VW Golf CL SDI im Test
VW entwickelt die Direkteinspritzer-Diesel stetig weiter. Jüngster Beweis: Der Golf SDI mit 64 PS – ein Auto, das all seinen Reiz aus dem Geiz im Umgang mit dem Kraftstoff bezieht.
Der Vorsprung, den der VW Konzern in der Direkteinspritzer- Dieseltechnologie inzwischen innehält, lässt sich am besten so versinnbildlichen: Während die Konkurrenz noch vorglüht, sind Audi und VW bereits losgefahren. Rover hat zwar seit kurzem mit dem 620 SDi auch einen Turbodiesel-Direkteinspritzer im Programm, und Mercedes wird Anfang nächsten Jahres mit dem E 290 folgen, aber in der VW-Gruppe werden bereits seit drei Jahren Nägel mit Köpfen gemacht. Und jetzt, da all jene Konkurrenten, die dem TDI aus Geräusch- und Abgasgründen zunächst keine Zukunft prophezeiten, langsam aus ihrer Lethargie erwachen, haben VW und Audi auf dem Weg zum immer sparsameren Auto schon eine weitere Etappe zurückgelegt. Denn nach den Audi-Fünfzylindern mit 115 und 140 PS sowie den VW-Vierzylindern mit 90 und 110 PS, alle mit Direkteinspritzung und Turboaufladung (TDI), vollzieht VW mit dem neuen SDI im Golf einen weiteren Schritt: den Saugdiesel- Direkteinspritzer.
Ein DI-Motor ohne die ebenso geräuschdämpfende wie leistungsfördernde Zwangsbeatmung durch einen Turbolader war bislang nur etwas für Nutzfahrzeuge und galt in Personenwagen mangels Laufkultur und problematischer Abgas-Emission als nicht salonfähig. „Die Erfahrungen mit dem TDI haben uns bei der Entwicklung des SDI wertvolle Schrittmacherdienste geleistet“, erklärt Dieter Neier aus der Personenwagen-Dieselentwicklung von VW die nunmehr möglich gewordene Abrüstung des TDI zum SDI. Trotzdem war für das SDI-Programm noch sehr viel Feintuning nötig. „ Einspritzanlage sowie Ventilsteuerung und Motormanagement mussten komplett überarbeitet werden“, berichtet Neier, „die Maßnahmen reichen von geänderten Ventilsteuer- und Einspritzzeiten über kleinere Einspritzlöcher bis hin zur Abgasrückführung.“ Was am Ende dabei herauskommt, liest sich zunächst enttäuschend. Denn gegenüber dem 90 PS starken TDI holt der SDI-Motor aus dem gleichen Hubraum (1,9 Liter) nur noch 64 PS – genauso viel wie der bereits bekannte und weiterhin angebotene Wirbelkammer- Diesel. Auch im Verbrauch ist auf den ersten Blick kein Fortschritt zu erkennen: Laut DINDrittelmix benötigt der Golf SDI mit 4,9 Liter/100 km kein Zehntel weniger als der stärkere und temperamentvollere TDI.
Macht der SDI da überhaupt einen Sinn? Ja, schon allein durch den Preis. Der Golf SDI ist nämlich 1.500 Euro billiger als der TDI und kostet nur 250 Euro mehr als der alte Wirbelkammer-Diesel, bei dem schon der wesentlich höhere DIN-Drittelmix von 5,8 L/100 km ahnen lässt, dass er in puncto Sparsamkeit nicht an den neuen SDI herankommt. Er tut es in der Praxis noch weniger, wo sich wieder einmal beweist, dass alle Theorie doch sehr grau ist. Denn im Alltag liegen zwischen den beiden 64 PS-Dieseln nicht nur 250 Euro und ein Liter im Normverbrauch, sondern Welten. Besonders beeindruckend am SDI ist die gegenüber dem rauen, bis ins Lenkrad hinein vibrierenden Wirbelkammer- Diesel hör- und spürbar verbesserte Laufkultur.
Das bei einem Direkteinspritzer wegen der harten Verbrennung unvermeidbar intensive Kaltstartnageln ist so moderat, dass die Nachbarn frühmorgens nicht mehr aus den Federn fliegen. Und noch etwas überrascht: Trotz identischer Leistungs- und Drehmomentwerte, gleicher Getriebe- und Achsübersetzung sowie ähnlichem Leergewicht wirkt der SDI lebendiger. Da gibt es keine Anfahrschwäche und kein Leistungsloch; in welchem Bereich der Motor auch dreht, er geht. Und zwar recht munter: in gut 16 Sekunden von null auf Tempo 100 und auf der Auto- bahn knapp 160 km/h schnell. Das sind zwar keine atemberaubenden Werte, aber Fahrleistungen, die zügiges Mitschwimmen im Verkehr erlauben. In Beschleunigung und Elastizität ist der SDI dem Wirbelkammer-Diesel nicht nur gefühlsmäßig, sondern auch faktisch (siehe Vergleichstabelle auf dieser Seite) leicht überlegen.
Im Verbrauch ist er sogar eine Klasse für sich. In der Praxis unterbietet er mit 5,1 Litern Testverbrauch den Kammermotor um 1,2 Liter pro 100 Kilometer und um den gleichen Betrag auch den im Normverbrauch gleich günstigen TDI. Warum? Weil man mit dem Golf SDI automatisch etwas gemächlicher fährt als mit dem GTI unter den Turbodieseln, der jedoch – SDI hin oder her – in der Relation zwischen Fahrleistungen und Verbrauch in dieser Klasse immer noch das Nonplusultra darstellt. Der 75 PS-Turbodiesel von VW indes macht in der Zwickmühle zwischen SDI und TDI immer weniger Sinn und wird deshalb demnächst aus dem VW-Programm verschwinden. Unter fünf Litern pro 100 Kilometer zu bleiben, bereitet mit dem SDI überhaupt keine Mühe. Und wer sich ein wenig bemüht, kann sogar die vielbeschworene Drei vor dem Komma erreichen, ohne ein rollendes Verkehrshindernis zu sein.
Ein Auto für kühle Rechner also, allerdings auch von knapp kalkulierenden Köpfen gemacht. Und das lässt VW die Käufer gnadenlos spüren. Denn der verlockend geringe Mehrpreis von nur 250 Euro gegenüber dem Wirbelkammer- Diesel konnte offensichtlich nur durch Weglassen eines wichtigen Rädchens im Getriebe erzielt werden. Statt fünf Gängen wie jeder andere Golf Diesel – und jeder andere Benzin-Golf mit Ausnahme der 60 PS-Basis – hat der SDI serienmäßig nur vier. Das für die Absenkung des Drehzahl- und Geräusch-Niveaus sinnvolle Fünfganggetriebe fiel der Preiskosmetik zum Opfer. Das Opfer muss jetzt der Kunde bringen in Form von 225 Euro Aufpreis, was die ausstattungsbereinigte Preisdifferenz zum Kammerdiesel plötzlich fast verdoppelt. Die Japaner, die sich VW-Chef Ferdinand Piëch in puncto Kundenzufriedenheit zum Vorbild genommen hat, würden sich eine solche Dreistigkeit nicht erlauben. Sparsame Autos wie den SDI zu bauen ist lobenswert, aber ihre Chancen auf Verbreitung durch eine schwer nachvollziehbare Aufpreispolitik von vorneherein einzuschränken ist Öl auf die Mühlen all jener Kritiker, die nicht müde werden zu behaupten, die Industrie sei am Verkauf von Fünf-Liter-Autos überhaupt nicht interessiert.
Dass VW oft an der falschen Stelle spart, zeigt sich auch beim Sicherheitsdenken. Fahrer- und Beifahrer-Airbag sind nun serienmäßig – gut und schön, aber gleichzeitig wurde nicht versäumt, den Grundpreis um 300 Mark zu erhöhen. Da der Luftsack auf der Beifahrerseite vorher 400 Mark Aufpreis kostete, wird diese Initiative vollmundig als Preissenkung verkündet. Wer ohnehin schon die mit Abstand teuersten Autos in dieser Klasse baut, sollte seine Kunden nicht für dumm verkaufen. Und er sollte bessere Bremsen einbauen. ABS ist für den Golf SDI zwar lieferbar, kostet aber 1.000 Euro Aufpreis und verhindert nicht, daß die Verzögerungswerte weder bei kalter noch bei warmer Bremse überzeugen können.
8,4 m/s2 oder 46 Meter Bremsweg aus 100 km/h bis zum Stillstand sind allenfalls durchschnittlich, und 5,8 m/s2 oder 66,6 Meter nach der zehnten Vollbremsung sollten VW zu denken geben: Warum müssen die Basismodelle immer noch mit schwächer dimensionierten Bremsen als die höherwertigen Ausstattungsvarianten auskommen? Die überzeugende Arbeit der Ingenieure, mit dem SDI den sparsamsten Diesel.Golf aller Zeiten entwickelt zu haben, soll das nicht schmälern. Aber es wäre schade, wenn ein überzogener Preis und schwache Bremsen den auch für die Umwelt wichtigen Markterfolg dieses Spar-Autos bremsen würden.