Seat Toledo 1.9 TDI, Skoda Octavia 1.9 TDI, VW Vento 1.9 TDI
Seat Toledo und VW Vento bekommen mit dem Skoda Octavia Konkurrenz aus dem eigenen Konzern. Er ist nicht nur moderner, sondern auch günstiger als die hauseigenen Klassenkameraden.
Verfechter einer eigenständigen Modellpolitik sehen im Kompaktwagentrio des VWKonzerns eine Parallele zur modernen Gentechnik: Klonen die Ingenieure statt zu konstruieren? Seat Toledo SE, Skoda Octavia SLX und VW Vento GT – wie weit geht es denn tatsächlich mit der Identität, oder sind es doch nichts anderes als Drillinge, wenn auch in unterschiedlichen Kleidern? Unter ihren Motorhauben steckt jeweils der schon aus diversen Audi-, Seat- und VWModellen bekannte turbogeladene 1,9 Liter-Direkteinspritzer- Dieselmotor, der einheitlich 90 PS produziert. Die Fünfganggetriebe sind identisch, der Frontantrieb ist es auch. Alle drei Limousinen verfügen über eine Vorderachse mit McPherson-Federbeinen und Dreieckslenkern, aber im Detail unterscheiden sich die Aufhängungen.
Während die Achse im Seat Toledo in ihren wesentlichen Teilen aus dem Golf II stammt, ist der Vorderwagen des Vento mit dem des Golf III identisch. Anders beim Octavia. Bei ihm werden Räder und Auto durch eine Achskonstruktion verbunden, die bereits im Audi A3 installiert ist und später auch im neuen Golf IV für Fahrbahnkontakt sorgen soll. Hinten führt, federt und dämpft in Toledo und Vento Technik aus dem Golf III. Skoda ist eine Evolutionsstufe weiter und verwendet Golf IVKomponenten. Mit 2,47 Meter gleichen sich die Radstände von Octavia und Vento auf den Zentimeter, beim Seat ist der Abstand zwischen den Achsen vier Zentimeter größer. Mehr Radstand bedeutet aber nicht mehr Innenraum. Im Gegenteil.
Auch wenn die Maße des Toledo nur wenig unter denen der Konkurrenten liegen, wirkt er doch enger. Vorn bietet der Octavia subjektiv den meisten Platz, nach Maßen wird er aber knapp vom Vento geschlagen. Ähnlich geringe Unterschiede gibt es auf den Rücksitzen. Kopf- und Beinfreiheit reichen aus, solange vier normal gewachsene Personen Platz finden müssen. Das beste Raumgefühl vermittelt allerdings der Vento, während den Octavia sein stark abfallendes Dach um einen Punkt bringt: Die Kopffreiheit auf der Rückbank ist knapp. Noch enger ist es im Toledo. Er bietet die geringste Schulterbreite. Doch Toledo olé: Er hat das größte Gepäckabteil. Bei stehender Sitzbank faßt es rekordverdächtige 550 Liter, knapp vor dem Octavia mit 528 Litern. In den Vento passen auch noch beachtliche 500 Liter; sie reichen aber in diesem Vergleich nur für den dritten Platz. Mit umgeklappter Rücksitzlehne (bei allen serienmäßig asymmetrisch geteilt) verändert sich die Plazierung nicht, wenn auch der VW als konventionelle Stufenheck-Limousine einen deutlichen Variabilitätsnachteil hat: Bei ihm bleibt beim Öffnen der Kofferraumklappe die Heckscheibe zusammen mit der Hutablage konzeptionsbedingt in Position.
Der Seat Toledo zeigt, wie es besser geht: Da schwingen Heckscheibe und Hutablage mit nach oben, wenn das Gepäckabteil geöffnet wird. So gewinnt er gegenüber dem VW ganz erheblich an Variabilität und an Kofferraumvolumen. Maximal passen 1360 Liter Gepäck in den Toledo, während der Vento vergleichsweise knappe 835 Liter aufnimmt. Die große Heckklappe des Toledo macht das Beladen zudem leichter. Wie der Seat ist auch der Skoda mehr Fließ- als Stufenheckauto. Fenster und Haube klappen nach oben, und die Hutablage läßt sich mit zwei Handgriffen ausbauen. Obwohl Skoda mit dem Octavia das längste und breiteste Auto auf die Räder stellt, liegt seine maximale Zuladekapazität et was unter der des Toledo. Im Octavia stehen höchstens 1328 Liter Gepäckraum zur Verfügung. Spätestens seit Beginn der Regentschaft von Konzernchef Ferdinand Piëch trägt VW noch ganz andere Lasten. Die Marke hat sich als Mercedes-Konkurrent zu etablieren. Tatsächlich liegen Qualität und Verarbeitung des verbauten Kunststoffs auf sehr hohem Niveau. Bei Skoda sieht das anders aus: Die Kunststoffe wirken trotz der soliden Verarbeitung vergleichsweise billig, während man über die Verarbeitung kaum etwas Nachteiliges berichten kann.
Von der konzernintern angestrebten Volvo-Qualität ist man allerdings noch weit entfernt, wofür nicht allein die bei hohem Tempo flatternde Motorhaube ein Indiz ist. Seat verarbeitet zwar etwas weichere Plastikteile als Skoda, die zu allem noch in gefälligere Formen gepreßt werden, sie zeigen aber auch, daß mediterrane Nonchalance nicht immer an den Werkstoren zurückgelassen wird. Zudem vermittelt das Octavia-Cockpit den moderneren und übersichtlicheren Gesamteindruck. Beim Toledo kann von Ergonomie des Armaturenbretts kaum gesprochen werden. Die Schalter-Positionen wirken zufällig und sind zum Teil verdeckt. Im Dunkeln lassen sich zum Beispiel Kontrolleuchten nicht den Symbolen für Öldruck oder Generator zuordnen. Im Vento findet sich das Armaturenbrett des im Herbst auslaufenden Golf III. Die Schalter sind gut erreichbar, und die Funktionen erschließen sich ohne Blick in die Betriebsanleitung.
Alles funktioniert nahezu perfekt und mit der gewohnten Solidität. Probleme bereiten dagegen die grauen Skoda-Zifferblätter: Sie neigen bei Sonnenschein zu störenden Reflexen und blenden den Fahrer, der dann statt Tacho und Drehzahlmesser nur noch seine Oberschenkel sieht. Keine Schwierigkeiten bereiten die Schalter im Skoda, die – wenn auch leicht verändert – aus anderen VW-Modellen stammen. Positiv fällt ins Gewicht, daß der Octavia SLX besser ausgestattet ist als die beiden anderen Vergleichstest- Kandidaten.
Zu dem ungewöhnlich reichhaltigen Serienpaket gehören eine Sitzheizung (570 Mark extra beim VW) sowie ein höhenverstellbarer Beifahrersitz mit Lordosenstützen vorn (im Vento 750 Mark). Dafür bietet Skoda allerdings weder Automatik noch Sidebags an, die im Vento für 2350 Mark und 650 Mark lieferbar sind. Ausstattungsbereinigt ergibt sich ein Preisvorteil von 7230 Mark zugunsten des Skoda Octavia. Der Seat, in der Anschaffung etwas günstiger, verliert seinen Preisvorteil gegenüber dem Octavia wegen des geringeren Ausstattungsumfangs. So muß beispielsweise das Schiebedach, das beim Octavia SLX bereits im Preis enthalten ist, für 1325 Mark extra geordert werden. Kann der VW seinen hohen Preis durch seinen Fahrkomfort rechtfertigen?
Nein, er befördert seine Passagiere nur um Nuancen kommoder als der Octavia. Der Skoda hat mit kurzen Bodenwellen geringfügig mehr Probleme als sein älterer Bruder von VW. Besonders im beladenen Zustand spricht die Federung des Vento sensibler auf kurze Stöße an als die des Octavia, der wiederum etwas tionen. Die hauseigene Konkurrenz hält sich hier vornehm zurück. Im Grenzbereich untersteuern alle drei unproblematisch und leicht kontrollierbar. Nicht tolerierbar sind die fadingempfindlichen Bremsen von Vento und Toledo, der als einziger hinten noch mit Trommeln verzögert.
Der Octavia schlägt sich eine Klasse besser, wenn auch nicht so gut, wie es seine innenbelüfteten Scheiben vorn und Vollscheiben hinten erwarten lassen. Obwohl unter allen Hauben der gleiche Antrieb steckt, differieren Fahrleistungen und Verbrauchswerte. Unterschiedliche Achsantriebe, Luftwiderstände und Gewichte sorgen für Abweichungen, die aber im Fahrbetrieb kaum auffallen. Nahezu identische Elastizitätswerte auf dem von VWTDI- Motoren bekannten hohen Niveau paaren sich mit niedrigen Verbrauchswerten knapp über sechs Liter/100 km. Weil der Seat-TDI nur die Abgasnorm Euro I erfüllt und seinen Besitzer ab 1. Juli 704 Mark Kfz-Steuer jährlich kostet, gibt es Abzüge. VW und Skoda sind mit Jahressätzen von 551 Mark über 150 Mark billiger. Geklont oder nicht? Wir halten es mit der Natur und plädieren für Geschwister – mit höchst unterschiedlichen Charakteren. Aber es ist eben wie im wirklichen Leben: Die jüngste Tochter ist meist die attraktivste.