Unfall beim Einfädeln auf die Autobahn: Wer muss haften?
Wer mit dem Auto zur Arbeit oder in den Urlaub fährt, muss häufig auch die Autobahn nutzen. Doch für so manchen Fahrzeugführer ist bereits das Einfädeln auf die Autobahn der reinste Horror.
Denn nicht immer ist die rechte Spur frei, damit man seinen Pkw problemlos darauf lenken kann. Manchmal verhindert sogar ein Verkehrsrowdy absichtlich, dass man die Spur wechseln kann, oder die Fahrbahn ist wegen eines Staus voll von Kfz.
Doch wie muss man sich als Autofahrer in einem solchen Fall verhalten, um einen Zusammenstoß mit einem anderen Wagen zu verhindern?
Einfädeln auf die Autobahn – so geht’s
Wer sich auf dem Beschleunigungsstreifen befindet, darf nicht einfach nach links lenken und erwarten, dass die Verkehrsteilnehmer auf der rechten Spur Rücksicht nehmen, abbremsen und einen „reinlassen“. § 18 III Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt vielmehr, dass die Autobahnnutzer stets Vorfahrt haben.
Fahrer, die ebenfalls auf die Autobahn wollen, müssen den fließenden Verkehr daher sehr genau beobachten und dürfen nur auf die rechte Spur lenken, wenn sie damit niemanden gefährden. Zum Leidwesen vieler Fahrzeugführer kommt es aber oft vor, dass ein Einfädeln aufgrund erhöhten Verkehrsaufkommens auf der rechten Fahrbahn nicht möglich ist.
Sie fahren dann regelmäßig einfach auf dem Seitenstreifen weiter, bis sie eine Lücke finden oder auf die Autobahn gelassen werden. Der Standstreifen ist jedoch nach § 2 I 2 StVO kein Bestandteil der Fahrbahn und darf demensprechend auch nicht genutzt werden.
Fahrzeugführer müssen stattdessen auf dem Beschleunigungsstreifen anhalten und warten, bis sich eine passende Gelegenheit zum Einfädeln bietet.
Es hat gekracht – und jetzt?
Wer beim verkehrswidrigen Einfädeln auf die Autobahn in einen Unfall verwickelt wird, haftet – zumindest im Regelfall. Denn die Gerichte gehen davon aus, dass der Einfahrende die Kollision verursacht hat, z. B. weil er einfach auf die rechte Fahrspur lenkte, ohne sich zu vergewissern, ob sich dort bereits ein anderer Verkehrsteilnehmer befindet.
Dieser sog. Anscheinsbeweis kann aber erschüttert werden. Der Einfahrende muss dann jedoch genau darlegen können, dass nicht sein Fehlverhalten zum Unfall geführt hat, sondern das des Unfallgegners, z. B. weil dieser absichtlich Gas gegeben hat, um ein Einfahren des Unfallbeteiligten auf die Autobahn zu verhindern. In einem solchen Fall muss der Vorfahrtsberechtigte zumindest mithaften.
Auto vs. Lkw – wer zieht den Kürzeren?
Das Amtsgericht (AG) Essen hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem es beim Einfädeln auf die Autobahn zu einem Unfall gekommen war. Aufgrund stockenden Verkehrs hatte eine Autofahrerin Probleme, eine passende Lücke zu finden. Sie „mogelte“ sich daher bei der erstbesten Gelegenheit vor einen Lkw, blieb verkehrsbedingt kurz stehen und wurde dann prompt von dem Lkw gerammt.
Die Autofahrerin verlangte nun Schadenersatz – ihr Unfallgegner dagegen lehnte jegliche Haftung ab. Schließlich sei die Frau mit ihrem Wagen blindlings nach links vor seinen Lkw gezogen, als die Fahrzeuge vor ihm ein wenig weitergerollt seien. Er habe ebenfalls etwas Gas gegeben, weil er zu diesem Zeitpunkt das gegnerische Kfz noch nicht gesehen habe, und sei dann mit dem Kfz kollidiert.
Nach Ansicht des AG Essen hatte die Autofahrerin den Unfall allein verschuldet. Sie konnte daher keinen Schadenersatz verlangen. Zwar war der Lkw dem Kfz aufgefahren – unfallursächlich war aber allein das Verhalten der Autofahrerin. Die war schließlich in eine freiwerdende Lücke hineingehuscht, ohne darauf zu achten, dass sich der Lkw auf der rechten Fahrbahn bereits in Bewegung befand und auf sie zurollte.
Dessen Fahrer hatte das Vordrängeln auch nicht bemerkt, weil sich der Pkw zu diesem Zeitpunkt in seinem toten Winkel befand. Zwar wäre ihm der Fahrstreifenwechsel bei einem Blick in den rechten Rampenspiegel, einem großen Außenspiegel, aufgefallen – er musste den Spiegel vorliegend aber nicht nutzen. Denn er war vorfahrtberechtigt und durfte sich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht beachten.
(AG Essen, Urteil v. 20.03.2017, Az.: 14 C 188/16)
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