Was folgt aus Alaska - Fünf Thesen zum Trump-Putin-Gipfel

Der russische Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Reise zu US-Präsident Donald Trump nach Anchorage vor allem mehr Zeit gewonnen, um seine Kriegsziele in der Ukraine zu erreichen. Deshalb sehen viele Kommentatoren nicht nur in Moskau den Gipfel in den USA als einen Triumph für den im Westen als Kriegstreiber kritisierten Kremlchef. Das Nachsehen haben Kiew und die Europäer, die nicht nur außen vor waren bei dem Tête-à-Tête in Alaska, sondern sich jetzt auch noch bewegen sollen, damit es in der von Putin überfallenen Ukraine zu einem Frieden kommt.
Putin ist zurück auf der Weltbühne - raus aus der westlichen Isolation
Erreicht hat Putin bei dem Gipfel, dass nun nicht mehr in erster Linie über eine Waffenruhe oder einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Friedensverhandlungen gesprochen werden soll, wie es Trump, die Europäer und die Ukraine es gefordert hatten. Vielmehr machte er einmal mehr deutlich, dass für einen stabilen Frieden zuallererst die Grundursachen des Konflikts beseitigt werden müssten.
Dafür bringt Putin zahlreiche Forderungen vor, etwa den Verzicht auf einen Nato-Beitritt der Ukraine, die Wahrung der Minderheitsrechte der russischsprachigen Bevölkerung und ein Ende des militärischen Hochrüstens des Nachbarlandes durch den Westen. Die Ukraine hingegen will, dass erst die Waffen schweigen - und dann über alles andere gesprochen wird.
Allerdings lehnt Russland ein neues Einfrieren des Konflikts wie bei den Minsker Vereinbarungen ab, um, wie Moskau erklärt, ein neues Hochrüsten der ukrainischen Armee zur Befreiung ihrer Gebiete zu verhindern. Diesmal will Russland weiter kämpfen, bis alle Ziele erreicht sind. Nach dem Gipfel in Alaska herrschte in Russland Erleichterung, dass Trump keine neuen Ultimaten setzte und neue Drohungen von Sanktionen ausstieß.
Vielmehr sei nun klar, dass Kampfhandlungen und Verhandlungen parallel laufen könnten, meinte der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates, Ex-Präsident Dmitri Medwedew bei Telegram. Zudem hätten Trump und Putin in Alaska deutlich gemacht, dass es in erster Linie an der Ukraine und den Europäern liege, ein Ende der Kampfhandlungen zu erreichen. Den Überfall auf die Ukraine hatte allerdings Russland im Februar 2022 begonnen.
Zitterpartie für Selenskyj am Montag in Washington
Für die ukrainische Führung besteht weiter die Gefahr, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Zwar unterrichtete Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Nachgang per Telefon über sein Treffen mit Putin. Doch soll Selenskyj an diesem Montag nach Washington kommen und muss sich wohl auf neuen Druck gefasst machen. Zugleich forderte er erneut schärfere Sanktionen gegen Russland und einen Dreier-Gipfel mit Putin, der aber nach der Alaska-Runde noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon ist.
Trump bestätigte in einem Post in seinem sozialen Netzwerk Truth Social eine bereits kursierende These, wonach jetzt nicht zuerst eine Waffenruhe angestrebt werden soll. Vereinbart sei vielmehr, gleich ein Friedensabkommen zu erreichen, schrieb der US-Präsident - alles im Sinne Putins. Wie dieses Abkommen aussehen soll, dazu machte er keine Angaben.
Selenskyj könnte bei seinem Besuch in Washington mit Bedingungen konfrontiert werden, die jetzt Trump womöglich im Wortlaut Putins vorträgt. Schon im Februar eskalierte ein Treffen Trumps mit Selenskyj derart, dass der Ukrainer wie ein Aussätziger abziehen und mit einem kurzzeitigen Stopp der US-Militärhilfen auskommen musste.
Trump ist (bislang) kein großer Deal-Maker
Noch vor seinem Amtsantritt tönte Trump, er könne den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden - eine Äußerung, die er später als sarkastisch verstanden wissen wollte. Doch auch rund sieben Monate nach Amtsantritt des Republikaners lassen konkrete Ergebnisse auf sich warten. Zumal der nach eigenem Ermessen meisterhafte Deal-Maker bisweilen als Anwalt russischer Anliegen aufgetreten ist.
Dazu gehören etwa die Umdeutung des russischen Angriffskriegs in einen Konflikt, der mindestens von beiden Seiten ausging, die beispiellose Demütigung Selenskyjs im Oval Office des Weißen Hauses sowie der Vorschlag von Gebietsabtretungen durch die Ukraine ohne vorherige Abstimmung mit Kiew.
Russlands Präsident Putin wurde von Trump hingegen auf einem Roten Teppich empfangen. Dass sich der US-Präsident nun auch gegen die deutliche Bitte der Nato-Verbündeten und Kiews der russischen Meinung anschließt, es sei kein Waffenstillstand notwendig für Friedensverhandlungen, sät weitere Zweifel an seiner Fähigkeit und dem Willen, eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Die Europäer ringen weiter um Einfluss
Die Europäer kämpfen gegen ihre Bedeutungslosigkeit in den Verhandlungen. Dies wird etwa an einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Staats- und Regierungschefs sowie von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa deutlich. Darin pochen die Europäer etwa auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Wie diese aussehen sollen, ist unklar.
Vor allem bestehen die Europäer weiter darauf, dass nichts über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg entschieden wird. Sie fordern eine Einbindung Selenskyjs in Entscheidungen zur Ukraine. Was aber auffällt: Eine zuvor etwa in Berlin immer wieder erhobene Forderung nach einem Waffenstillstand als Ausgangspunkt für eine Friedenslösung findet sich in der Erklärung nicht.
Krieg zwischen Russland und der Ukraine geht weiter
Mit jedem Tag, an dem Menschen in dem Krieg sterben und sich die Verhandlungen hinziehen, rücken die russischen Truppen weiter vor, verliert die Ukraine Gebiete. Allein am Tag des Alaska-Gipfels verzeichnete der ukrainische Generalstab entlang der gut 1.200 Kilometer langen Front knapp 140 Gefechte mit russischen Truppen. Ukrainische Einheiten wurden den Angaben zufolge mit mehr als 5.600 ferngesteuerten Drohnen, mehr als 200 Gleitbomben und 3 Raketen angegriffen und über 6.000 Mal von Artilleriesystemen beschossen. Die russische Seite reklamierte erneut die Einnahme von zwei weiteren Ortschaften in den Gebieten Donezk und Dnipropetrowsk für sich.
Die Ukraine hat dagegen ihre Drohnenattacken intensiviert. Jeden Tag werden Ziele selbst Hunderte Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze angegriffen - russische Raffinerien brennen, es gibt Einschläge in Rüstungsfabriken, Flughäfen in dem Riesenreich werden bei Luftalarm lahmgelegt. Immer wieder werden auch Wohnhäuser und zivile Infrastruktur in Städten stark beschädigt. Die Schäden und Opfer stehen aber in keinem Vergleich zu den schweren Verwüstungen und vielen Toten und Verletzten, die russische Angriffe in der Ukraine verursachen.