VW Passat Variant TDI im Test
Mit dem neuen Passat Variant zeigt VW nicht nur ein Herz für Kinder mit viel Spielzeug, sondern auch für Eltern mit großem Gepäck. Den Charakter eines Reisekombis unterstreicht der sparsame TDI-Motor mit 110 PS.
Philipp ist vier und mag am liebsten Bagger. Daß sein Vater keinen echten kaufen will, weil er damit nicht zur Arbeit fahren kann, versteht der Junge. Seinen eigenen will er aber immer dabei haben. Anlaß für Streit vor jeder Ausfahrt, denn seine kleine Schwester Sarah geht nicht ohne ihren großen Teddy aus dem Haus, und dann ist das Auto voll, bevor auch nur ein Koffer eingepackt wurde. Das soll nun anders werden. Schließlich steht im neuen Passat Variant schon im Innenraum viel Platz zur Verfügung. Gegenüber dem bereits großzügig dimensionierten Vorgänger ist er nämlich noch einmal gewachsen – in der Länge um acht, in der Breite um 2,5 und in der Höhe um fünf Zentimeter.
Die Folge: eine ungewöhnlich üppige Kopf- und Beinfreiheit auf allen Plätzen, von der im Fond nicht nur Kinder, sondern bei Bedarf auch Großeltern, Onkel und Tanten profitieren. Zwischen den Kindersitzen von Philipp und Sarah bleibt auf jeden Fall auch noch Platz für ein großes Stofftier. 495 Liter Volumen im Kofferraum – 30 Liter mehr als beim Vorgänger – reichen aus, um das Gepäck der vierköpfigen Familie zu verstauen, zumal die Radkästen durch die neuerdings getrennt angeordneten Feder-Dämpfer-Einheiten nicht sehr weit hereinragen. Dadurch entsteht eine Durchladebreite von über einem Meter an der schmalsten Stelle. Völlig glatte Wände, wie beim Fünfer Touring, bei dem BMW die Feder-Dämpfer-Elemente liegend untergebracht hat, gibt es allerdings nicht. Außergewöhnliche Detaillösungen wie ein aufklappbares Heckfenster (Renault Laguna Break) oder einen herausziehbaren Wagenboden (BMW Fünfer Touring) sucht man im Passat Variant überhaupt vergebens.
Es sind weniger technische Gimmicks, die für den VW sprechen, sondern vielmehr das hohe Maß an Funktionalität. Die Rücksitzlehne ist nach bekanntem Muster im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel leicht umklappbar, so daß das Kofferraumvolumen auf 820 Liter (1600 Liter bis unters Dach) wächst. Eine fast ebene Fläche entsteht, wenn zusätzlich die Rücksitzbank hochgeklappt wird, was den Transport sperriger Gegenstände bis zu einer Länge von 1,75 Meter ermöglicht. Diese Dinge lassen sich kinderleicht in den Kofferraum packen, weil die Ladekante niedrig ist und gegen Kratzer mit einer Nirosta-Schiene ausgestattet wurde. Gleitschienen aus Kunststoff im Gepäckraumboden erleichtern zusätzlich das Verstauen.
Daß es in dem mit dickem Teppich ausgeschlagenen Laderaum außerdem eine mit wenigen Handgriffen zu demontierende Kofferraumabdeckung, verchromte Verzurrösen, zwei Stromanschlüsse (gegen Aufpreis als Bestandteil des 510 Mark teuren Technikpaketes) und – auf Wunsch ohne Mehrpreis – ein Trennetz gibt, beweist, daß auch mit dem neuen Passat Variant ein sehr alltagstaugliches Auto entstanden ist, das zudem über ein hohes Qualitätsniveau verfügt. Die Türen schließen satt, der Deckel fürs Handschuhfach bewegt sich ebenso leise und kontrolliert wie die Handgriffe im Dachhimmel und die Sonnenblenden. Nirgenwo klappert oder quietscht etwas, nichts wirkt billig, und alle Schalter lassen sich leicht bedienen. Ein Fortschritt, der Kennern der früheren Passat-Generationen wie ein kleines Wunder vorkommen dürfte.
Schließlich hat VW eine so überzeugende Verarbeitung in der Vergangenheit noch nie geboten. Früher gab es auch noch nicht den 110 PS starken TDI-Motor, der mittlerweile auch bei der VWKonzern- Tochter Audi zum Einsatz kommt und zurecht im Ruf steht, zu den besten Diesel- Vierzylindern zu zählen. Daß es sich hierbei um einen Selbstzünder handelt, ist nicht zu überhören. Sowohl in der Kaltstartphase als auch im Leerlauf nagelt der Diesel deutlich – ein Geräusch, das sparbewußten Fahrern wie Musik in den Ohren klingt. Der Motor gibt sich in dem 1463 Kilogramm schweren Auto nämlich mit einem Testverbrauch von 7,2 Liter Diesel pro 100 Kilometer zufrieden, bei entsprechend zurückhaltender Fahrweise reichen sogar rund fünf Liter/100 Kilometer aus.
Keineswegs sparsam geht der Variant TDI mit der zur Verfügung stehenden Leistung um. Nach Durchschreiten eines kleinen Turbolochs beschleunigt er flott hoch und ermöglicht mit guter Elastizität eine schaltfaule Fahrweise auf einem bemerkenswert niedrigen Drehzahlniveau. Als störend erweist sich bei der Antriebseinheit nur das zwar gut gestufte, aber etwas hakelige Fünfganggetriebe. Widerstände finden sich besonders in der Gasse zum Rückwärtsgang. Auf hohem Niveau befinden sich dagegen die Bremsen des Variant, vorne mit innenbelüfteten und hinten mit normalen Scheiben ausgerüstet. Nach einer Vollbremsung aus 100 km/h steht der Kombi bereits nach 38,6 Metern und zeigt sich auch bei Ausnutzung der vollen Zuladung nach der zehnten Vollbremsung als wenig fadingempfindlich. Der Bremsweg beträgt dann 39,9 Meter. Ebenfalls hohe Fahrsicherheit legt der Passat in schnell durchfahrenen Kurven an den Tag.
Er läßt sich mit der präzisen Servolenkung leicht dirigieren und verlangt wegen der geringen Untersteuerneigung wenig Korrektureingriffe. Souverän reagiert der VW auch hier auf die Ausnutzung der mit 427 Kilogramm im Vergleich zur Konkurrenz geringen Zuladung – seine sicheren Fahreigenschaften bleiben im vollen Umfang erhalten. Selbst plötzliche Ausweichmanöver bringen ihn nicht aus der Ruhe. Um zu verhindern, daß beim beladenen Auto die Federn an den Anschlag geraten, hat VW eine straffe Fahrwerksabstimmung gewählt, was im Leerzustand zu einer gewissen Einschränkung des Federungskomforts auf kurzen Bodenwellen führt. Der Variant quittiert sie mit leichten, aber deutlich spürbaren Stößen. Im beladenen Zustand machen sich dagegen die groben Unebenheiten stärker bemerkbar – sie verursachen dann eine deutliche Vertikalbewegung der Karosserie. Zu den empfehlenswerten Extras zählt deshalb zweifellos eine Niveauregulierung, doch die ist bis auf weiteres noch gar nicht lieferbar.
Der Variant selbst steht dagegen bereits jetzt beim Händler, als 110 PSTDI zu Preisen ab 43 150 Mark inklusive vier Airbags, Dachreling, rundum Dreipunktgurten und elektrischen Fensterhebern – ein Preis, der nicht nur zum Erhalt des Familienfriedens gerechtfertigt erscheint.