Hessen droht Rauswurf aus der Europäischen Union

Droht nach dem Brexit der Hexit? Eine Bad Wildunger Bürgerwehr hat beim Landesverfassungsgericht in Wiesbaden Klage gegen die Mitgliedschaft Hessens in der EU eingereicht. Ihr Vorhaben könnte von Erfolg gekrönt sein, denn die selbsternannten Heimatschützer gründen ihre Klage auf der Tatsache, dass in Hessen noch immer die Todesstrafe gilt. Dies ist mit EU-Recht nicht vereinbar.
Eine Gruppe Marburger Jurastudenten hatte im vergangenen Monat bundesweit für Aufsehen gesorgt, nachdem sie während eines spätabendlichen Lernzirkels die Hessische Landesverfassung genauer unter die Lupe nahmen.
Darin fanden Sie den brisanten Artikel 21, in dem es in der derzeit gültigen Fassung heißt: "Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden."
"Die weiterhin gültige Todesstrafe in Hessen ist unser großer Glücksfall", sagt der emiritierte Verfassungsrechtler und Mitinitiator der Klage, Professor Maximilian Bibitor. Denn das Todesurteil sei mit europäischem Recht nicht vereinbar und somit müsse Hessen aus der europäischen Gemeinschaft ausscheren. "Endlich haben wir die Chance, wieder auf eigenen Füßen zu stehen und das Schicksal unserer stolzen Nation Groß-Hessen selbst zu bestimmen. Make Hessen Great Again! MaHeGrA!", skandierte er sichtlich bewegt vor einem knappen Dutzend geladener Journalisten.
Rückendeckung von der Bundesregierung
Rückendeckung erhalten die Kläger dabei ausgerechnet von der Bundesregierung, die in einem ähnlich gelagerten Fall einer EU-Mitgliedschaft der Türkei eine Absage erteilte, sollte Präsident Recep Tayyip Erdogan die 2004 abgeschaffte Todesstrafe in seinem Land wieder einführen. "Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab. Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am 18. Juli vergangenen Jahres in Berlin.
Nach dem Willen der klagenden Bürgerwehr kommt es zu einer schnellen Verhandlung, so dass die Einreichung des formellen Austrittsantrags aus der Europäischen Union bereits am 1. April 2018 erfolgen kann. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) solle an diesem Tag nach Brüssel reisen und das Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben.
Dabei hatte sich Hessen - insbesondere Frankfurt am Main - nach Austritt der Briten aus der Europäischen Union große Hoffnung auf den Zuzug tausender Banker aus der Londoner City gemacht. Daraus dürfte nun nichts werden, wenn die Metropole selbst nicht mehr Teil der EU ist.
Doch auf Hessen kommen noch ganz andere Probleme zu: "Bei einem Austritt Hessens aus der Europäischen Union ist es vollkommen undenkbar, dass das Land weiterin Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland bleibt", so Staatsrechtler Jonas Stultus von der Fachhochschule Magdeburg. Neben den Austrittsverhandlungen mit Brüssel kämen auf die Hessische Landesregierung dann auch noch Trennungsverhandlungen mit Berlin zu.
"Das geht ganz fix"
Geht es nach Professor Bibitor, dann könne der Austritt sowohl aus der EU als auch aus der BRD schnell über die Bühne gehen. "So viele Gemeinsamkeiten hat es zwischen uns eh nie gegeben. Das geht ganz fix". Auch für die Zeit danach hat er schon konkrete Vorstellungen: "Nach der Selbständigkeit wird unser schönes Land zunächst wieder in 'Groß-Hessen' umbenannt, so wie es nach dem Krieg schon der Fall war. Später müsste man überlegen, ob wir die Monarchie wieder einführen. Der Großherzog von Hessen-Darmstadt hat schon große Sympathien bekundet. Oder wir fragen die Holländer." Auch ein späterer Zusammenschluss Hessens mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien sei nicht gänzlich ausgeschlossen, schließlich sehe man sich als "Brüder im Geiste" mit den Engländern, denen die EU auch nie ganz geheuer war.
Den verbleibenden Rumpfstaat der Bundesrepublik Deutschland stellt der bevorstehende Hexit ebenfalls vor große Probleme, zum Beispiel auf dem Verkehrssektor: Mit der Autobahn A7 verläuft die wichtigste Nord-Süd-Verbindung der Republik quer durch hessisches Staatsgebiet. "Die Führung des bundesdeutschen Verkehrs auf einer so wichtigen Trasse durch ausländisches Territorium liegt nicht im Interesse der nationalen Sicherheit" sagt Agnes Rottkiehl, Sprecherin des Berliner Verkehrsministeriums.
Ab dem Dreieck Drammetal könne der Verkehr von Norden kommend daher zunächst über ein Teilstück der A38 bis Heiligenstadt, und von dort auf einer neu zu bauenden Verbindung entlang der Landesgrenze Richtung Eisenach und weiter nach Schweinfurt geführt werden. Mit Verkehrsbehinderungen ist indes auf Jahre hinaus zu rechnen. Mit einer Fertigstellung der neuen Autobahn könne frühestens 2028 gerechnet werden.
Handkäs mit Smetana
Ganz ohne Nebenwirkungen auf die heimische Wirtschaft, zumindest in kulinarischer Hinsicht, dürfte der Austritt Hessens ebenfalls nicht ablaufen. So wie derzeit England um den europaweiten Schutz seiner eingetragenen Gourmet-Marke "Fish & Chips" bangt, so dürften auch die einheimischen Spezialitäten Äppelwoi und Handkäs mit Musik nach dem "Hexit" hemmungslos von jedem und seiner Tante kopiert werden. Eine Firma aus Moldawien hat bereits offiziell Interesse an Produktion und Vermarktung vermeldet. Derzeit ist das Unternehmen auf die Herstellung von Glückskeksen spezialisiert. Der aktuelle Topseller wird weltweit vertrieben, gerne nach dem Genuss haarsträubender Geschichten serviert und enthält einen kleinen Zettel mit der Aufschrift "April, April!"