Attraktiver Allrad-Campingbus für Aktivcamper

Zwei Modelle mit Allradantrieb hat Karmann im Programm, beide auf Ford-Basis. Zum Test stellt sich der Dexter 570 4 x 4 mit ungewöhnlichem Grundriss: mit Einzelbetten, aber nur zwei Sitzplätzen.
Auf Allrad-Fahrzeuge spezialisierte Anbieter gibt es einige: Dangel, Iglhaut, Oberaigner und Co. machen beinahe jedes Basisfahrzeug schlechtwegetauglich – allerdings nachträglich mit zum Teil sehr aufwendigen und entsprechend teuren Umbauten. Doch es gibt auch Transporterhersteller mit Werks-Allrad im Sortiment. So zum Beispiel Ford mit dem allradgetriebenen Transit, der dem Karmann Dexter 560 4 x 4 mit Querbett-Grundriss und unserem Testmodell, dem 570 4 x4 mit Einzelbetten, als Basis dient.
Anders als bei einem permanenten Allradantrieb verteilt das System des Transit nur bei Bedarf automatisch bis zu 50 Prozent der Antriebskraft auf die Vorderräder. Auf trockener Straße und mit genügend Traktion ist der 4 x 4-Transit mit Hinterradantrieb unterwegs. Über eine Taste lässt sich der Allradeinsatz zwar vorwählen, aber aufgrund fehlender Bodenfreiheit, Differenzialsperre und mit der Serienbereifung reicht das nicht für den grenzenlosen Offroad-Spaß, Schotterwege und feuchte Stellplatzwiesen meistert der Testwagen aber gekonnt.
Zudem beweist der Dexter 570 auch auf Asphalt ordentlich Vorwärtsdrang. Dabei unterstützen ihn nicht zuletzt die 170 Pferdestärken unter der Haube, die es zum Aufpreis von 1450 Euro anstelle des serienmäßigen 130-PS-Motors gibt. Mitsamt der komfortbringenden Federung überzeugt der Dexter so auch auf längeren Strecken. Lediglich eine etwas direktere Lenkung wäre wünschenswert. Größter Wermutstropfen für die Allrad-Dexter ist allerdings, dass man nicht nur auf einige, sonst beim Transit verfügbare Assistenzsysteme verzichten muss, sondern auch auf das Automatikgetriebe.
Kleine Sitzecke für Zwei
Der Dexter 570 ist ein reines Zwei-Personen-Gefährt. Das wird schnell klar, sobald man den Wohnraum des knapp sechs Meter langen Fahrzeugs betritt. Anstelle der üblichen Halbdinette mit Rückbank zeigt sich der 570er erstmal wenig einladend. Zunächst gilt es, die Fahrerhaussitze zu drehen, um überhaupt irgendwo Platznehmen zu können. Der Tisch versteckt sich in einer Nische zwischen Fahrersitz und Sanitärraum.
Aus der Arretierung gelöst und in der Schiene an der Badwand eingehängt, ist der Tisch schnell aufgebaut. Ausgeklappt misst seine zweiteilige Platte immerhin 73 mal 58 Zentimeter. Das reicht allemal für zwei Gedecke nebst Brotkorb und Frühstücksmarmelade. Eher schon drückt die Stimmung, dass es hier vergleichsweise düster ist. Das weit vorn stehende Bad verhindert, dass Licht durch ein Seitenfenster an die Sitzgruppe dringt, und ein größeres Dachfenster gibt es auch nicht.
Insgesamt mutet die kleine Sitzecke, die Karmann als Barsitzgruppe bezeichnet, eher wie eine Behelfslösung an. Zumal der Klapptisch nach jeder Mahlzeit praktisch sofort wieder verstaut werden muss, um bequem aufstehen und durchgehen zu können – die Passage zwischen Tisch und Küche misst gerade einmal 23 Zentimeter. Kaum ein Durchkommen also, selbst für schmale Hüften. Alternativ lässt sich der Tisch auch im Freien aufstellen, das passende Wetter vorausgesetzt. Hierfür gibt es eine Führungsschiene außen am Küchenblock. Die Frage, ob dies auch mit geschlossener Fliegengittertür möglich ist, stellt sich erst gar nicht, da diese Option für die Dexter-Allrad-Modelle nicht verfügbar ist.
Serienmäßig hingegen gibt es die Faltverdunkelung im Fahrerhaus. Privatsphäre und erholsamer Schlaf für Lichtempfindliche sind also gewährleistet. Die großen original Ford-Fenster in den Hecktüren lassen sich mit einem Vorhang verdunkeln. Nachteil der Einfachverglasung ist die Bildung von Schwitzwasser bei kühleren Außentemperaturen, was am Kopfende der Betten durchaus unangenehm werden kann. Trotzdem gehören die Betten zu den Stärken des Dexter 570. Die längere der beiden lattenrostgefederten Liegeflächen misst 1,97 Meter, die kürzere immernoch 1,83 Meter – nicht selbstverständlich für einen Sechs-Meter-Bus.+
Geräumiges Bad, hochwertige Küche
Auch auf das auffallend geräumige Bad wirkt sich die Kompaktsitzgruppe positiv aus. Mittels einer Faltwand lässt sich die integrierte Dusche vom Rest der Nasszelle abtrennen. Lediglich das Waschbecken, das sich aus der Seitenwandverkleidung über die Kassettentoilette klappen lässt, könnte etwas größer sein. Wasserspritzer auf dem Spiegel und hinter der Toilette lassen sich kaum vermeiden.
Die Küche gegenüber punktet mit einer hochwertigen Optik und Haptik. Der Zwei-Flamm-Kocher und das tiefe Spülbecken samt hochaufragender Chromarmatur sind an einer dunklen Echtglas-Arbeitsplatte montiert. Frische Lebensmittel finden im 90 Liter fassenden Kühlschrank mit Gefrierfach Platz, Besteck, Koch- und Essgeschirr in den drei mittelgroßen Schubladen daneben.
Dazu kommt noch ein Hängeschrank, zwei weitere – relativ groß, aber nicht unterteilt – finden sich im Heck für Klamotten. Der kleine Kleiderschrank, der über dem Fußende des linken Betts hängt, erfreut mit einem Kniff: Die Bodenplatte ist herausnehmbar, sodass man bei Bedarf Hemden und Jacken knitterfrei bis zur Matratze aufhängen kann. Das war’s allerdings mit direkt zugänglichen Schränken.
Weiterer nutzbarer Stauraum verbirgt sich unter den Betten. Die lassen sich per Gasdruckfedern kinderleicht aufstellen. Das hilft auch, wenn Sperrgepäck wie etwa ein Fahrrad innen transportiert werden soll. Unter der linken Liegefläche kommen auch Teile der Bordtechnik zum Vorschein. Für Warmwasser und mollig warme Temperaturen sorgt im Testfahrzeug eine Truma Combi D6E, die es gegen Aufpreis statt der D4 gibt. Für eine wohnliche Atmosphäre sorgt im Dexter 570 außerdem die diskrete indirekte Beleuchtung.
Ist kein Landstrom verfügbar,stehen dem Bordnetz neunzig Amperestunden aus der AGM-Batterie zur Verfügung. Die findet sich, ebenso wie das Ladegerät, auch im Bettkasten. Wer mehr Autarkie wünscht, ordert das optionale Solarpanel, eine zweite Bordbatterie gibt es ab Werk nicht.
Faires Preis-Leistungs-Verhältnis
Viel Qual der Wahl bleibt den Käufern nicht, wenn sie sich für eines der beiden Dexter-Allradmodelle entscheiden. Denn die Serienausstattung ist bereits recht umfangreich. So sind etwa die Nebelscheinwerfer und das Sicherheitskomfort-Paket samt Beifahrer-Airbag und Tempomat aufpreisfrei mit an Bord. Ebenso inklusive ist das Reisekomfort-Paket, das unter anderem die Fahrerhaus-Klimaanlage und die elektrisch verstell- und beheizbaren Außenspiegel beinhaltet.
So ist der Grundpreis des Dexter 570 4x4 mit 52.630 Euro für einen gut ausgestatteten Allrad-Campingbus ziemlich attraktiv – jedenfalls wenn man sich mit der kompakten Sitzgruppe anfreunden kann.
Das fiel uns auf
(+) Einfaches Bettaufstellen: Gasdruckfedern ermöglichen einhändiges Heben und Senken der Betten.(+) Vor allem in Notsituationen hilfreich: Die Heckflügeltüren lassen sich auch von innen öffnen.(+) Optional, aber ohne Aufpreis ist das unterflur befestigte Reserverad für die Allradmodelle bestellbar.(-) Nur schwer erreichbar unter dem Fahrzeug befindet sich der Ablass für den Grauwassertank.(-) Wenig elegante Kunststoffabdeckkappen der Schrauben und schwarze Keder stören die Optik.(-) Unschick und veraltet mutet das serienmäßige Mediasystem an. Immerhin mit Bluetooth-Funktion.
Informationen Karmann Dexter 570 4x4 (2021)
Gurte/Schlafplätze: 2/2 Zul, Gesamtgewicht: 3500 kg Länge/Breite/Höhe: 5,98/2,06/2,78 m Grundpreis ab: 52.630 Euro Testwagenpreis: 60.470 Euro
Ausstattung des Testwagens
- 170-PS-Motor: 1450 Euro (empfohlen)
- Metallic-Lackierung/Alufelgen (2,5/10 kg): 770/580 Euro
- Anhängerkupplung (35 kg): 970 Euro
- Truma Combi D 6 E inkl. CP-Plus (1 kg): 580 Euro
- Fahrradträger für 2 Räder (7 kg): 480 Euro (nicht im Testwagen enthalten)
- Solarpanel (11 kg): 580 Euro
- Markise, 3 Meter (25 kg): 1940 Euro (empfohlen)
- Ford Media-Paket (umfasst u.a. 6”-Farb-Touchscreen, Navi, Parkassistent, Rückfahrkamera) (3 kg): 3110 Euro (nicht im Testwagen enthalten; empfohlen)
Wertung
Maximal 5 Punkte möglich
Wohnen: 3,1 Punkte Beladen: 3,5 Punkte Technik: 3,0 Punkte Fahren: 3,8 Punkte Preis & Service: 3,9 Punkte