Franken: Klärungsbedarf in Ansbach und Eichstätt
Eintauchen in die Welt des Rokoko-Zeitalters, Kultur und Kulinarik erfahren, die Natur genießen: Franken hat einiges zu bieten, wie die Städte Ansbach und Eichstätt beweisen.
Warum denn in die Ferne reisen? Das Gute ist tatsächlich nah - etwa in Franken in der Kaspar-Hauser-Stadt Ansbach oder Eichstätt im traumhaften Altmühltal.
Wer sich zu einem Ausflug auf ins Altmühltal macht, sollte diese Karte nicht vergessen
Fremder, kommst du nach Ansbach, solltest du in einer Bäckerei dort unbedingt ein "Klärungsweck" verlangen und heimtückisch fragen, woher der merkwürdige Name stammt. Da herrscht Klärungsbedarf. So vorhanden, wird das Fachpersonal hinter der Verkaufstheke nach einem länglichen Milchbrötchen mit mittlerer Kerbung greifen, bei der Frage aber einen Publikumsjoker brauchen. Und dann erzählt der Tourist dem Einheimischen die folgende Geschichte: Christian Friedrich Carl Alexander, der letzte Markgraf in Ansbach (1736 - 1806), hatte eine Mätresse, die französische Schauspielerin Hyppolite Clairon. Die arme Frau vermisste nicht nur ihr gewohntes Weißbrot, sondern wurde auch noch durch eine Jüngere ersetzt. Bei den Ansbachern sehr beliebt, konnten die zumindest in Sachen Baguette-Ersatz helfen: Clairon zu Ehren entstand das längliche Gebäck.
Der Weck hieß damals wie heute so, und weil der gemeine Franke der französischen Sprache nicht mächtig war, wurde Clairon einfach ins Fränkische übersetzt - daher "Klärungsweck". Dazu noch ein pikantes Detail am Rande, das auch dann schön ist, wenn es der Volksmund falsch überliefert hat: Bei der Form des Brötchens sollen sich die Ansbacher am wohlproportionierten Po ihrer geliebten Clairon orientiert haben.
Wo der Weck, ist in Ansbach die Bratwurst nicht weit. Und nein, sie hat mit der Mätresse rein gar nichts zu tun. Sie ist eine Spezialität, die man probiert haben muss. Wenigstens zehn, höchstens achtzehn Zentimeter lang und drei Zentimeter dick, aus Schweinefleisch. Zu haben in den verschiedensten Varianten, aber dass sie als Nachspeise bezeichnet wird, wenn sie hell- und dunkelgeräuchert, als Tellersülze oder gehackt in der Dose daher kommt, ist ein weiteres Phänomen fränkischen Vokabulars. Wer dennoch mehr will, als herzhaft in die Wurst zu beißen, sollte eine Bratwurst-Führung in Begleitung eines Metzgers mitmachen. Der lüftet auch die letzten Geheimnisse, außer aus Gründen der Objektivität nicht, wo es die beste Ansbacher Bratwurst gibt. Wir verraten's gerne - im "Bürger-Pallais".
Nachwuchssorgen bei den Rokoko-Darstellern
Neben den kleinen kulinarischen Highlights haben die Ansbacher noch ganz andere Faibles - sie verkleiden sich gerne und lieben klassische Musik. Die Bachwoche im Sommer ist ein Klassiktreffen der Freunde von Johann Sebastian Bach, und bei den Rokoko-Festspielen in der Hohenzollernresidenz bekommen die Besucher bei Reiterspielen und Kostümierungen eine Ahnung davon, wie es im 18. Jahrhundert am Hofe des Markgrafen zuging.
Für diese eine Woche im Juli arbeitet Claudia Schaeppe den Rest des Jahres. Im wahren Leben Bankangestellte, kümmert sie sich im Heimatverein um die Erhaltung und Pflege der Kostüme und Perücken. Ehrenamtlich, versteht sich. Und gäbe es mehr Claudias, müsste sich der Theologe Holger G. Lang, ihr Vereinsvorsitzender, nicht Beistand herbeisehnen. "Wir haben große Probleme mit dem Nachwuchs," gesteht er. Da sind Erfolgsmeldungen wie die des Fernfahrers aus Ansbach, der mit Rokoko lange nichts am Hut hatte, ehe ihn seine Ehefrau bekehrte, die große Ausnahme: Weil der gute Mann Dienstagsabends, wenn die Tanzproben stattfinden, on tour ist, bekommt er samstags Privatunterricht.
In Ansbach wird also auch auf Einzelschicksale Rücksicht genommen, was dort durchaus Tradition hat. Überall trifft man auf Spuren des berühmtesten Sohnes der Stadt, dem Findelkind Kaspar Hauser. Im Hofgarten beispielsweise steht ein Denkmal des Mannes, der am 17.12.1833 in Ansbach starb und dessen Identität bis heute nicht geklärt ist. "Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet. 14. Dez. 1833" ist in lateinischer Schrift auf einer Gedenktafel im Hofgarten zu lesen, kaum viel mehr erfährt man von der Inschrift auf dem Grabstein im Stadtfriedhof: "Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833." War er nun der unerwünschte Erbprinz von Baden, oder war er es nicht? Wenn man sich in Ansbach umhört, sind die Leute nicht sonderlich interessiert, das irgendjemand das Rätsel lüftet. Der Mythos, der die Stadt weltbekannt machte, soll weiterleben. Das ist gut für den Tourismus.
Als Indiana Jones in Eichstätt
Gut 82 Kilometer Landstraßen führen ins südöstlich gelegene Eichstätt, unserer zweiten Station. Auf den eineinviertel Stunden dorthin fährt man durch blühende Landschaften und ländliche Ortschaften wie Gunzenhausen oder Weißenberg, wo die Welt frei von Hektik sehr in Ordnung ist. Das gilt auch für Eichstätt mit seinen knapp 13.500 Einwohnern. Das ist der nördlichste Ort in Oberbayern, wird aber touristisch noch Franken zugeordnet. Als solche fühlen sich die Eichstätter auch. Was diesen Ort besonders macht?
Vor allem die unberührte Landschaft des Altmühltals, deren Ruhe vor allem Wanderer auf gut 200 Kilometer langen Pfaden genießen. 132.000 Übernachtungen in den exakt 846 Gästebetten des Städtchens können nicht irren. Unter den Besuchern sind jede Menge archäologisch Interessierte, das Jura-Museum beherbergt fossile Prunkstücke wie den Urvogel Archaeopteryx. Und wer wie Indiana Jones unterwegs sein will, leiht sich Werkzeug und begibt sich auf prähistorische Spurensuche im nahen Steinbruch am Blumenberg.
Und Sonst? Nicht umsonst trägt Eichstätt das Prädikt "Barockjuwel". Und wie in Ansbach gibt es auch dort eine nette Anekdote, die schnell erzählt ist: Im Rokoko logierten die Fürstbischöfe in der Residenz zu Eichstätt, verbrachten aber die heiße Jahreszeit in der Sommerresidenz. Das war für das Personal ein großer Aufwand, denn der halbe Hausrat musste dafür eingepackt und für den Transport auf Kutschen geladen waren. Dann machte sich die Entourage auf den Weg - um 500 Meter weiter vor der Sommerresidenz wieder auszupacken. Es war die wohl kürzeste Anreise der Welt.
Weitere Guiness Buch-verdächtige Fakten aus Eichstätt: Alois Senefelder erfand dort 1798 den Vorläufer der Lithografie, das Steindruckverfahren (wie das geht, ist in der Künstlerwerkstatt von Li Portenlänger zu besichtigen), und das Eichstätter Volksfest (28. August bis 6. September) gibt es auch schon seit über 200 Jahren. Warum es allerdings "Ein Fest zum Gernhaben" heißt, wo sich doch beim Boxen im Festzelt die Protagonisten ordentlich auf die Mütze geben, bleibt rätselhaft.
Und damit wären wir beim letzten Rätsel unserer Reise, das in Eichstätt als Käfig an der Brücke über der Altmühl hängt. "Bäckertunke" heißt das eiserne Geflecht, in dem unter dem Gejohle von Schaulustigen einst bedauernswerte Bäcker in den Fluss gelassen wurden, als Strafe für zu kleine Brötchen oder zu leichtes Brot. Nicht auszudenken, was sie in Eichstätt mit einem Ansbacher gemacht hätten, dem im Eifer des Backgefechtes der Po von Clairon missraten wäre. Weitere Infos: www.frankentourismus.de