Hamas-Behörde: Neun Geschwister bei Israels Angriff getötet
Eine Kinderärztin hat bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen palästinensischen Angaben zufolge neun ihrer eigenen Kinder verloren. Nur ein elfjähriger Sohn und ihr Mann hätten den Angriff in Chan Junis im Süden des abgeriegelten Küstengebiets schwer verletzt überlebt, teilte der Direktor der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mit. Dies berichtete laut dem britischen Sender BBC auch das Nasser-Krankenhaus, wo die Mutter zum Zeitpunkt des Angriffs gearbeitet habe.
Die israelische Armee wollte die Berichte prüfen. Es habe in Chan Junis einen Drohnenangriff auf mehrere Verdächtige in der Nähe israelischer Bodentruppen gegeben, erklärte ein Sprecher. "Das Gebiet von Chan Junis ist eine gefährliche Kampfzone", zitierte die "Times of Israel" eine Erklärung des Militärs. Vor dem Beginn des Einsatzes der eigenen Truppen sei die dortige Zivilbevölkerung aufgefordert worden, das Gebiet zur eigenen Sicherheit zu verlassen, hieß es.
"Unerträglich grausam"
Ein britischer Chirurg des Nasser-Krankenhauses, der das überlebende Kind nach eigenen Angaben operiert hatte, zeigte sich in einem Instagram-Video erschüttert. Es sei "unerträglich grausam", dass eine Ärztin, die sich seit Jahren um Kinder kümmere, durch einen einzigen Angriff fast alle ihre eigenen Kinder verloren habe, sagte er der BBC. Auch der Vater der Kinder sei als Arzt an der Klinik tätig. Es sei ungewiss, ob er überleben werde. Laut der Gesundheitsbehörde wurde das Haus der Familie kurz nach seiner Heimkehr getroffen, nachdem der Mann seine Frau zur Arbeit gebracht habe.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Behörde starben allein am Samstag 79 Palästinenser bei israelischen Angriffen. Die Behörde unterscheidet bei ihren Zahlen nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Das israelische Militär teilte am selben Tag mit, die eigenen Truppen hätten im Laufe des vergangenen Tages mehr als 100 Ziele im gesamten Gazastreifen angegriffen. Es seien unter anderem Terroristen, militärische Strukturen und Tunnel getroffen worden. Auch die israelischen Angaben ließen sich unabhängig zunächst nicht überprüfen.
Demonstranten in Israel fordern Freilassung der Geiseln
Unterdessen demonstrierten in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv Hunderte Menschen für ein Ende des Gaza-Krieges und die sofortige Freilassung der Geiseln, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen befinden. "Wir wissen, dass sie leben, und wir wissen, dass die Zeit ausläuft", sagte Liran Berman, dessen Zwillingsbrüder bei dem Terrorüberfall der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt wurden.
Der Überfall, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln nach Gaza verschleppt wurden, war Auslöser des Krieges im Gazastreifen. Seit Beginn des Krieges wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.800 Menschen in dem abgeriegelten Küstengebiet getötet. Auch diese Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich unabhängig kaum überprüfen.
Nach israelischen Angaben werden derzeit noch 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch am Leben sind. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten in dem Küstenstreifen. Die Verhandlungen mit der Hamas über ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln sind erneut ins Stocken geraten.
Medien: Anrufe mit mutmaßlichen Geisel-Schreien
"Jeder Tag ohne Gespräche ist ein Tag, an dem wir riskieren, sie zu verlieren", sagte Berman. Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten hatten zuvor zahlreiche Menschen in Israel Anrufe erhalten, bei denen Aufnahmen von Schreien von festgehaltenen Geiseln im Gazastreifen zu hören gewesen sein sollen. Neben den Schreien seien auch Explosionen und das Heulen von Sirenen zu hören gewesen, berichtete die israelische Nachrichtenseite "Ynet". Die Anrufe seien von unbekannten Nummern abgesetzt worden, hieß es.
Nach Angaben des Forums der Geiselfamilien handelt es sich bei den abgespielten Aufnahmen um Aufzeichnungen aus Geiselvideos der Hamas, die die Terrororganisation zuletzt verbreitet hatte. Das Forum betonte in einer Mitteilung, die Anrufe seien nicht in seinem Auftrag getätigt worden. Die israelische Cyberdirektion leitete laut dem TV-Sender N12 eine Untersuchung ein. "Die Cyberdirektion betont, dass es sich dabei um Versuche handelt, Panik in der Bevölkerung zu schüren", zitierte N12 aus einer Mitteilung der Behörde.