variabler Ventilzeitensteuerung um die Vermeidung eines Turbolochs bemühte, blieb es in Gestalt einer kurzen Gedenksekunde erhalten. Danach legt der potente Vierventiler aber schon knapp oberhalb von 1000/min ungestüm los. Überholmanöver selbst in hohen Geschwindigkeitsbereichen absolviert er ebenso souverän wie den alltäglichen Stop-and-go-Verkehr, wo er sich lammfromm und elastisch benimmt.
Die Vibrationen und der wenig sportwagentypische Sound lassen aber niemals vergessen, dass es sich um einen Vierzylinder handelt. Wer die gebotene Leistung nicht exzessiv nutzt, wird dafür mit einem sehr maßvollen Verbrauch entschädigt. Im Testmittel konsumierte der Nissan 11,2 Liter Super auf 100 Kilometer, und Minimalverbräuche um sieben Liter schafft praktisch kein ähnlich starker Sechszylinder. Auch sonst braucht der 200 SX einen Vergleich mit der Konkurrenz nicht zu scheuen. Sein niedriger Schwerpunkt und das aufwendige Fahrwerk mit Einzelradaufhängung rundum sorgen für ein neutrales Kurvenverhalten bei geringer Seitenneigung. Engagierte Fahrer dürfen sich vor allem über den in dieser Klasse seltenen Hinterradantrieb freuen, bei dem sich das Eigenlenkverhalten gut mit dem Gasfuß beeinflussen lässt. Einsetzendes Untersteuern kann man mit Gaswegnahme und mit stärkerem Lenkeinschlag parieren, doch besonders auf nasser Fahrbahn neigt das Heck zu unangemeldeten Ausreißern.
Die ABS-gesteuerte Bremsanlage mit großdimensionierten Scheiben (vorn 280, hinten 258 Millimeter Durchmesser) hält den 200 SX auch bei einer Vollbremsung sauber in der Spur und bringt ihn aus 100 km/h schon nach 38,6 Metern zum Stehen. Bei hoher Beanspruchung allerdings verlängert sich der Bremsweg auf 46,5 Meter. Zur guten Handlichkeit passen das Getriebe mit kurzen, präzisen Schaltwegen und eine zielgenaue, nicht zu leichtgängige Lenkung. Die Abstimmung von Federung und Dämpfung ist ebenfalls reichlich straff, verschont die Passagiere aber vor übertriebener Härte.
Bei niedrigen Geschwindigkeiten muss man noch ein leichtes Poltern hinnehmen, darüber wird der Federungskomfort besser. Geringe Wind- und gut isolierte Abrollgeräusche unterstreichen aber den für ein Sportcoupé insgesamt akzeptablen Komforteindruck. Kein Zweifel – für 25.000 Euro hat der Nissan 200 SX einiges zu bieten. Leistungsfähigkeit und Fahreigenschaften eines echten Sportwagens kleiden sich bei ihm in eine diskret elegante Form, die auf kraftprotzendes Gehabe verzichtet. Aber optisch wurde die Idee eines Understatement-Autos fast zu weit getrieben. Zum klassischen Grand Tourisme fehlen der besondere Chic, die liebenswerten Details und vor allem das Gesicht, mit dem man nicht nur im Prospekt, sondern auch an der Côte d’Azur eine gute Figur macht.