Digitalisierung und Datennutzung: Todesfälle vermeiden

Auf der Hand liegt, dass ein Arzt einen Patienten besser behandeln kann – wenn er viel über dessen Krankengeschichte weiß. Das ist auch bei Medikamententherapien wichtig. Dort können Krankenkassendaten helfen.
Laut der Barmer Krankenkasse in Hamburg könnten mit effizienter Digitalisierung und Datennutzung jährlich rund 1000 Todesfälle in Zusammenhang mit Arzneimitteltherapien vermieden werden.
Laut Barmer Arzneimittelreport 2022 könnten Bundesweit sogar bis zu 70.000 Todesfälle von Menschen vermieden werden, die dauerhaft mehrere Medikamente gleichzeitig nehmen, erklärte die Hamburger Landesgeschäftsstelle für Arzneimittel. Die Arzneimitteltherapien der Barmer-Versicherten ab 40 Jahren wurden für den Report über einen Zeitraum von zehn Jahren ausgewertet.
In diesem Zeitraum habe der Durchschnitt der Versicherten in Hamburg 24 Arztpraxen besucht sowie 36 Diagnosen und Verordnungen zu 19 Wirkstoffen erhalten. Bei den Polypharmazie-Patienten, die dauerhaft mehrere Medikamente nehmen und rund zehn Prozent aller gesetzlich Versicherten ausmachten, seien es knapp doppelt so viele Wirkstoffe wie im Durchschnitt.
Es sei kaum möglich, die Medikationsrisiken einzuschätzen
"Für Ärztinnen und Ärzte ist es kaum möglich, angesichts der Komplexität der Arzneimitteltherapie den Überblick zu behalten und Medikationsrisiken einzuschätzen", teilte Klein mit. Aber: "Um alles zu dokumentieren, ist eine digitale Unterstützung unabdingbar."
Nach Angaben der Krankenkasse zeigte das Projekt AdAM, das die Barmer zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe von 2017 bis 2021 erprobt hat, dass bei einem digital unterstützten Therapiemanagement die Patientensicherheit steigt und die Sterblichkeit um 10 bis 20 Prozent sinkt.
Etwa 940 Hausärzte mit zusammen 11.000 Polypharmaziepatienten hätten etwas mehr bekommen. Den Ärzten seien dabei mit Einverständnis der Patienten sämtliche Routinedaten der Kasse zur Verfügung gestellt worden, etwa zu Vorerkrankungen. Den Ärzten seien zudem Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen der Wirkstoffe gegeben worden.
Einsatz von Routinedaten verbessert Behandlung
"Wir zeigen mit AdAM erstmals, dass die Nutzung von Routinedaten der Krankenkasse zur Behandlungsunterstützung und die elektronisch unterstützte Prüfung auf vermeidbare Risiken Ärzten eine bessere Behandlung ihrer Patienten ermöglichen", erklärte Klein. "Bei flächendeckender Anwendung durch die niedergelassenen Ärzte kann AdAM jährlich 65.000 bis 70.000 Todesfälle bundesweit vermeiden." Das wären auf Hamburg heruntergerechnet etwa 1000 Todesfälle im Jahr.
Die Datennutzung könne auch bei der Aufnahme von Notfällen in Krankenhäusern große Vorteile bringen. "Ohne vollständige Kenntnis der aktuellen Medikation wird die Arzneimitteltherapie zu einem unkalkulierbaren Risiko", erklärte Klein. Bisher sei nicht gewährleistet, dass notwendige Informationen sicher zur Verfügung stünden, sei es unverständlich.