Renault Mégane 1.6 RT im Test
Mit dem Renault Mégane betritt ein weiterer Konkurrent die Arena der Golf-Klasse. Modevielfalt und aggressive Preise sind mittlerweile Merkmale dieses Marktsegments. Was der in weichen Linien gestylte Renault 19-Nachfolger kann, klärt ein Test der Schräghecklimousine.
Der neue Renault Mégane tritt in die Fußstapfen eines erfolgreichen Vorgängers. Insgesamt drei Millionen Renault 19 rollten von den Fließbändern in Frankreich und Belgien. In Deutschland war der kompakte Franzose gleich vier Jahre lang der meistverkaufte Importwagen. Keine schlechte Basis, aber auch Verpflichtung. Renault begegnet dieser durch eine konsequente technische Weiterentwicklung auf Basis der Renault 19-Plattform mit längerem Radstand, breiterer Spur und verbesserter Sicherheitsstruktur. Zwei neue Benzinmotoren, ein völlig differentes Styling und der etwas obskure Name Mégane anstelle des nüchternen Zahlencodes stehen für eine umfassende Produktinnovation. Darüber hinaus zählt die Mégane-Familie nun fünf statt vier Mitglieder. Neben der fünftürigen Limousine gibt es ein zweitüriges Coupé namens Coach, dazu kommen später, wie schon beim Vorgänger, ein Stufenheckmodell und ein Cabrio. Als fünfte Modellvariante symbolisiert ein Van den aktuellen Zeitgeist. So gerüstet glaubt Renault über die in der Regel sieben Jahre dauernde Modell-Laufzeit vier Millionen Mégane zu verkaufen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Nimmt man das aller Voraussicht nach meistverkaufte viertürige Schrägheckmodell als Maßstab, so ist der neue Mégane in seinem Marktsegment eine äußerst attraktive Alternative zu Golf und Co. Noch stehen zwar die Preise nicht endgültig fest, doch Renault wird die Gelegenheit nutzen, sich bei der Ausstattung und Preisgestaltung einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. So wird der von auto motor und sport getestete Mégane 1.6 RT mit 75 PS etwa 26 800 Mark kosten. Zu der weitgehend kompletten Serienausstattung zählen Außentemperaturanzeige, Fernentriegelung, elektrische Fensterheber vorne, verstellbares Lenkrad, Nebelscheinwerfer, Servolenkung und eine asymmetrisch umklappbare Rücksitzlehne.
Viel Aufwand trieb Renault bei der Sicherheitsausrüstung mit Fahrer- und Beifahrer-Airbag sowie pyrotechnischen Gurtstraffern, Gurtklemmern und Gurtkraftbegrenzern vorne. Auch die Rücksitzpassagiere sind sicherheitstechnisch betrachtet keine Stiefkinder. Im Fond sind Dreipunktgurte und zwei Kopfstützen serienmäßig vorhanden. ABS, Klimaanlage und Radio müssen natürlich extra bezahlt werden, wobei das Radio dann in seinen Grundfunktionen von der Lenksäule aus fernbedient werden kann. Das ist zwar ein gewöhnungsbedürftiger, aber kein schlechter Service angesichts der Überfrachtung und Miniaturisierung heutiger Radio-Bedienflächen. Dass der Mégane ein ernsthafter Klassenkonkurrent ist, hängt freilich nicht allein von seinem Preis und seiner Ausstattung ab. Denn auch in den wesentlichen Qualitäten eines Automobils macht der neue Renault eine gute Figur.
Im Raumangebot beispielsweise liegt er an der Spitze seiner Klasse. Trotz flacher Windschutzscheibe ist der Raumeindruck auf den Vordersitzen recht gut, was von den Maßzahlen bestätigt wird. Hinten sorgt in erster Linie der reichlich bemessene Knieraum für viel Bewegungsfreiheit. Auch der Einstieg ist bequem. Große, weit öffnende Türen sorgen für mühelosen Zugang. Dabei sind die hinteren Türen mit ihrem angehängten dritten Seitenfenster fast etwas zu breit, was in engen Parklücken den Öffnungswinkel einschränkt. In Innenraum geht es typisch französisch zu. Ablagen gibt es genügend, nicht immer sind sie praktisch. Elliptische Formen prägen die Linien des Armaturenbretts. Erfreulicherweise hat die Funktionalität darunter kaum gelitten. Die Instrumente jedenfalls sind gut ablesbar, und wer sich an die überfrachteten Lenkstockhebel gewöhnt hat, wird wenig auszusetzen haben. Auch die Heizung läßt sich einfach bedienen, benötigt aber bei niedrigen Temperaturen eine viel zu lange Anwärmphase. Unter der aus aerodynamische Gründen kontinuierlich bis zur Heckklappe gewölbten Dachkontur findet dann noch ein geräumiger Kofferraum Platz, der sich durch partielles oder komplettes Umklappen der Rücksitzlehne erheblich erweitern lässt. Kein Gepäck- oder Ladeproblem also im Mégane. Mit der zulässigen Zuladung hat Renault sogar übertrieben: Fährt man wirklich mit 570 Kilogramm Ballast, wirkt das ansonsten tadellose Fahrwerk in Extremsituationen überfordert.
Im übrigen überzeugt der Mégane durch ein vorbildliches, nahezu neutrales Kurvenverhalten, eine mit 75 PS kaum überforderte Traktion sowie stabilen Geradeauslauf bei geringer Windempfindlichkeit. Durch die leichtgängige und präzise Servolenkung lässt auch die Handlichkeit nichts zu wünschen übrig. Als Schönheitsfehler bleibt ein ziemlich großer Wendekreis von über elf Metern. Mehr als ein Schönheitsfehler ist freilich die deutlich nachlassende Bremswirkung bei hoher Beanspruchung. Wer Komfort sucht, wird ihn beim Mégane finden. Die Federung steckt selbst grobe Bodenwellen gelassen weg, wobei die Aufbaubewegungen auch bei zügiger Fahrweise angenehm gedämpft sind. Selbst bei voller Besetzung schlägt kein übermäßiges Wanken oder Schaukeln auf die Magennerven. Lediglich das Ansprechverhalten bei langsamer Fahrt könnte noch etwas geschmeidiger sein.
Auch die Sitzposition und die wohlgeformten Sitze tragen zum überdurchschnittlichen Komforteindruck bei. Vorne bieten sie genügend Seitenhalt, ohne allzu straff gepolstert zu sein, hinten wird der Sitzkomfort abgesehen vom Knieraum durch üppige Sitztiefe und serienmäßige Armlehne auf Mittelklasseniveau geliftet. Abstriche im Gesamtkomfort verlangt nur das typische, permanente Vierzylinderbrummen, das im oberen Geschwindigkeitsbereich noch durch Windgeräusche überlagert wird. Ansonsten erweist sich der neue Motor als nicht herausragende, aber erfreuliche Antriebsquelle. Mit Multipoint- Einspritzung erfüllt er die neuesten Abgasvorschriften (Euro 96), im Verbrauch gibt sich das 75 PS-Aggregat sehr moderat. Acht Liter auf 100 Kilometer im vorwiegend forcierten Testbetrieb lassen im Alltag Werte um sieben Liter/100 km erwarten. Da lässt sich nicht meckern.
Zufriedenstellend sind auch die Fahrleistungen. Die 75 PS aus 1,6 Liter Hubraum bewegen den über 1000 Kilogramm schweren Mégane unerwartet temperamentvoll: 13,4 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h sind mehr als angemessen. Zum positiven Leistungseindruck trägt auch das spontane Ansprechverhalten und der praxisgerechte Drehmomentverlauf (130 Newtonmeter bei 3400 Umdrehungen) des Zweiventilers bei. Die nächste Leistungsstufe mit 90 PS (siehe Vergleichstest im nächsten Heft) verspricht hier keine signifikanten Steigerungen. Da sollte man dann gleich zum Zweiliter mit 115 PS greifen. Spürbare Steigerungen im Verkauf verspricht sich dagegen Renault durch den neuen Mégane. Abgesehen von der im Vergleich zum Vorgänger rund ein Drittel höheren Gesamtstückzahl soll der Mégane im anspruchsvollen deutschen Markt auch wieder die Importspitze erobern. Schade nur, daß er dann einen anderen Renault verdrängen muss: den Twingo.